Mobile Payment

Banken drohen den Anschluss zu verpassen

Seit Jahren sind Mobile-Payment-Lösungen einer der Hoffnungsträger im stagnierenden Geschäftsfeld Zahlungsverkehr. Hohe Wachstumsraten wurden mehrfach versprochen, konnten aber bis heute nicht realisiert werden. Near Field Communication (NFC) als Schlüsseltechnologie für kontaktlose Zahlungen ist bereits seit Jahren verfügbar, ein breiter Einsatz aber bisher am "Henne-Ei-Problem" gescheitert. Solange aufgrund mangelnder Mobile-Payment-Angebote keine signifikante Nachfrage vorhanden ist, sind die Hersteller nicht bereit, NFC in Handys zu integrieren; umgekehrt setzen attraktive Angebote eine breite Masse mit NFC-fähigen Geräten voraus. Unsere europäischen Nachbarn sind hier weiter. Beispielsweise besteht in Belgien mit "banxafe" die Möglichkeit, Zahlungen bequem mit dem Handy abzuwickeln. Die entsprechende Abbuchung vom Girokonto erfolgt im Hintergrund. Dabei spielt es keine Rolle, bei welcher Bank der Kunde sein Konto hat. In den Niederlanden ist die Rabobank noch ein Stück weiter gegangen und hat ihr Angebot für online/mobile Zahlungen in das soziale Netzwerk Hyves (das niederländische Gegenstück zu Facebook) integriert und spricht damit die Generation der technikaffinen unter Dreißigjährigen an. Auch in Frankreich, Spanien und Slowenien existieren bereits funktionierende Lösungen beziehungsweise ihre Einführung steht kurz bevor.

Deutsche Banken im Zukunftsmarkt Mobile Payment (noch) nicht aktiv

Deutsche Banken dagegen haben Mobile Payment als Zahlungsweg der Zukunft noch nicht für sich entdeckt. Bis heute existieren lediglich vereinzelte Pilotversuche oder verhaltene Kooperationen (zum Beispiel Deutsche Bank und Luup). Ein wesentlicher Grund für diese Zurückhaltung liegt im Preisdruck bei elektronischen Zahlungen. Deutsche Kunden erwarten, dass die Zahlungsverfahren umsonst sind beziehungsweise dass die entstehenden Transaktionskosten vom Händler getragen werden. In anderen Ländern werden dagegen Preise von 0,15 Euro und mehr pro Buchung akzeptiert.

Nichtbanken besetzen die Nische

Offensichtlich sind niedrige Preise kein Erfolg versprechendes Differenzierungsmerkmal für Mobile-Payment-Lösungen in Deutschland. Die Konkurrenten der Banken haben das erkannt und versuchen, die Kunden mit der Verbesserung von Komfort und Sicherheit sowie zusätzlichen Features zu überzeugen.

Ein Beispiel ist die deutschlandweite Kampagne von Paypal, die den Käuferschutz in den Mittelpunkt stellt. Erhält der Kunde ein online oder mobil erworbenes Produkt nicht, erstattet Paypal den Kaufpreis und gegebenenfalls angefallene Versandkosten. Diese Sicherheit bieten die klassischen Zahlungsverfahren über Konto oder Kreditkarte im Allgemeinen nicht.

Aber auch andere internationale Player wie Apple wollen im Zukunftsmarkt Mobile Payment mitmischen. Ein innovatives Zahlungsverfahren per i-Phone verspricht neue Standards in Sachen Komfort und eine hohe Akzeptanz.

Für deutsche Finanzdienstleister besteht das Risiko, in einem vielversprechenden Zukunftsmarkt von bisher kaum bekannten Akteuren überholt zu werden. Wenn sie keine kostengünstigen und komfortablen Produkte zur Verfügung stellen, werden internationale Anbieter sich verhältnismäßig leicht mit ihren Lösungen im mobilen Zahlungsverkehr durchsetzen. Paypal als einer der Vorreiter ist bereits dabei, sich eine Vormachtstellung im deutschen Markt aufzubauen.

