Debitkarte

Ein europäisches Kartensystem - für immer ein Phantom?

Seit langem - spätestens seit Sepa erstmals angedacht wurde - geistert ein "Europäisches Kartenzahlungssystem", ein "European Card Payments System" (ECPS) durch die Kartenzirkel Europas. Es wird seit Jahren wegen der Bedeutung des bargeldlosen Zahlens regelmäßig von europäischen Institutionen zur Diskussion gestellt, gewünscht, gefordert, angemahnt, ohne dass es seitdem zu einer Umsetzung gekommen ist. Wird es für immer ein Phantom bleiben?

Wenn man die dargebotenen Überlegungen und Beiträge zu einem europäischen Kartensystem analysiert, kommt man bald darauf, dass darunter nicht immer das gleiche verstanden wird und dass es eine allgemein anerkannte Definition nicht gibt.

Europäische Governance und Processing

Ein europäisches Kartensystem könnte ein Kartenzahlungssystem unter vielen anderen Kartenzahlungssystemen sein. Das meinen die Zurufe nicht. Was also ist gemeint? Das europäische Kartensystem sollte ein Kartenzahlungssystem sein, das den beiden etablierten (US-)Kartenzahlungssystemen zumindest auf Augenhöhe begegnen kann. Unstrittig sind die europäische Governance und das europäische Processing. Bei einer europäische Governance sollten europäische Eigentümer die Kontrolle des Kartenzahlungssystems ausüben und über dessen Funktionalität, Regelsetzung, Preise und Markenrechte befinden. Mit einem europäischen Processing soll sichergestellt werden, dass Autorisierung und Clearing aller Transaktionen von europäischen Karteninhabern in Europa sowie deren Settlement in Europa gemäß europäischem Recht stattfindet. Über andere Elemente (Kartentypen, Akzeptanzreichweite und -sicherstellung, nachhaltiges Interchange-System, Business Model) gibt es keine einhellige Meinung.

Eurocheque-System: nur auf der Acquiring-Seite wirklich europäisch

Die Frage nach der Existenz/Nichtexistenz eines ECPS stellt sich jetzt nicht zum ersten Mal, sie wurde in der Vergangenheit des Öfteren gestellt - und auch zeitadäquat beantwortet.

Als das erste "europäische" Kartenzahlungssystem kann mit Fug und Recht das eurocheque-System bezeichnet werden. Der eurocheque und die ihn garantierende eurocheque-Karte waren das erste grenzüberschreitende Kartenprodukt der "europäischen" Banken in den sechziger Jahren. Beide waren aber mehr als lediglich ein Produkt und wurden zu einer der ersten Marken im Bankenbereich.

Die europaweite Verbreitung des eurocheque-Systems zeigte sich beim Phase Out Ende 2001. Zu diesem Zeitpunkt hatte das eurocheque-System 46 teilnehmende Länder, davon 22 aktiv (Ausgabe und Akzeptanz von eurocheques mit eurocheque-Karte) und 24 passiv (nur Akzeptanz von eurocheques mit eurocheque-Karten). Damit war das eurocheque-System in nahezu allen Ländern Europas präsent.

Dazu gibt es allerdings einen Wermutstropfen: Bei der Ausgabe von eurocheque-Karten und eurocheques auf breiter Basis gab es nur sechs ausgebende Länder (Belgien, Deutschland, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Schweiz). Waren eurocheque und eurocheque-Karte damit ein "europäisches" Zahlungssystem? Aus heutiger Sicht ist die Antwort einfach:

- Auf der Acquiring-Seite waren sie zweifellos ein europäisches System: Weitgehende Abdeckung Europas durch die breite Akzeptanz war gegeben.

- Auf der Issuing-Seite gab es aber nur eine Teilabdeckung. Eine weitgehende Abdeckung auf der Issuing-Seite wurde zwar jahrelang angestrebt, konnte aber infolge unterschiedlicher Kartenstrategien der europäischen Banken/Bankenverbände nicht erreicht werden.

