Regulierung

0,3 Prozent Interchange - und dann?

Die Meinung der Politik ist eindeutig: "Es kann kein Ende der Regulierung geben".1) Auch wenn dabei mehr auf die Zukunft der Vorschriften um Basel III referenziert wird, so gilt das sicher auch für die hoheitlichen Eingriffe ins Kartengeschäft. Die EU ist in Sachen Kartengeschäft ja schon längere Zeit aktiv und die in Brüssel darüber geführte Debatte ist emotional aufgeladen. Aktuell ist der Vorschlag einer Verordnung über Interbankenentgelte im Kartengeschäft in der wahrscheinlich letzten Runde der Diskussion.2) Zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Acquiring soll das Interbankenentgelt für Verbraucherkartentransaktionen gesenkt werden. Das offizielle, zweistufige Ziel der EU für das Kreditkartengeschäft sieht vor, dass sich die Interchange für alle grenzübergreifenden Verbraucher-Kreditkartentransaktionen und kreditkartengebundenen Zahlungsvorgänge auf höchstens 0,30 Prozent vom Umsatz belaufen soll. 22 Monate später soll diese Höchstgrenze dann auch für nationale Transaktionen gelten.3) "Darauf haben Handel und Verbraucher gewartet. Die Abzockerei mit Kredit- und Bankkarten soll endlich aufhören", so Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament.4)

Zahlungsverkehrspreise sind politische Preise

Mit der EU-Verordnung soll die Höhe des Entgeltes reglementiert werden, das der Emittent vom Acquirer als Preis für den Einsatz seiner ausgegebenen Karten bei Vertragsunternehmen erhält. Bezahlt wird dieses Entgelt vom Händler, der an den Acquirer das umsatzabhängige sogenannte Disagio bezahlt. Der Interchange-Satz ist ein preisbestimmender Faktor für die Höhe des Disagios, weil der Acquirer diese Fremdkosten mitverdienen muss und diese für ihn nicht verhandelbar sind, sondern von den Kartenorganisationen Mastercard und Visa vorgegeben werden.

Die Interchange ist im vorhandenen System eine der Haupteinnahmequellen der Emittenten im Kartengeschäft. Es gibt zurzeit unterschiedliche Sätze, die in Abhängigkeit von verschiedenen Kriterien ausdifferenziert sind, sei es der Regionalbezug (zum Beispiel Domestic- oder Auslands-Einsatz), die Branchenzugehörigkeit des Vertragsunternehmens (zum Beispiel Petrol oder Airline), die relevante Kartenart (Comsumer-, Corporate-, Creditoder Debit-Card) oder die technischen Rahmenbedingungen des Karteneinsatzes, wie dies etwa bei einer chipgestützten Transaktion der Fall ist. Die Spanne reicht vereinfacht von 0,15 Prozent bis 1,90 Prozent vom Umsatz.

Die beiden Schemes gehen hier zwar nach einer vergleichbaren Strukturierungslogik vor, unterscheiden sich allerdings in den Details und den Interchange-Sätzen. Die Informationen dazu sind nicht zuletzt aufgrund des langjährigen Diskurses mit der EU mittlerweile öffentlich zugänglich.5) Die EU hat sich dieses Themas aus mehreren Hauptgründen angenommen.

- Erstens, weil sie davon ausgeht, dass die Kosten für die Kartenakzeptanz vom Händler auf die Endkunden überwälzt werden und dies politisch nicht gewollt ist.

- Zweitens, weil die Kosten aufgrund des eingeschränkten Wettbewerbs zu hoch wären und die Verbraucher so am Ende zu viel zahlen würden.

- Drittens soll die Innovationskraft der Branche durch mehr Wettbewerb gefördert und

- viertens die Gesamtbelastung der Wirtschaft durch Zahlungsverkehrskosten gesenkt werden.6)

Im Gegensatz dazu bezweifelt die deutsche Kreditwirtschaft, "ob das ursprünglich von der EU-Kommission angestrebte Ziel ... mit dem vorgelegten Vorschlag ... erreicht werden kann" und hält es für nicht absehbar, "in welchem Umfang ein Händler möglicherweise entstehende Kosteneinsparungen ... tatsächlich an den Verbraucher weitergeben wird."7) Auf den ersten Blick könnte man meinen: Wen interessiert das?

