Der Wildwuchs ist vorbei

Swantje Benkelberg

sb - Auf den ersten Blick ist die Gründung des Bundesverbands Crowdfunding e.V., Berlin, im April dieses Jahres für die Kreditwirtschaft sicher kein gutes Zeichen - zeigt sie doch, dass die Realisierung von Finanzierungsvorhaben "an den Banken vorbei" längst keine bloße Modeerscheinung mehr ist. Dass die Branche sich formiert, ist vielmehr ein Indiz dafür, dass sie erwachsen wird und sich Banken und Sparkassen wohl dauerhaft damit werden auseinandersetzen müssen. Der neue Wettbewerb hat sich - aller Konsolidierung zum Trotz - etabliert.

Dass die Anbieter im Bereich der Schwarmfinanzierung die Notwendigkeit gesehen haben, sich in einem eigenen Verband zu organisieren, zeigt aber auch, dass der Wildwuchs erst einmal vorbei ist. Indem sich die Mitglieder des Verbands auf gewisse Qualitätsstandards verpflichten, beginnt sich die Spreu vom Weizen zu trennen - sprich diejenigen, die auf eine langfristige Zukunft setzen und dabei auch das Image ihrer Branche im Blick behalten, und die anderen, die dergleichen jetzt vielleicht noch nicht für nötig halten. Die von den bisher 22 Mitgliedern des Verbands vorgenommene "Selbstregulierung" im Sinne der selbst gesetzten Standards ist vielleicht auch ein Vorgriff auf kommende Regulierungsvorhaben. Je mehr die Anbieter selbst zum Beispiel auf Verbraucherschutz achten, desto geringer das Risiko, dass der Gesetzgeber hier die Notwendigkeit zum Eingreifen sieht. Die Diskussion um das Kleinanlegerschutzgesetz war für die zu diesem Zeitpunkt noch unorganisierte Crowdfunding-Branche eine Art Aha-Erlebnis. Sie hat gezeigt, dass dieser neue Wettbewerb für die Banken nicht unberührt von jeglicher Regulierung agieren kann und davon ausgehen muss, dass es auch künftig Regulierungsvorhaben geben wird, bei denen die Crowdfunding-Unternehmen einer organisierten Lobbyarbeit bedürfen, die dem Gesetzgeber als Ansprechpartner zur Verfügung steht. In Sachen Regulierung mag es somit (noch) keine Waffengleichheit geben. Ein Pfad in diese Richtung scheint aber eingeschlagen.

Das "Erwachsenwerden" des Crowdfundings ist für die Kreditwirtschaft jedoch noch unter einem ganz anderen Aspekt interessant. Es gilt nicht nur, die neuen Wettbewerber im Auge zu behalten. Mindestens ebenso wichtig ist das Nachdenken über Kooperationen oder vielleicht sogar den eigenen Einstieg in dieses neue Geschäftsfeld. Der Aufbau eigener Plattformen als Abrundung zum eigenen Kreditgeschäft sollte sicher nicht vorschnell vom Tisch gewischt werden. Denn damit könnten Banken und Sparkassen die sprichwörtlichen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Anlegern neue Investitionsmöglichkeiten eröffnen und ihren Firmenkunden Zugang zu weiteren Finanzierungsmitteln eröffnen. Bankeigene Crowdinvesting-Plattformen könnten dabei mit einer sorgfältigen Prüfung der Businesspläne jener Start-ups oder Unternehmen punkten, deren Crowdfunding-Kampagnen eingestellt werden. Das würde Anlegern ein höheres Maß an Sicherheit bieten, als es auf manch anderer Plattform zu finden ist. Gerade Genossenschaften und Sparkassen könnten ihren Kunden die Investition in Unternehmen aus der eigenen Region ermöglichen, wie sie es bei Energiegenossenschaften oftmals ohnehin schon tun. Und den Unternehmen könnten sie im Rahmen der Firmenkunden- oder Start-up-Betreuung auch mit einer Beratung hinsichtlich der Durchführung der Crowdfunding-Kampagne zur Seite stehen. Dann wäre ein solches Angebot auch ein Instrument der Kundenbindung.

Natürlich gibt es - wie überall - auch Risiken zu bedenken, allen voran das Reputationsrisiko, sollten Investoren einmal ihr Geld verlieren oder Unternehmen ihr Finanzierungsziel nicht erreichen. Dass es zu so etwas bei bankeigenen Plattformen ebenso kommen kann wie bei anderen, müsste natürlich im Vorfeld transparent gemacht und offen kommuniziert werden. Unter dem Strich überwiegen aber vielleicht doch die Vorteile. Namentlich die Verbünde könnten mit entsprechenden Gemeinschaftslösungen vermutlich einige Potenziale erschließen, die sie heute noch den Wettbewerbern überlassen.

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