Bereits Eurocheque International hat die Weiterentwicklung des Scheckgarantiesystems zu einem schecklosen Debitkartensystem in Angriff genommen. Umgesetzt wurde es als "edc" ("european debit card") allerdings erst von der aus einem Merger des eurocheque-Systems (Eurocheque International SC) mit dem Eurocard-System (Eurocard SA) hervorgegangenen Gesellschaft Europay International SA, an der (wie vorher bei Eurocard International) Mastercard mit zehn Prozent beteiligt war.

edc: Ein europäisches Kartensystem, das nie flügge wurde

Um einen weltweiten Einsatz auf der Akzeptanzseite und ein rasches Karten-, Transaktions- und Umsatzwachstum sicherzustellen und um die Entwicklungs- und Investitionskosten leichter finanzieren zu können, wurde "edc" in Maestro International übertragen, die zu je 50 Prozent im Eigentum von Europay International und von Mastercard International stand, und in "Maestro" umbenannt. Dieses Brand befindet sich auch heute noch auf den meisten Ex-eurocheque-Karten als Brand oder Co-Brand.

Waren somit "edc" bei Europay International und "Maestro" bei Maestro International "europäische" Kartenzahlungssysteme? Aus heutiger Sicht ist die Antwort einfach: "edc" war von der Konzeption her sicher ein europäisches Kartensystem, das allerdings nie flügge wurde. "Maestro" konnte damals und kann auch heute angesichts des Einflusses von Mastercard International auf die Governance des Schemes nicht als ein europäisches Kartensystem betrachtet werden.

Was einem "europäischen" Kartenzahlungssystem noch am nächsten kam, war Europay International - mit einer Kreditkarte (Brand Owner) und mit einer Debitkarte (Brand Owner 50-prozentige Tochtergesellschaft Maestro International) im Produktportefeuille.

Die große Mehrheit der Gesellschaftsanteile lag bei europäischen Banken und Bankenverbänden, Mastercard International hatte einen Minderheitsanteil. Von der Herkunft der Gesellschafter waren alle, die in Eurocheque International vertreten waren, europäisch, und bis auf Mastercard International waren auch alle, die in Eurocard International vertreten waren, europäisch. Die Minderheitsbeteiligung von Mastercard International wurde vereinbart, um für die ursprünglich echt "europäische" Kreditkarte "Eurocard" (Ausgabe und Akzeptanz nur in Europa) mit dem Co-Brand Mastercard eine weltweite Akzeptanz sicherzustellen.

Aus heutiger Sicht kann man hier nicht von einem europäischen Kartensystem sprechen, denn die europäischen Gesellschafter von Europay International tanzten zum Teil auf mehreren Hochzeiten und wesentliche Kartenplayer waren nicht als Gesellschafter vertreten. Im Übrigen stimmten die europäischen Gesellschafter von Europay International (europäische Banken/Bankenverbände) 2002 einem Merger mit Mastercard International zu - exakt in dem Jahr, in dem das European Payments Council (EPC) gegründet wurde.

Bei der Frage nach der Zukunft des europäischen Kartenmarktes geht es nicht nur um die Frage, welche Anforderungen ein europäisches Kartensystem erfüllen muss, damit es "europäisch" ist. Es geht auch darum, welche Rahmenbedingungen für Kartenzahlungen in Europa gelten sollen. Hierzu gibt es bei den europäischen Entscheidungsträgern eine Reihe von Vorstellungen, die jedoch zum Teil unvereinbar sind.

Uneinigkeit über die Architektur

So wird einerseits der Wettbewerb zwischen den Schemes betont. Es wird von "mindestens drei" Schemes ausgegangen, wobei zwei (US-)Schemes bereits etabliert sind. Eine Kooperation zwischen Playern im Kartengeschäft wird häufig kritisch gesehen, was auch zum Einschreiten der Wettbewerbshüter führt. Hiervon erhofft man sich mehr Innovation und niedrigere Preise für die Kunden.

Andererseits werden gerade wegen der niedrigen Kosten und der damit verbundenen niedrigen Preise alte (noch bestehende oder gar nicht mehr bestehende) nationale Systeme als Vorbilder angeführt. Aber gerade diese nationalen Systeme beruhen/beruhten jedoch auf Kooperation meist aller Banken dieser Länder, was auch eine breite Marktabdeckung zur Folge hatte. Bedingt dadurch gibt/gab es in den einzelnen Ländern zwar Wettbewerb auf Issuing- und Acquiring-Seite, nicht jedoch auf der Scheme-Ebene.