Doch die Zahl von 350 Interessenträgern, die sich an der Anhörung der EU beteiligt haben, spricht für sich.8) Ein Blick auf die Hintergründe zeigt auf, wie facettenreich die Wirkungen sein können, die allein mit dem ordnungspolitischen Eingriff bei den Interbankenentgelten verbunden sind. Von den Konsequenzen der transparenzfördernden Maßnahmen der EU-Verordnung ganz zu schweigen. Betroffene Parteien werden die Emittenten, die Acquirer, die Schemes Visa und Mastercard sowie die Prozessoren und am Ende auch die Verbraucher sein, die ihre Karten einsetzen.

Ertragseffekt für Emittenten nicht marginal

Wenden wir uns zunächst den Banken als den kartenemittierenden Unternehmen zu. Hier muss man zwei Gruppen unterscheiden, um die Wirkungen richtig einordnen zu können. Zum einen die Player im Markt, bei denen die Karte vor allen Dingen im Bündel mit dem Girokonto vertrieben und als reine Charge Card vermarktet wird. Die andere Seite des Marktes wird von den Emittenten repräsentiert, bei denen die Karte (auch) als Stand-alone-Produkt positioniert ist und bei denen zumeist auch eine Revolving-Credit Komponente zu finden ist.

Geht man in einer Musterrechnung für eine Charge Card von einem Jahres(einkaufs) -umsatz pro Karte von 1 500 Euro und einem durchschnittlichen heutigen Interchangeertrag von einem Prozent aus, würde sich der Ertrag daraus auf 15 Euro pro Karte und Jahr belaufen. Bei den geplanten 0,3 Prozent würden daraus 4,50 Euro pro Jahr und Karte.

Die Interchange-Senkung würde somit zu Ertragsverlusten von rund zehn Euro pro Jahr führen. Unter der Annahme, dass eine transaktionsorientierten Charge Card bei 20 Euro Jahresentgelt in einer Vollkostenrechnung bisher vielleicht nur einen kleinen positiven Deckungsbeitrag geliefert hat, wird die potenzielle Durchschlagskraft der geplanten EU-Verordnung deutlich. Wir reden im Extremfall von einem radikalen Wechsel: von einem knapp positiven zu einem negativen Deckungsbetrag pro Karte. Nur die geringen Volumeneffekte bei kleinen Kartenbeständen lassen das Drama für die einzelnen Emittenten verschmerzbar erscheinen.

Die Player mit einem Stand-alone-Angebot haben hingegen eine andere Ausgangslage. Sie leben vom Kartengeschäft und haben keine oder nur geringere Kompensationsmöglichkeiten. Auch wenn ihre Ertragsseite durch den Zinsüberschuss aus dem Revolver deutlich anders aussieht, ist ihr Handlungsdruck vordergründig entsprechend höher als bei Anbietern, bei denen die Karte nur ein Randprodukt darstellt. Insgesamt wird aber schnell klar, dass die Ertragsbedeutung des Themas bei einer sektoralen Betrachtung des Effektes mit rund 28 Millionen Kreditkarten in Deutschland naturgemäß alles andere als marginal ist.

Kosten senken ...

Die Antworten dazu klingen analytisch einfach, sind praktisch aber nicht so leicht umzusetzen. Für die Emittenten, die nicht auf das Kartengeschäft angewiesen sind, wäre es natürlich eine Option, den Vertrieb zurückzufahren. Weniger Karten hieße auch weniger Verluste. Die Antwort erscheint jedoch aus Kunden- und Gesamtbanksicht nicht zufriedenstellend und der erste Reflex führt wohl dann doch zur zweiten Option, die Kosten senken zu wollen.

Hierzu bieten sich sowohl die Eigen- als auch die Fremdkosten der Institute an. Der Griff zum Telefonhörer für ein Gespräch mit den Prozessoren liegt dabei am nächsten, denn die anderen Kostenpositionen sind nicht so leicht (Fees der Schemes) oder nicht so schmerzlos zu beeinflussen, weil sie die Banken selbst betreffen.

