Nicht noch mehr Dirigismus

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sb - Seit dem 1. August dieses Jahres hat Deutschland ein Honorarberatungsgesetz. Kritik daran entzündet sich zum einen daran, dass es sich nur auf Wertpapiere und Vermögensanlagen beschränkt, sodass der Honorarberater keine umfassende Beratung leisten kann, die etwa auch Versicherungen oder Bausparverträge mit einbezieht. Aus Verbraucherschutzsicht zu bemängeln ist zudem die Tatsache, dass eine Beratung auf Provisionsbasis nicht generell untersagt wurde, wie es in Großbritannien und den Niederlanden bereits geschehen ist.

Hier hat der deutsche Gesetzgeber Zurückhaltung walten lassen. Denn nach wie vor gibt es Bedenken gegen ein striktes Provisionsverbot. Und diese sind sicher nicht allein der Lobbyarbeit der Kreditwirtschaft zuzuschreiben, die ihre Felle davonschwimmen sieht. Sondern sie werden auch von der BaFin geteilt.

Zum einen ist es noch keineswegs ausgemacht, dass es bei der Honorarberatung keinen Konflikt zwischen den Interessen des Beraters und denen der Kunden gibt. Er wäre nur anderer Natur. Wo die Rentabilität eines Beratungsgesprächs sich am Zeitaufwand bemisst, könnten Berater versucht sein, solche Gespräche möglichst stark auszudehnen, während Kunden sich mit Blick auf die Uhr vielleicht einem systematischen Check ihrer finanziellen Situation eher verweigern, als es heute der Fall ist. Ist der Kunde mit dem Ergebnis der Beratung nicht wirklich zufrieden, wird er vielleicht dennoch abschließen. Denn die Neigung, eine zweite Meinung einzuholen, wird sinken, wenn für diese zweite Meinung - anders als beim provisionsbasierten Modell - erneut ein Beratungshonorar fällig wird. Solche "Ausweichstrategien" seitens der Verbraucher ließen sich zwar durch eine Art Pflichtversicherung für die Finanzberatung vermeiden, die dann vermutlich ähnlich wirken würde, wie die Rechtsschutzversicherung: Wer für die Police zahlt, der nimmt die Leistungen auch fleißig in Anspruch, sprich prozessiert mehr als andere beziehungsweise würde sich ausführlich beraten lassen. Aber wollen wir eine neue Pflichtversicherung wirklich? Unbeantwortet bliebe selbst dann die Frage, wie sich ein Provisionsverbot auf die breite Masse der Retailkunden auswirkt - von den unteren Einkommensgruppen ganz zu schweigen. Hierbei geht es um die Frage, inwieweit sich ein Angebot für Kunden mit geringem Vermögen für die Anbieter überhaupt lohnt. Dass die Politik sich (einstweilen) gegen ein Provisionsverbot entschieden hat, ist nicht zuletzt der Sorge geschuldet, dass breiten Zielgruppen dann künftig gar keine Beratung mehr angeboten werden könnte. Die Auswirkungen auf die Vorsorgeproblematik - Stichwort Altersarmut - wären dann verheerend.

Freilich ließe sich auch dieses Problem mit immer neuen gesetzlichen Vorgaben lösen. Honorarberater könnten beispielsweise verpflichtet werden, zu einem "Basistarif" auch wenig begüterten Kunden ein Beratungsangebot zu unterbreiten. Allerdings wäre dann absehbar, dass es wenig Individualität zu bieten vermöchte und wahrscheinlich auf eine "Beratung von der Stange" hinauslaufen würde, die im günstigsten Fall kaum besser wäre als das heute von Banken und Sparkassen Gebotene. Alternativ wäre es denkbar, dass Finanzberatung gleich zur hoheitlichen Aufgabe erklärt und Beratung von Behörden oder im Auftrag des Staates von den Verbraucherzentralen "gebührenfrei" oder zu kostengünstigen Festpreisen geleistet würde. Das Problem nicht kostendeckender Beratungen müsste dann wohl durch Steuerfinanzierung gelöst werden. Solche Gedankenspiele zeigen: Ungewollte Effekte eines Provisionsverbots, wie man sie im Ausland bereits ansatzweise beobachten kann, lassen sich vermutlich in irgendeiner Form vermeiden. Ganz ohne neuerlichen staatlichen Dirigismus geht es aber wahrscheinlich nicht. Die Forderung der Kreditwirtschaft, einfach dem Kunden die Wahl zwischen beiden Modellen zu lassen, ist vor diesem Hintergrund sicher berechtigt. Damit neuerliche Eingriffe seitens des Gesetzgebers vermieden werden, wären Banken und Sparkassen aber gut beraten, bei den Kosten der provisionsbasierten Beratung noch transparenter zu werden und flächendeckend die Beratung auf Honorarbasis für alle Kunden zur Wahl zu stellen.

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