Dazu kommt noch, dass der wichtigste Preis in einem Zahlungssystem, die Interchange Fee, auf niedrigem Level weitgehend reguliert ist und gelegentlich eine Governance mit Beteiligung aller Stakeholder angedacht wird. Diese Mixtur aus Wettbewerb und Regulierung ist kein Boden, auf dem ein ECPS gedeihen kann.

Chance zur Zusammenführung der nationalen Verfahren vertan

Eine Alternative dazu, die zu einem europäischen Kartensystem führen könnte, wäre eine europäische Kooperationslösung. Dabei bietet sich ein europäisches Kartensystem an - also nicht nur ein "Kartenrahmen" und diverse Standardisierungsanstrengungen. Diese Chance gab es zu Beginn der Sepa-Diskussion am Anfang dieses Jahrhunderts. Es gab damals nationale Kartensysteme mit günstigen Transaktionskosten aufgrund nationaler Skalenerträge, was sich für alle Beteiligten als günstig herausstellte. Die Zusammenführung dieser nationalen Kartensysteme zu einem europäischen System mit noch günstigeren Transaktionskosten aufgrund europäischer Skalenerträge wurde vertan, da diese Überlegung nicht in die Sepa-Konstruktion des 2002 gegründeten EPC einfloss.

Die europäischen Institutionen werden sich daher entscheiden müssen, ob sie bei der derzeitigen Vorgehensweise am Markt weiter die Mixtur aus Wettbewerb und Regulierung forcieren, die kein europäisches Kartensystem hervorbrachte, oder eine europäische Kooperationslösung mit niedrigen Kosten, weitgehender Standardisierung und voller Marktabdeckung wollen.

Europäische Banken zufrieden mit dem Status quo

Der Hauptgrund, warum der Ruf nach einem europäischen Kartensystem bisher bei den europäischen Banken nicht auf offene Ohren gestoßen ist und es kein strategisches Thema der Bankvorstände geworden ist, liegt darin, dass die Banken mit dem derzeitigen Status quo und der sich ergebenden Rolle der beiden US-Zahlungssysteme gut leben können. Die Abwicklung funktioniert zufriedenstellend, die Abwicklungskosten werden (wenngleich sie immer als zu hoch betrachtet werden) als akzeptabel empfunden, die Investitionskosten für die Systemerhaltung und (selten vorkommende echte) Innovationen (wie kontaktloses Zahlen) sind verkraftbar und die Risikokosten sind durch entsprechende Vorkehrungen im Griff.

Als negativ werden derzeit die Scheme Fees und in den betroffenen Ländern insbesondere die bei der nationalen Abwicklung von nationalen Transaktionen angesehen. In diesem Zusammenhang fällt dann auch negativ auf, dass die Governance und damit die Gestaltung der Preise in den Händen der internationalen Zahlungssysteme liegen. Dieser Faktor erhält insbesondere bei den kartenausgebenden Banken durch die sinkenden Interchange-Erlöse aufgrund regulatorischer Eingriffe eine zusätzliche Bedeutung.

Nur als Kooperationslösung realisierbar

Alle Versuche, zu einem echten europäischen Kartensystem auf einer wettbewerbsorientierten Lösung mit regulatorischen Eingriffen zu kommen, sind bislang gescheitert. Inwieweit die Projekte, die für sich in Anspruch nehmen, ein "europäisches" Zahlungssystem zu sein, ein solches sind und als solches reüssieren werden, sei dahingestellt. Darüber hinaus gibt es als Folge der Entwicklung zu Sepa zurzeit jede Menge (nationaler) Kartensysteme, die zwar von sich behaupten, Sepa- und/oder SCF-compliant zu sein, und es eventuell rechtlich auch sind, deren Verbreitungsbereiche aber effektiv kaum über die jeweiligen nationalen Grenzen hinausgehen. Eine Zusammenführung auf europäischer Ebene war aufgrund einer anderen Agenda ("Markt") bei der Sepa-Implementierung kein Thema. Wenn seitens europäischer Entscheidungsträger ein echtes europäisches Kartensystem gewollt wird, ist eine grundsätzliche Entscheidung notwendig, da das Ziel aufgrund des Umfelds nur als Kooperationslösung à la EPC erreicht werden kann. Die Realisierung könnte durch eine freiwillige Vereinbarung der europäischen Bankenverbände mit Wohlwollen und Förderung durch die Europäische Kommission und die EZB erfolgen.