Alternativ wäre auch daran zu denken, einzelne kostenintensive Produktkomponenten, wie zum Beispiel den Versicherungsschutz zu verändern, um damit den Aufwand zu reduzieren. Eine solche Veränderung des Produktdesigns bliebe nicht ohne Konsequenzen für den Markterfolg.

... oder Erträge erhöhen

Die Alternative zur Kostenoption lautet natürlich, die Erträge zu erhöhen. Im Kartengeschäft gibt es für das Produktmanagement drei grundsätzliche Varianten zu berücksichtigen:

- Kartenpreis erhöhen,

- Zinssatz für Revolving Credit anheben oder

- Umsatztätigkeit aktivieren.

Der Kartenpreis einer Standardkarte müsste also von 20 Euro auf 30 Euro pro Jahr steigen. Hier stellt sich aber die Frage, ob der Wettbewerb solch eine Preisanpassung zuließe und die Karte damit nicht unverkäuflich würde.

In Kontopakten gedacht, ist auch zu erwarten, dass die Preise für die Giropakete steigen werden, um zumindest im Sinne einer Quersubventionierung einen Ertragsausgleich zu schaffen.

Gleiches gilt auch für die Zinssätze, wobei dies für die meisten Institute keine Option darstellt, weil sie im Revolvinggeschäft nicht aktiv sind. Hier müsste erst einmal ein grundsätzliches Umdenken zum Revolvinggeschäft einsetzen. Und Umsätze zu steigern ist auch schwierig, weil das Konsumbudget begrenzt ist und auch nur eine begrenzte Ausweitung durch Substitutionseffekte von anderen Zahlungsmitteln zu erwarten ist.

Mehrumsatz durch bessere Akzeptanz mit Unterdeckung?

Es bleibt, auf die Ausweitung des Karteneinsatzes durch neue akquirierte Branchen zu hoffen. Die interne Logik heißt hier, wenn die Interchange-Sätze sinken, könnten auch die Disagien sinken und die Kartenakzeptanz würde auch für margenschwächere Branchen bezahlbar. Damit könnte die Händlerzahl steigen und die Möglichkeiten für die Konsumenten, mit Karten zu bezahlen, würden zunehmen.

Eine Begleiterscheinung dieses Szenarios können aber niedrigere Durchschnittsbons sein. Unter Umständen könnten die Emittenten dann pro Transaktion eine Unterdeckung erzielen, was den Zusatzumsatz unattraktiv werden ließe. Und sehr schnell ist damit wieder das Kostenmanagement gefragt, damit der Mehrumsatz nicht seinen Reiz verliert.

Begrenzte Möglichkeiten bei der Produktpalette

Aber es gibt noch andere Aspekte, die die Kartenbranche beschäftigen werden. So dürfte die Tatsache, dass die Drei-Parteien-Systeme, wie das von American Express, von der Interchange-Senkungsregel der EU explizit ausgenommen wurden, den Verantwortlichen bei den Schemes sicher auch nicht gefallen. Diese Wettbewerbsverzerrung ist für sie nicht einfach hinnehmbar. Die eine oder andere Bank könnte vielleicht geneigt sein, ihre Mastercard- oder Visa-Karten gegen Amex-Karten auszutauschen, wenn hier von den Amex-Vertretern aufgrund der Ausnahmeregelung unter Umständen höhere Ertragspotenziale in Aussicht gestellt würden.

Ein weiterer Effekt dürfte auch die relativ steigende Ertragsattraktivität der Corporate Cards sein. Da hier augenscheinlich keine Endverbraucherinteressen zu beschützen sind, wurden sie von den Interchange-Senkungsplänen der EU ausgenommen und dürfen weiterhin die höheren Sätze vereinnahmen.

Wer als Retailbanker jetzt aber dem spontanen Einfall nachgibt, dann eben mehr oder erstmals Corporate Cards auszugeben, wird schnell merken, wie schwer oder gar unmöglich es ist, in diesem MIS- und Meilen-geprägten Spezialmarkt Fuß zu fassen.