Großes Potenzial auch in Deutschland

Zahlungen über das Handy sind kein neues Thema. Seit Jahren wird es in der Telekommunikations- und in der Bankenbranche intensiv diskutiert. Bisher fehlten aber technologisch überzeugende Lösungen. Durch die Weiterentwicklungen der letzten Jahre sowohl im Bereich der Endgeräte als auch bei der Software wurden die Voraussetzungen für einen Durchbruch von Mobile Payment geschaffen. Heutige Mobilgeräte mit leistungsstarken Prozessoren, komfortablen Bedienoberflächen und permanenten Onlineverbindungen bieten dem Nutzer alle Möglichkeiten, Mobile-Pay-ment-Angebote bequem und praktisch überall zu nutzen.

Gleichzeitig haben sich Nutzungsverhalten und Erwartungshaltung der Kunden massiv verändert. Neben dem Telefonieren gehören heute E-Mail, Kalender, Chat, Facebook und andere mobile Applikationen zum Standard. Damit hat sich auch die Hemmschwelle für Zahlungen via Handy verringert, insbesondere wenn die angebotene Lösung von einer Bank stammt. So haben nach einer Studie der Universität Augsburg 60 Prozent der Deutschen großes Vertrauen in Mobile-Payment-Produkte ihrer Bank (gegenüber nur acht beziehungsweise sechs Prozent bei Angeboten von Mobilfunkanbietern beziehungsweise Kreditkartenfirmen). Auch bevorzugt die Mehrheit eine Abrechnung über das Bankkonto statt über die Mobilfunkrechnung. In Summe sind damit alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Einführung von Mobile-Payment-Produkten durch Banken geschaffen.

Bargeldersatz bei Person-to-Person-Zahlungen

Die unterschiedlichen Anwendungsbereiche von Mobile Payment zeigen erhebliche Unterschiede bezüglich Reifestatus und Potenzial. In Deutschland ist das größte Wachstum bei Person-to-Person(P2P)- und Point-of-Sale(PoS)-Zahlungen zu erwarten.

P2P-Zahlungen finden meist im privaten Umfeld statt. Derzeit ist hier Bargeld das bevorzugte Mittel. Überweisungen und damit das Weitergeben von Kontonummer und Bankleitzahl an Bekannte sind meist zu umständlich beziehungsweise nicht gewünscht.

Mobile-Payment-Angebote müssen daher mindestens den gleichen Nutzungskomfort wie Bargeld bieten. Moderne Lösungen ermöglichen es, Geld direkt an eine E-Mail-Adresse oder Handynummer zu senden; beides hat man für Bekannte meist ohnehin bereits gespeichert. Der überwiesene Betrag wird dem Empfänger sofort gutgeschrieben - Verzögerungen wie bei klassischen Überweisungen entfallen.

Am PoS im Wettbewerb mit der Karte

Am PoS konkurrieren Mobile-Payment-Lösungen insbesondere mit den weit ver breiteten und beliebten Kartenzahlungen (ec- oder Kreditkarte). Aber auch hier bietet das Handy klare Vorteile. Es ist stets zur Hand und ermöglicht darüber hinaus die Nutzung von Mehrwertdiensten wie elektronischen Quittungen oder das Sammeln von Punkten im Rahmen von Kundenbindungsprogrammen.

Das Potenzial für Mobile-Payment-Lösungen in diesem Bereich ist immens. Bei konservativer Schätzung werden 2015 etwa fünf Prozent der Kartenzahlungen über Mobile Payment abgewickelt. Damit ist ein Transaktionsvolumen von zehn Milliarden Euro für die Betreiber zu erwarten. Das zusätzliche Potenzial durch das Er setzen von Bargeldzahlungen und die damit verbundene Reduktion ihrer Logistik ist hier nicht einmal berücksichtigt.

Mobile-Parking-Lösungen punkten mit Komfort

Mit www.mobil-parken.de, Pango, Simty-oder Call-Park existiert bereits eine Vielzahl von voll funktionstüchtigen Mobi-le-Parking-Lösungen mit großem Wachstumspotenzial. Wer kennt nicht die Situation, bei der man verzweifelt am Parkautomaten nach passendem Kleingeld sucht oder einen Termin unterbrechen muss, um das Parkticket zu verlängern. Hier versprechen Mobile-Parking-Lösungen einen erheblichen Komfortzuwachs. Beispielsweise können die Verlängerung des Tickets und die Abbuchung der zusätzlichen Gebühr durch das Mobilgerät erfolgen, wo auch immer sich der Fahr zeugbesitzer gerade befindet.