Im Wesentlichen handelt es sich dabei um das Issuing in Hinblick auf "alle Karten sind Teil des ECPS" und um das Processing im Hinblick auf "alle Transaktionen mit europäischen Karten in Europa werden in Europa verarbeitet". Das Acquiring könnte hingegen nach marktwirtschaftlichen Kriterien gestaltet bleiben, wenngleich eine regulatorische Unterstützung in Hinblick auf "any card at any terminal" bei Kartenakzeptanten für eine rasche Präsenz eines europäisches Kartensystem hilfreich wäre.

Etablierung nicht ohne die Acquirer

Wenn man tatsächlich zu einem ECPS kommen will, das den Markt weitgehend abdeckt und damit auch entsprechende Skalenerträge auf europäischer Basis nach sich zieht, dann ist es notwendig, dass im Zuge der erwähnten Kooperationslösung tunlichst alle in Europa ausgegebenen Karten Teil dieses Systems sein müssen. Als Kartenemittenten können daher alle Issuer ohne Rücksicht auf ihre Provenienz auftreten, sofern sie rechtlich dazu befähigt sind.

Auf der Seite der Akzeptanz wäre es ebenso wichtig, im Zuge der erwähnten Kooperationslösung sicherzustellen, dass tunlichst alle in Europa domizilierten Handels- und Dienstleistungsunternehmen mit Kartenakzeptanz Teil dieses Systems werden. Als Acquirer können alle europäischen Acquirer (Sitz in Europa) auftreten.

Als Lizenzgeber für ein europäisches Kartensystem wäre eine so benannte Societas Europaea (SE) oder eine Societas Cooperativa Europaea (SCE) vorstellbar.

Europäische Governance und Anteilseigner

Unstrittig dürfte sein, dass ein europäisches Kartensystem eine europäische Governance durch europäische Anteilseigner haben sollte, welche diesen eine Kontrolle des Zahlungssystems ermöglicht. Die Gesellschaft könnte eine Non-Profit-Gesellschaft sein, erwirtschaftete Überschüsse sollten in eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit gesteckt und zu "Entgeltsenkungen" verwendet werden. Damit liegt es in der Hand der Banken, ihren Zahlungsverkehr mit Karten kosteneffizient zu gestalten. Alternativ könnte die Gesellschaft als eine gewinnorientierte Gesellschaft konzipiert werden, bei der Gewinne an die Anteilseigner ausgeschüttet werden. Dies hätte zwar den Vorteil, dass es leichter wäre, Banken für eine derartige Investition zu gewinnen, jedoch den Nachteil, dass jene Banken, die aus welchem Grund auch immer an diesem Scheme nicht beteiligt sind, von diesem Scheme in Hinblick auf Governance (keine Einflussmöglichkeit) und Kosten ähnlich abhängig werden, wie sie es heute von den beiden US-Schemes sind.

Die Issuer und Acquirer, deren Firmenzentrale sich in Europa befindet, beziehungsweise deren Verbände sollten als Anteilseigner zugelassen sein. Das Zustandekommen der Anteile ist auf mehrere Arten möglich.

Das Scheme vergibt Lizenzen für Issuing und Acquiring, die auch die Anerkennung der Rules und der Entgelte beinhalten. Derartige Lizenzen dürfen nur an Banken, Zahlungs- und E-Geld-Institute gegeben werden, welche die Berechtigung für diese Geschäfte haben.

Das Scheme setzt auch die Regeln, um eine sichere, effiziente und preisgünstige Abwicklung der Transaktionen entsprechend der europäischen Rechtslage sicherzustellen.