Die Kartenanbieter am Markt mit umsatzfördernden Bonusprogrammen im Privatkundengeschäft werden sich der Herausforderung stellen müssen, ihre Programme refinanzieren zu können. Die Interchange wird zukünftig nur noch einen kostendeckenden Beitrag für die reine Transaktionsabwicklung leisten können. Eine Refinanzierung der Umsatzaktivierung scheidet dann aber aus und ist auch hinsichtlich der Sinnhaftigkeit zu hinterfragen.

Wer das Bonusprogramm jedoch für sich verneint, steht dann sofort vor der Folgefrage, wie er sein Kartenangebot denn zukünftig vom Wettbewerb differenzieren will, wenn nicht mehr durch eine umsatzabhängige Bonifizierung. Es sind also viele neue Antworten auf unbequeme Fragen zu finden.

Wer über den Tellerrand des Kreditkartenmarktes hinausschaut, wird aber noch eine weitere Herausforderung oder Chance für sich entdecken. Denn die EU-Vision hat nicht nur die 0,3 Prozent für Kreditkarten, sondern auch die 0,2 Prozent für Debitkarten im Blick. Das heißt, dass zumindest interchangemäßig die beiden Segmente fast miteinander verschmelzen.

Sieht man dann noch eine Konvergenz bei den Akzeptanznetzen als eine realistische Zukunftsoption, mag der mutige Banker auch über eine der Automobilbranche entlehnte Plattformlösung für das Kartenangebot nachdenken. Wozu zwei Abwicklungssysteme bezahlen, wenn man unterschiedliche Kartenprodukte auch auf einer Plattform entwickeln, betreiben und vermarkten könnte?

Händler haben Grund zur Freude

Die Händler hingegen haben allen Grund zur Freude, insbesondere, wenn sie die Kostenvorteile durch sinkende Disagien nicht an die Konsumenten weitergeben sollten. Der Handel in Europa kämpft schon seit rund 16 Jahren gegen die Interchange der Schemes und verfolgt auch nach diesem Etappensieg noch das Ziel des vollständigen Verbots solcher Interbankenentgelte.9) Ein Ad-hoc-Effekt des zweistufigen Vorgehens der EU könnte auch sein, dass länderübergreifend agierende Vertragsunternehmen ihre national getätigten (Internet)-Umsätze bewusst über ein anderes EU-Land abwickeln lassen, um schon vor Ablauf der Zweijahresfrist der EU in den Genuss der geringeren grenzüberschreitenden Interchange- und damit Disagiosätze zu gelangen. Dies ginge sozusagen in einer logischen Sekunde nach Rechtswirksamkeit der EU-Verordnung und würde die Emittenten sofort treffen, während man sich die erhofften positiven Umsatzeffekte über die Zeit noch erarbeiten müsste.

Was lohnt sich für Acquirer?

In diesem Punkt sind die Acquirer gefordert, doch diese müssen hier mitspielen wollen. Schließlich gilt es, die neuen Vertragsunternehmern erst einmal unter Vertrag zu nehmen und dann auch umsatzmäßig zu aktivieren. Ein Prozess, der nicht über Nacht und von allein passieren wird.

Hinzu kommt auch hier die Problematik sinkender Durchschnittsbons und die Frage, bis wie viel mehr Akquisition und Umsatz überhaupt Sinn für die agierenden Parteien macht. Denn Vertragsunternehmen, die keinen zufriedenstellenden Jahresumsatz erwirtschaften, sind auch unabhängig von der Frage des Durchschnittsbons nicht attraktiv genug.

Ist das Kreditkartensystem soweit kostenelastisch, dass die Player tatsächlich neue Märkte erschließen können und wollen oder ist im Extremfall ein Systemshift eine Option?

Kartengesellschaften im Spagat zwischen Kunden und Anteilseignern

Die Kreditkartenorganisationen Mastercard und Visa haben in dem Regulierungsduell vor allem einen Stellenvertreterkampf für die Banken zu bestreiten. Ihre eigene Ertragsstruktur ist durch transaktions-, karten- und umsatzbasierte Elemente geprägt, die von der Reglementierung nicht unmittelbar betroffen sind. Allerdings ist ihnen natürlich am Wohl ihrer Kunden gelegen. Wenn Emittenten und Acquirer keinen Spaß mehr am Kartengeschäft haben, würden mittelfristig auch die Schemes darunter leiden.

