Kartendienstleister

Acquiringund Netzbetrieb vor dem Umbruch

Die Sicht auf die Größe des deutschen Kartenmarktes ist uneinheitlich. Veröffentlichte Angaben zu Transaktionen und Transaktionsvolumen schwanken in Abhängigkeit von der gewählten Methode zur Abschätzung der Marktgröße erheblich. Außerdem werden die Zahlen in der Regel mit bis zu zweijährigem Versatz veröffentlicht, der eine zeitnahe Bestandsaufnahme des Marktes nur schwer möglich macht.

Nach Konsolidierung verschiedenster verfügbarer Quellen bis zum Jahr 2006 und der Berücksichtigung der Marktentwicklung der letzten Jahre schätzen die Autoren die Größe des deutschen Kartenmarktes im Jahr 2008 auf 3,1 Milliarden Transaktionen bei einem Transaktionsvolumen von 201 Milliarden Euro (siehe Abbildung).

Besonderheiten des deutschen Kartenmarktes

Gemäß dieser Berechnung und konsistent mit anderen Quellen, ist der deutsche Kartenmarkt nach Großbritannien und Frankreich als drittgrößter in Europa ein Schlüsselmarkt für Acquirer und Netzbetreiber (im Folgenden Zahlungsdienstleister). Aufgrund der niedrigen Kartennutzung im Vergleich zu den beiden anderen Ländern kann fürden deutschen Markt zudem, trotz der hohen Neigung der Konsumenten zu Bargeld, von einem hohen Potenzial für kartenbasierte Zahlungen ausgegangen werden.

Neben der derzeit noch sehr deutlichen Präferenz von Bargeld gegenüber kartenbasierten Zahlungen weist der deutsche Kartenmarkt weitere Spezifika auf.

Eine Besonderheit hierzulande ist das im Bereich Debit vorherrschende 3-Parteien-System, welches zugunsten der Netzbetreiber auf die Acquirer als teilnehmende Partei verzichtet. Historisch führte dies zu einer lange Zeit gültigen Trennung von Acquiring und Netzbetrieb mit dem Ergebnis, dass keiner der Marktführer in Deutschland ein eigenständiges Leistungsangebot aus Kreditkarten-Acquiring und Netzbetrieb anbot.

Eine weitere Besonderheit hierzulande ist die vergleichsweisegeringe Konsolidierung unter den Marktteilnehmern. Die Ordnung und Kategorisierung der neun größten Zahlungsdienstleister nach dem verarbeiteten Transaktionsvolumen zeigt, dass bereits innerhalb dieser Gruppe er hebliche Größenunterschiede bestehen. Außerhalb dieser Gruppe ist die Fragmentierung des Kartenmarktes in Deutschland noch einmal größer (siehe Tabelle).

Trennung zwischen Acquiring und Netzbetrieb bröckelt

Neben den zu beachtenden Spezifika des deutschen Marktes sind Zahlungsdienstleister in Deutschland bereits kurzfristig den sich ergebenden Herausforderungen aus dem Eintritt neuer Wettbewerber, drohenden Erlöseinbrüchen und einem veränderten Nachfrageverhalten ausgesetzt. Die Gründe für den Eintritt neuer Wettbewerber sind vielschichtig. Einerseits beginnt sich die oben beschriebene Trennung zwischen Acquiring und Netzbetrieb aufzulösen, indem Netzbetreiber ihr Leistungsangebot um das Acquiring erweitern und vice versa. Wesentliche Treiber für diese Entwicklung ist die Forderung der Händler nach einem "One-Stop-Shopping" sowie der Druck auf die Zahlungsdienstleister, Skaleneffekte und Synergien zu realisieren.

Zusätzlich ist wegen der vielbeschriebenen Schaffung des einheitlichen europäischen Zahlungsraumes von einem Eintritt inter nationaler Anbieter in den deutschen Kar tenmarkt auszugehen. Sepa wird mit der Gleichbehandlung von nationalen und internationalen Transaktionen in Bezug auf Preise und Fristigkeiten zu einer deutlichen Europäisierung des bisher stark national geprägten Händlergeschäfts führen. Es ist mittelfristig sogar nicht auszuschließen, dass deutsche, in Europa tätige Großhändler, zentrale Ausschreibungen für ihren europäischen Bedarf an Zahlungsverkehrslösungen durchführen.

Verstärkt werden könnte diese beschriebene Internationalisierung des Händlergeschäfts durch den noch ungewissen Ausgang des Aufbaus eines europäischen Debitsystems, das als Alternative zu den internationalen Schemes von Mastercard und/oder Visa von den europäischen Regulatoren gefordert und gefördert wird. Durch die uneinheitliche Sicht der deutschen und europäischen Kreditwirtschaft auf diese Thematik ist der Ausgang der Bestrebungen nicht nur offen, sondern könnte auch zu einem entscheidenden zeitlichen Vorsprung von Maestro beziehungsweise V-Pay gegenüber bestehenden nationalen Debitsystemen beziehungsweise einem neuen europäischen Scheme führen. So fungiert beispielsweise Maestro schon heute als nationales Debitsystem in Griechenland, Großbritannien, Österreich, Osteuropa und Schweden.

