Wechsel der Paradigmen

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sb - Kinder, junge Erwachsene, Familien, Senioren - all diese Kriterien für die Kundensegmentierung im Privatkundengeschäft haben durchaus noch ihre Berechtigung, kennzeichnen sie doch Kundengruppen mit teilweise ähnlich gelagerten Bedürfnissen. Aus diesem Grund findet man solche Kategorien zu Recht auf der Startseite vieler Banken-Websites im Privatkundenbereich. Aus Sicht der Kreditinstitute selbst sind solche soziodemografischen Kriterien jedoch nicht mehr ausreichend. Denn das Zielgruppenmanagement muss mehr denn je zwei Herausforderungen unter einen Hut bringen:

Einerseits müssen die Kunden möglichst individuell entsprechend ihren Bedürfnissen angesprochen und beraten werden. Angesichts immer knapperer Margen muss jedoch andererseits verstärkt die Profitabilität einer solchen Kundenansprache im Fokus stehen. Und dazu muss die Kundensegmentierung nach soziodemografischen Kriterien, wie Alter oder Einkommen, um eine Analyse nach Ertragskriterien mindestens ergänzt werden. Welche Kunden(gruppen) haben die höchste Abschlusswahrscheinlichkeit? Welches Abschlussvolumen ist realistischerweise zu erwarten? Werden solche Potenzialanalysen beispielsweise auf die einzelne Filiale oder den einzelnen Berater heruntergebrochen, hilft das der Bank und den Kunden. Vertriebsziele können dann an den tatsächlichen Gegebenheiten orientiert werden. Damit werden Berater nicht mit Vorgaben konfrontiert, die sie kaum erfüllen können - zumindest dann nicht, wenn sie sich am Bedarf ihrer Kunden orientieren. Für Kunden heißt das im Umkehrschluss, dass die Beratung tatsächlich eher bedürfnis- als Vertriebsziel-orientiert stattfinden kann.

Die Kundensegmentierung nach Ertragspotenzialen müsste konsequenterweise jedoch auch vertriebspolitische Maßnahmen nach sich ziehen, vor denen insbesondere viele Volksbanken und Sparkassen noch zurückschrecken - nämlich ein Beratungsangebot, das in Abhängigkeit von dem damit zu erzielenden Ertrag abgestuft wird, wie es Christoph Grabher und Stephan Vomhoff in diesem Heft beschreiben. Das kann (und darf) zwar nicht bedeuten, dass Kunden mit geringem Einkommen künftig nicht mehr oder nur noch gegen Aufpreis beraten werden, sofern sie den Wunsch danach verspüren. Schließlich vertrüge sich das nicht mit dem öffentlichen Auftrag der Sparkassen oder dem Genossenschaftsprinzip. Aber es lässt sich sehr wohl differenzieren, an welche Kunden eine Bank oder Sparkasse aktiv mit ihrem Beratungsangebot herantritt und an welche nicht.

Eine solche - auf den ersten Blick vielleicht erschreckende - "Zwei-Klassen-Gesellschaft" in der Bankberatung nützt natürlich in erster Linie den Anbietern, die die teuren Beratungskapazitäten dann zu einem geringeren Anteil in solche Kunden investieren müssen, deren Abschlussvolumen kaum die Beratungskosten decken kann. In vielen Fällen dürfte sie aber auch den Kundenbedürfnissen entgegenkommen. Dass bei denjenigen, die über mehr Geld verfügen, auch der Beratungsbedarf höher ist, liegt in der Natur der Sache. Kunden mit kleineren Einkommen, denen das Sparen schwerfällt, möchten vielleicht gar nicht auf regelmäßige Sparformen oder längerfristige Geldanlage angesprochen werden und ziehen es durchaus vor, sich im Bedarfsfall selbst mit einem Beratungswunsch an die Bank zu wenden. Sofern diesem dann auch adäquat entsprochen wird, dürfte es ein Großteil der Kunden somit als durchaus angemessen empfinden, regelmäßig über aktuelle und auf ihre Bedarfssituation zugeschnittene Angebote informiert, aber nicht aktiv betreut zu werden. Wenn Kreditinstitute sich in der aktiven Ansprache verstärkt auf eine Klientel konzentrieren, die mehr Ertragspotenzial bietet, und dadurch ihre Ertragssituation verbessern können, kommt das letztlich auch der Masse der Kunden zugute. Und man kann ja das eine tun, ohne das andere gänzlich zu lassen: Die aktive Ansprache chronischer Kontoüberzieher etwa, wie sie die Bundesregierung gesetzlich festschreiben will, ist ein Beispiel für aktive Betreuung ertragsschwächerer Kunden, die auch einem solchen Paradigmenwechsel nicht zum Opfer fallen würden. Für sie stünden dann vielleicht sogar mehr Kapazitäten zur Verfügung als bisher.

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