Es dürfte ihnen daher auch daran gelegen sein, neue Ertragsoptionen aufzuzeigen und natürlich die Kostenbasis ihrer Kunden, der Emittenten und Acquirer zu verbessern. Sie werden daher sicherlich auch gefordert sein, ihre Scheme-Gebühren zu kalibrieren, die Emittenten und Acquirer an sie zahlen, um das weltweite System nutzen zu können. Doch diese Gebühren sind für Mastercard und Visa gleichermaßen ihre eigenen Einnahmen und stehen damit auch im Feuer. Ihre Stellung als börsennotierte und nicht nur ihren Kunden, sondern auch ihren Aktionären verpflichte Unternehmen macht diesen Spagat aber eher schwieriger als einfacher. Dies gilt auch, wenn die Banken unter den Anteilseignern noch im Lead sind.

Sinkende Gestaltungsspielräume

Dass die Interchange-Sätze so drastisch gedeckelt werden, bringt für die Schemes noch eine weitere Herausforderung mit sich. Die preispolitischen Spielräume im Marketing zur Förderung oder Begrenzung bestimmter Umsatzaktivitäten werden deutlich eingeschränkt. So können neue Technologien nicht mehr so einfach subventioniert und über niedrigere Interchange-Sätze anfangs gefördert werden. Man wird sehen, mit welchen alternativen Marketinginstrumenten die Kartengesellschaften ihre Gestaltungsspielräume zurück erobern wollen.

Wie immer geartete Umwegzahlungen an die Emittenten scheiden als Lösungsweg allerdings aus, denn die Pläne der EU sehen gemäß Artikel 5 auch vor, dass "jede Nettovergütung, die zwischen dem Emittenten und dem System fließt, in die Berechnung der Interbankenentgelte einzubeziehen ist, um eine mögliche Umgehung feststellen zu können."10)

Prozessoren unter Druck

Richtig unter Druck kommen sicher die Prozessoren und andere Zulieferer (wie Karten- oder Chipproduzenten) als Dienstleister der Emittenten und Acquirer, auch wenn sie die Ertragslücke nicht alleine durch ihren Kostensenkungsbeitrag füllen können. Hier wird es unerfreuliche Gespräche mit den Einkaufsabteilungen und dann mit den eigenen Anteilseignern geben.

Wer nicht durch das tiefe Tal der Tränen wandern möchte, bis die erhofften neuen Transaktionsrekorde auch hier die Kassen wieder klingeln lassen, muss früh genug aus eigenem Interesse aktiv werden und seine Kostenposition neu ausrichten sowie vielleicht auch andere Preismodelle finden, um im Wettbewerb zu überleben.

Folgen für Verbraucher ungewiss

Last but not least kommen wir zum Endkunden. Nach den Verlautbarungen der EU-Vertreter ist er ja das schützenswerte Objekt aller Anstrengungen der Verordnung und soll am Schluss von niedrigeren Preisen und mehr Transparenz profitieren. Laut Schätzungen der EU steht für die Verbraucher insgesamt eine Ersparnis von bis zu sechs Milliarden Euro pro Jahr im Raum, wenn der Handel die verordneten Kostenvorteile an die Endkunden weiterreichen würde.