Egal ob es sich beim Scheme um eine Profit- oder ein Non-Profit-Gesellschaft handelt, sind entsprechende Konditionen für die teilnehmenden Banken, Zahlungs- und E-Geld-Institute notwendig. Das ist vereinfacht dargestellt eine Scheme Fee, die das Funktionieren des Schemes und das Erreichen der Ziele finanzieren soll. Dazu kommen Fees für das Clearing und das Settlement, die an den jeweiligen Processor zu zahlen sind. Weitere Entgelte (Miscellaneous Fees) sind für konkrete Dienstleistungen des Schemes oder eines Processors erforderlich.

Die Marken, je nachdem wie viele Produkte angeboten werden, sind vom Scheme zu entwickeln und zu schützen. Die Marken können von allen lizenzierten Banken und Payment Institutions entsprechend den Scheme-Rules verwendet werden. Anbieten würden sich Marken wie Eurocard Debit/Euro Debitcard respektive Eurocard Credit/Euro Creditcard.

Processing in Europa

Ein echtes europäisches Kartensystem setzt aus europapolitischen Gründen ein Processing von allen Transaktionen mit europäischen Karten in Europa voraus. Dies deshalb um sicherzustellen, dass für diese Transaktionen ausschließlich europäisches Recht zur Anwendung kommt. Diese Transaktionen können allerdings von allen Acquirern/Processoren

- bilateral zu Issuern/Processoren geroutet und direkt gecleart und gesettlet werden,

- über einen vom Scheme zugelassenen Processor an die Issuer/Processsoren geroutet und über diesen gecleart und gesettlet werden oder

- über einen zentralen Scheme-Processor geroutet und über diesen gecleart und gesettlet werden.

Das Processing wäre somit dem Markt und seinen Playern ausgesetzt. Transaktionen von in Europa ausgegebenen Karten außerhalb Europas können über das jeweilige Co-Brand-Scheme gecleart und gesettlet werden. Gleiches gilt für Transaktionen in Europa mit außerhalb von Europa ausgegebenen Karten.

Knackpunkt Issuing

Das Issuing von Karten ist Knackpunkt eines europäischen Kartensystems. Um zu einem echten europäischen System zu kommen, müssen tunlichst alle europäischen Karten im Sinne einer Kooperationslösung à la EPC Teil dieses Schemes sein. Bislang wurde in diesem Beitrag nur "Karten" erwähnt. Die Entscheidung, welche Kartentypen inkludiert sein sollen, ist jedoch für eine Europäisierung des Kartengeschäfts wichtig. Dabei sind mehrere Szenarien vorstellbar:

- Es wird ein europäisches Karten- Scheme nur für Debitkartenzahlungen eingeführt. Alle anderen Produkte unterliegen dem vollen Wettbewerb.

- Das System wird für alle Debit- und für alle Kreditkartenprodukte angeboten, aber nur für Debitkarten im Sinne einer Kooperationslösung à la EPC umgesetzt. Für Kreditkarten steht es jedem Issuer frei, sein Produkt in die Kooperationslösung einzubringen oder nicht.

- Vom europäischen Kartensystem wird die Ausgabe und Akzeptanz eines möglichst kostengünstigen Plain-Vanilla-Produkts angeboten und vorgeschrieben, wobei es (ähnlich wie beim Cartes-Bancaires-System in Frankreich) den Issuern überlassen bleibt, ihr Produkt den Kunden als Debit- oder als Kreditkarte anzubieten.

Umgesetzt werden könnten zwei Formen von Karten: Karten für die Nutzung ausschließlich in Europa (mehr als 90 Prozent aller Kartentransaktionen) allein mit dem europäischen Brand (sogenannte Single- Brand-Karten) und Karten mit dem europäischen Brand und einem Co-Brand für den weltweiten Einsatz.