Ähnlich beim Mobile Ticketing. Werden Eintrittskarten mobil erworben und virtuell auf dem Handy abgelegt, so vereinfacht dies die gesamte Logistikkette vom Kartenverkauf bis zum Einlass ins Konzert. Es ist keine teure Kartenverkaufsstelle erforderlich, gegebenenfalls erfolgt eine Rückgabe der Tickets durch eine elektronische Stornierung, und der Zugang zur Veranstaltung kann über NFC kontrolliert werden.

Vier Erfolgskriterien

ür die Realisierung des skizzierten Potenzials müssen Mobile-Payment- Lösungen vier zentrale Erfolgskriterien erfüllen:

1. Hoher Komfort für Nutzer: Neue Lösungen müssen einen deutlichen Zuwachs an Nutzungskomfort bieten. Beispielsweise ist die Zahl von Logins oder Zugangscodes auf ein Minimum zu reduzieren. Gleichzeitig können Zusatzdienste (zum Beispiel Übersicht über alle in einem bestimmten Zeitraum getätigten Zahlungen) den Mehrwert einer Mobile-Payment-Lösung erhöhen.

2. Hohe Geschwindigkeit beim Bezahlvorgang: Durch den Einsatz von entsprechender Technik wie NFC am PoS ist ein schneller Zahlungsvorgang sicherzustellen. Dies ist insbesondere an Supermarktkassen oder beim Ticketkauf erfolgskritisch. Hier gilt es, Wartezeiten für Kunden zu reduzieren, um die Akzeptanz der Lösung zu erhöhen.

3. Hohe Sicherheit sowohl für Kunden als auch für Händler: Die Weitergabe von Konten-, Kreditkarten- oder anderen sensiblen Daten ist zu vermeiden. Datenmissbrauchsfälle der jüngeren Vergangenheit haben die Skepsis der Kunden verstärkt. Erfolgreiche Mobile-Payment-Lösungen sollten daher am PoS lediglich Daten preisgeben, die zur Identifizierung des Kunden benötigt werden (zum Beispiel Handynummer) und eine eindeutige Autorisierung der Buchung ermöglichen. Dies kann zum Beispiel komfortabel durch Bestätigung am Mobilgerät erfolgen, was die Zahl der Betrugsfälle erheblich zu reduzieren vermag.

4. Niedrige Prozesskosten: Durch den Einsatz von Mobile-Payment-Lösungen müssen weniger Bargeldbestände vorgehalten werden. Damit sinken auch die Kosten für Logistik und Handling. Gleichzeitig lässt sich durch beschleunigte Bezahlvorgänge Kassenpersonal einsparen.

Abschaffung der Geldbörse nur eine Frage der Zeit

Die bisher skizzierten Mobile-Payment-Ansätze sind lediglich der Beginn eines umfangreichen Wandels im Zahlungsverkehr. Die "Abschaffung der Geldbörse" und damit die Ablösung physischer Zahlungsmittel (Bargeld, Kreditkarten) durch mobile Anwendungen ist nur eine Frage der Zeit. Die dahinterstehenden Produkte werden weiterexistieren, da anonyme Zahlungen oder einfache Kreditlösungen auch in Zukunft gefragt sein werden. Ihre Abwicklung erfolgt aber über mobile Technologien (zum Beispiel Apps auf dem Handy).

Gleichzeitig ist zu erwarten, dass Mobilgeräte in wenigen Jahren eine Vielzahl von Funktionen in sich vereinen. Neben den diskutierten Anwendungen im Bereich Zahlungsverkehr sind dies Online-Brokerage, Mobile Banking, Zugangsberechtigungen oder Tankkarten. Die unterschiedlichsten Services werden durch Apps auf einem Mobilgerät gebündelt zur Verfügung gestellt. Damit erhöht sich der Nutzungskomfort (nur ein Gerät, keine Abhängigkeit von zusätzlicher Infrastruktur wie Kartenleser), und die Daten sind selbst bei Ver lust des Mobiltelefons sicher ("Remote"-Speicherung sensibler Daten im Netz).

Unser Fazit: Der Markt für Zahlungsverkehrsleistungen in Deutschland ist im Umbruch. Die Konkurrenten der Banken haben das erkannt und drängen mit neuen, Erfolg versprechenden Lösungen auf den Markt. Deutsche Banken sollten sich daher rasch im zukunftsträchtigen Mobile-Payment-Markt positionieren und (allein oder in Kooperation mit Partnern) Angebote entwickeln. Ansonsten werden sie den Anschluss an die alternativen Anbieter verlieren.

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