Dem widersprechen laut Mastercard erste Erfahrungen aus Spanien, wo die Interbankenentgelte schon vor der EU-Initiative zwischen 2006 und 2010 von der Regierung gedeckelt worden sind. Untersuchungen von drei Universitäten sollen zeigen, dass "es keine Belege dafür gibt, dass die Verbraucher in Form von geringeren Preisen von der Absenkung der Interbankenentgelte profitiert haben" und es wird sogar argumentiert, dass "... die Verbraucher bei den Jahresgebühren für ... Zahlungskarten eine Erhöhung von mehr als 50 Prozent hinnehmen mussten".11) Die Diskussion über die sehr theoretisch anmutende Frage, ob Barzahler durch von Kreditkartensystemen verursachte höhere Preise diskriminiert werden, ist so alt wie mangels empirisch schwer belegbarer Beweise auch unerquicklich.12) Am Ende ist es für den Verbraucher auch unerheblich, denn die Verordnung kommt (politisch motiviert) wohl ohnehin. Es wird sich zeigen, ob die Preise im Handel für alle Konsumenten sinken oder gar für Kartenzahler steigen werden, ob die Jahrespreise für Kreditkarten der Banken oder für deren Kontomodelle anziehen, die Bonusprogramme reduziert werden, sich die Auswahloptionen in der Produktpalette für die Endkunden verändern und andere Stellschrauben neu justiert werden oder der Kartenumsatz explodiert.

Mehr als eine chronologische Zuordnung dieser Ereignisse zur Umsetzung der EU-Verordnung über die Interbankenentgelte im kartengestützten Zahlungsverkehr wird dem Betrachter wohl nur schwer möglich sein. Wohl aber bleibt die Erkenntnis, dass auch für das Kartengeschäft die alte Retailbanking-Weisheit gilt: "Retail is detail". Vor diesem Hintergrund will jeder Schritt wohl überlegt sein, denn er kann mehr Konsequenzen nach sich ziehen, als man auf den ersten Blick anfangs gedacht hätte.

Fußnoten

1) Schäuble, Wolfgang Dr., Vollendung der Bankenunion bleibt eine große Herausforderung, Interview mit dem Handelsblatt vom 5. Dezember 2013. http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Interviews/2013/2013-12-05-handelsblatt.html?view=renderPrint.

2) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge, Brüssel, 24. Juli 2013. Im Folgenden kurz: Vorschlag EU-Verordnung Interbankenentgelte 2013.

3) Für Debitkartentransaktionen gibt es einen gleichlautenden Vorschlag mit einem Höchstsatz von 0,2 Prozent vom Umsatz. Dieser Bereich wird im Folgenden aber nicht weiter diskutiert.

4) Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament, zitiert nach: o.V., PSD II: EU deckelt Kartengebühren, EurActiv.de, 24. Juli 2013. http:// www.euractiv.de/druck-version/artikel/psd-eu-deckelt-kartengebuehren-interbankenentgelte-mif-007816.

5) Für Mastercard: http://www.mastercard.com/us/company/en/whatwedo/interchange/Intra-EEA.html und für Visa: http:// www.visaeurope.com/en/about_us/our_business/fees_and_ interchange.aspx.

6) O.V.: EU deckelt Kartengebühren und erleichtert günstige Zahlungsdienste, Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, 24. Juli 2013. http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/11586_de.htm.

7) Die deutsche Kreditwirtschaft, Positionspapier zum Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge, Berlin, 4. September 2013. http://www.die-deutsche-kreditwirtschaft.de/uploads/media/MIF-Position_Basis_final_20130904.pdf.

8) Vorschlag EU-Verordnung Interbankenentgelte 2013, S. 7.

9) HDE: Erstkommentierung der Pläne der Kommission über eine Beschränkung der Interbankenentgelte für den Handel, Berlin, 19. September 2013. https://www.einzelhandel.de/ index.php/themeninhalte/zahlungssysteme/item/123285-erstkommentierung-der-plaene-der-kommission-ueber-einebeschraenkung-der-interbankenentgelte-fuer-den-handel.html.

10) Vorschlag EU-Verordnung Interbankenentgelte 2013, S. 20.

11) Mastercard: Regulierung bringt keine Vorteile für Konsumenten, Frankfurt, 13. Dezember 2013. http://www.mastercard.com/de/privatkunden/_globalAssets/downloads/presse/121213_PM_Mastercard_Regulierung_bringt_keine_Vorteile_fuer_Konsumenten....

12) Siehe dazu Wittenberg, Dr. Jörg, Werden Barzahler durch Kreditkartensysteme diskriminiert?, in: Karten, Nr. 4/1993, 4. Jg., S. 25-29.

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