Nicht nur ein Fluch

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sb - Die Zahlen schwanken zwar je nach Umfrage und Zielgruppe. Dennoch hat es den Anschein, als lege noch immer eine Mehrheit der Bankkunden in Deutschland bei ihrer Hausbank Wert auf Filialen. Das gilt nicht zuletzt auch für die ganz Jungen, die längst als "Digital Natives" aufwachsen. Dass dem so ist, kann eine Reihe von Ursachen haben. Zum einen ist es ein schönes Gefühl, einen persönlichen Ansprechpartner in der Nähe zu wissen, sollte es einmal Probleme geben. Auch die durch eine Reihe von Studien belegte Unsicherheit vieler Verbraucher in Finanzangelegenheiten mag dabei eine Rolle spielen: Hier wird ein Beratungsangebot geschätzt - selbst wenn es nicht unbedingt in Anspruch genommen wird.

Nicht zuletzt könnte auch die Vertrauenskrise der Branche für das Festhalten an in der Fläche sichtbaren Banken eine Rolle spielen: Sie sind greifbarer und erscheinen Vielen damit zugleich vertrauenswürdiger als reine Internetbanken. Das alles gilt freilich nur, wenn auch die Filialbanken in Sachen Digitalisierung mithalten. Denn die Filiale wird zwar geschätzt - doch das bedeutet nicht, dass die Kunden deshalb all ihre Standardgeschäfte dort abwickeln. Das eine tun und das andere nicht lassen, lautet deshalb die Devise.

Die "Filialisten" sind in Sachen Digitalisierung auch durchaus gut unterwegs. Die Commerzbank hat die "Direktbankfähigkeit" erreicht und die Sparkassen-App ist Verbraucherschützern zufolge die beste Banking-App, um nur zwei Beispiele zu nennen. Anders als die Direktbanken haben sie jedoch das Problem, die Investitionen in neue Technologien stemmen zu müssen und gleichzeitig das Filialnetz nicht nur zu erhalten, sondern an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen. Dieser Kostennachteil gegenüber den Direktbanken lässt sich nicht wegdiskutieren, zumal die Kunden nur bedingt bereit sind, für den gebotenen Service - Geldautomaten zum Beispiel, Service in den Filialen oder auch Beratung - mehr zu bezahlen. Deshalb geht die Diskussion um die "richtige" Anzahl von Bank- und Sparkassenfilialen weiter. Michael Mandel, Privatkundenvorstand der Commerzbank, freut sich darüber: Wo sich die "Platzhirsche" zurückzögen, könne sein Haus viele Neukunden begrüßen, so Mandel Anfang Juli vor Journalisten.

Das Thema Digitalisierung wirft jedoch nicht nur die Frage möglicher Filialschließungen auf. Es streut zumindest auch Sand ins Getriebe der beiden Verbünde. Denn in Zeiten des grenzenlosen Internets lässt sich das Regionalprinzip kaum noch strikt durchsetzen. Soll eine Sparkasse oder Genossenschaftsbank Kunden, die aus dem eigenen Geschäftsgebiet wegziehen, wirklich hinauswerfen - immer mit dem Risiko, dass die darob Verärgerten dann nicht zu dem Schwesterinstitut am neuen Wohnort wechseln, sondern sich einem Wettbewerber zuwenden? Und was ist mit Kunden, die über ein Vergleichsportal auf ein regionales Angebot aus einer anderen als der eigenen Region aufmerksam werden? Soll man die wirklich zurückweisen und riskieren, dass sie für die gesamte Gruppe verloren sind? Oder darf man solches Geschäft sogar - etwa durch Suchmaschinenmarketing - aktiv akquirieren? Und wie sind zeitgemäße Grenzen für solche Aktivitäten zu definieren? Insbesondere aus der Genossenschaftsorganisation ist hier in letzter Zeit an der einen oder anderen Stelle ein mehr oder weniger lautes Knirschen zu hören.

Und doch ist die Digitalisierung gerade für die Filialbanken nicht nur ein Fluch. Sondern sie bietet auch neue Chancen. Zuallererst liegen sie darin, dass mit dem Voranschreiten der Technik ein Wettbewerbsnachteil gegenüber den Direktbanken schwindet: Auch der Filialbankkunde kann heute rund um die Uhr seine Bankgeschäfte auf allen Kanälen erledigen - nur dass seine Bank eben noch ein bisschen mehr bietet. Damit dieses Mehr den Anbietern auch etwas nutzt, muss an der Vernetzung der Kanäle freilich noch weiter gearbeitet werden. Denn nur so können die neuen Möglichkeiten, mit dem Kunden in Kontakt zu kommen, wirklich genutzt werden.

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