Umsetzungsdauer für dichtes Akzeptanznetz nicht unterschätzen

Was die Akzeptanz betrifft, so ist es für ein Europan Card Payment Scheme notwendig, vor der Ausgabe der ersten Karten mit einem europäischen Brand sicherzustellen, dass diese tunlichst bei allen europäischen Händlern im Sinne einer Kooperationslösung à la EPC akzeptiert werden. Eine weltweite Akzeptanz dürfte nur durch die Nutzung bestehender internationaler Kartenschemes als Co-Brand möglich sein. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass die Akzeptanz gemäß der auf dem Chip der Karte vorgesehenen Priorität auf Basis des europäischen Kartensystems erfolgt.

Ein dichtes europäisches Akzeptanznetz ist durchaus machbar, allerdings ist das aufgrund der relativ großen Anzahl von europäischen Acquirern eine mühsame Aufgabe. Die Umsetzungsdauer ist nicht zu unterschätzen, so hat Visa für ein herzeigbares V-Pay-Netz acht Jahre gebraucht, wofür erhebliche Mittel eingesetzt werden mussten.

Das Acquiring könnte angesichts einer bestehenden Acquirer-Struktur dem Markt überlassen werden. Eine Kooperationslösung ist hier nicht erforderlich, wäre allerdings für das Tempo der Herstellung einer umfassenden Akzeptanz hilfreich.

Interchange-Regulierung für die Einführung nicht förderlich

Über die Interchange Fee gibt es eine Fülle von betriebswirtschaftlicher, volkswirtschaftlicher und rechtlicher Literatur. Weitgehende Einigkeit besteht darüber, dass eine Interchange Fee als "Balancing Fee" zur Effizienz beitragen kann. Sehr viel weniger eindeutig lässt sich jedoch die Frage beantworten, welche Höhe der Interchange Fee volkswirtschaftlich optimal ist. Durch regulatorische Eingriffe wurde bereits eine deutliche Absenkung der Interchange Fees verordnet beziehungsweise ist im Werden. Die führt zwar zu Kostenvorteilen bei den Akzeptanten, jedoch zu Ertragsrückgängen bei den Issuern, was dazu führen wird, dass die Karteninhaber auf diese oder jene Weise mehr belastet werden.

Interchange Fees für ein europäisches Kartensystems sollten echte europäische Interchange Fees sein, das heißt sie sollten in Europa gleich hoch sein, egal ob es sich um reine Inlandstransaktionen oder um grenzüberschreitende Transaktionen innerhalb Europas handelt. Die Konzeption und die Höhe dieser Interchange Fees sollte so sein, dass ein nachhaltiges Interchange-Fee-System die Folge ist, das die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt. Ob die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Interchange Fees von 0,2 Prozent für Debitkarten und von 0,3 Prozent für Kreditkarten die Schaffung eines europäischen Kartensystems fördern, kann zumindest bezweifelt werden.

Langfristiges Geschäftsmodell

Bedeutsam für ein europäisches Kartensystem sind nicht Details der Kartenprodukte, welche die Issuer ihren Karten hinzufügen, sondern die grundlegende "Infrastruktur". Nach dem Vorbild verschiedener mittlerweile zu einem Teil verschwundener nationaler Debitkartensysteme, wäre es ratsam, ein System für den europäischen anstelle des "nationalen" Masseneinsatzes anzustreben. Dieses sollte auf einer low cost "plain vanilla" Infrastruktur aufbauen, um (anstelle nationaler Schemes) europäische Kartentransaktionen effizient abzuwickeln.

Notwendig sind nicht nur Einmalkosten für die Errichtung - insbesondere was die Investitionen betrifft - sondern auch laufende Scheme- und Abwicklungskosten. An Erträgen zur Deckung dieser Kosten (und im Falle einer Wettbewerbslösung zur Erwirtschaftung eines Gewinns) wären die oben erwähnten Scheme, Clearing und Settlement Fees sowie Miscellaneous Fees erforderlich. In jedem Fall ist ein Business Model notwendig, das angesichts der anstehenden Investitionen längerfristig hält.