Bald neue Wettbewerber im lastschriftbasierten Bereich

Darüber hinaus wird die Umsetzung der Payment Service Directive (PSD) durch das Zahlungsdiensteaufsichtgesetz (ZAG) zum 1. November 2009 in Deutschland für einen Eintritt neuer Wettbewerber für die bestehenden Zahlungsdienstleister führen. Das ZAG sieht mit dem Zahlungsinstitut eine neue Kategorie von Zahlungsdienstleistern vor, denen die Ausführung von Lastschriften und Zahlungsvorgängen, die Ausgabe und Annahme von Zahlungsauthentifizierungsinstrumenten (Bezahlkarten) und die befristete Kreditgewährung im Zusammenhang mit Zahlungstransaktionen obliegt.

Somit definiert das ZAG nicht nur ein sehr umfangreiches Tätigkeitsfeld für die Zahlungsinstitute, sondern auch erhebliche Überschneidungen mit dem Geschäft von Acquirern und Netzbetreibern. Dies lässt insbesondere im Bereich der lastschriftbasierten Bezahlverfahren ein Eindringen in die Wertschöpfungskette bestehender Zahlungsdienstleister vermuten.

Nach dem Inkrafttreten des ZAG wird die Praxis letztlich genaue Erkenntnisse über die Breite und Tiefe des Leistungsangebots sowie die Wirtschaftlichkeit der neuen Zahlungsinstitute ermöglichen, es kann jedoch schon heute festgestellt werden, dass die Barrieren für die Neugründung eines Zahlungsinstitutes in Bezug auf das vorgeschriebene Anfangskapital und benötigte Lizenzen vergleichsweise niedrig sind. Drohende Erlöseinbrüche

Eine veränderte Regulierung ist auch Bestandteil der Herausforderungen aus drohenden Erlöseinbrüchen für Zahlungsdienstleister und dabei Acquirern im Besonderen. Entsprechend der PSD müssen ab spätestens 1. Januar 2012 Zahlungsdienstleister dem Händler als Zahlungsempfänger den entsprechenden Zahlungsbetrag unmittelbar nach Zahlungseingang auf dessen Konto gutschreiben. Für Acquirer bedeutet diese Neuregelung damit ab 2012 einen nahezu vollständigen Wegfall ihrer bisherigen Zinsgewinne beziehungsweise ihres Floatnutzens, die oftmals einen erheblichen Beitrag zum Gesamtergebnis beisteuern. Zusätzlich wirkt sich bereits kurzfristig das niedrige Zinsniveau negativ auf die Finanzergebnisse der Acquirer aus.

Weiterhin drohen Erlöseinbrüche durch den seit Jahren anhaltenden Margendruck. Dieser Margendruck drückt sich aus in sinkenden Preisen für Händler- und Transaktionsentgelte, Hardware sowie Services. Insbesondere für Debit-Transaktionen außerhalb des electronic-cash-Systems besitzt dieser Preisverfall Gültigkeit.

Dank verbesserter Risikomanagementsysteme können Netzbetreiber Händlern eigenentwickelte Bezahlverfahren mit Zahlungsgarantie anbieten, die für den Handel günstiger sind als das electronic -cash-Verfahren (Autorisierungsgebühren: 0,2 Prozent Mineralöl, 0,3 Prozent Handel). Eine analoge Entwicklung auf das Acquiring ist aufgrund der verankerten Inter change als wesentlicher Bestandteil des Händlerentgeltes nicht vollständig übertragbar. Aber auch im Acquiring dürften die jüngsten Zugeständnisse von Master card an die Europäische Kommisssion zu Preismodellen führen, die die Transparenz über die einzelnen Bestandteile des Händlerentgeltes stark erhöhen werden.

Verändertes Nachfrageverhalten des Handels

Abschließend ergeben sich für Zahlungsdienstleister Herausforderungen aus einer veränderten Nachfrage von Zahlungsverkehrslösungen durch den Handel. Händler werden ihre Forderungen nach garantierten Zahlungsverfahren zu möglichst niedrigen Preisen weiter intensivieren. Vor dem Hintergrund sinkender Preise in den letzten Jahren werden sich bereits kurzfristig insbesondere solche Zahlungsdienstleister erfolgreich behaupten, die leistungsstarke Risikomanagementsysteme besitzen und über eigene garantierte Zahlungsverfahren eine Alternative zum electronic-cash-System der deutschen Kreditwirtschaft darstellen.

Tatsächlich hat sich die Verhandlungsposition des Handels gegenüber Zahlungsdienstleistern in der Vergangenheit verbessert und er rückt verstärkt in den Fokus von Anbietern und Investoren des Zahlungsverkehrsmarktes. Beispiele in diesem Zusammenhang sind Anbieter von Kundenbindungsprogrammen wie Payback oder der Deutschland Card sowie der Aufbau des Karten-Schemes Pay-Fair.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X