Zusammenführung oder "Export" nationaler Debitsysteme

Abgesehen von der (Neu-)Einführung eines europäischen Kartensystems gibt es noch die Möglichkeit, dass bestehende de jure Sepa- und de facto nationale Debitkartensysteme zusammenfinden, wobei das europäische Kartensystem das Co-Brand beisteuern würde und die verschiedenen Debitkartensystem weiter bestehen würden. Das hat bisher nicht funktioniert, könnte nur mit einem sanften "europäischen" Druck erfolgen, würde aber massive operationale Umstellungen bei allen/fast allen derartigen Systemen nach sich ziehen. Im Übrigen sind einige nationale (Debit)Kartensysteme aufgrund regulatorischen Drucks vielfach vom Markt verschwunden oder in ihrer Bedeutung reduziert. Überdies wären dabei nur Debitkarten abgedeckt, Kreditkarten wären nicht berücksichtigt.

Eine Alternative wäre, dass ein derartiges (nationales) Debitkartensystem im Einzelfall durchaus mehr als den nationalen Markt abdeckt. Primär könnte dies durch den Ausbau des Akzeptanznetzes außerhalb des Ursprungslandes mit Hilfe der dortigen Acquirer erfolgen. So dies erfolgt ist, wäre hier und da auch die Möglichkeit der Kartenausgabe durch die (nationalen) Banken (oder andere mögliche Emittenten) in diesen Ländern möglich, sodass eine Teilabdeckung des europäischen Marktes vorerst auf der Acquiring- und dann auf der Issuing-Seite erfolgen könnte. Eine derartige Entwicklung kann übrigens nicht nur von einem solchen System ausgehen, sondern mehrere Systeme erfassen.

Die Sympathie europäischer Institutionen hierfür liegt vor. Schon Sepa sieht dies vor und eine solche Umsetzung wurde bislang auch mehrfach seitens EU und EZB gefordert, ohne dass es zu einer Realisierung gekommen ist. Wenn es im Zuge dieser Entwicklung zu Mergers & Acquisitions käme, wäre diese Lösung mit der Entwicklung in den Vereinigten Staaten vergleichbar. Dort gab es zunächst regionale Netzwerke für Online-Debitkarten ("Online" steht für online PIN-Autorisierung am PoS), die dann im Laufe der Zeit durch organisches Wachstum und Mergers & Acquisitions langsam zu (fast) nationalen Netzwerken wurden.

Ob es aber bei einer Weiterentwicklung eines (nationalen) Debitkartensystems oder mehrerer (nationaler) Debitkartensysteme einmal so etwas wie einem europäischen Kartensystem kommen wird oder ob dies durch Zusammenfinden mehrerer (nationaler) Debitkartensysteme erfolgt, ist auf absehbare Zeit eher unwahrscheinlich, womit es zu einer Kontinuität des Status quo ohne europäisches System käme.

Widerstände bei globalen Banken und internationalen Kartensystemen

Der Ruf nach einem europäischen Kartensystem hielt sich - von der Europäischen Kommission und der EZB abgesehen - in engem Rahmen. Globale Banken, die nicht unerhebliche Teile ihres Geschäfts außerhalb Europas machen, werden sich kaum für eine europäische Lösung erwärmen können, sondern im Zuge einer bankweiten Kartenpolitik globale Produkte vorziehen. Regionale und lokale Banken sind mit den ihnen zur Verfügung stehenden Lösungen zufrieden: Ihre Kunden können problemlos (weltweit) zahlen. Sie sehen das Kartengeschäft nicht im Zentrum ihres Privatkundengeschäfts, Kartenpolitik ist ihnen weitgehend fremd. Die Banken können mit den jetzigen Entgelten leben und werden daher kaum für ein europäisches Kartensystem auf die Barrikaden steigen. Massiven Widerstand würde hingegen von allen etablierten Schemes kommen.

Auch weiterhin ein Phantom

Sämtliche Bemühungen der letzten Jahre haben - auf Basis einer Wettbewerbslösung mit regulatorischen Eingriffen - nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Ein echtes europäisches Kartensystem kann es nur mehr auf Basis einer Kooperationslösung à la EPC geben. Dazu bedarf es der Einigkeit der europäischen Banken, deren Bereitschaft, die notwendigen Maßnahmen zu setzen und der Unterstützung durch die europäischen Institutionen.

Bis dato ist festzustellen: Von den maßgeblichen europäischen Institutionen sind bisher lediglich aufmunternde Zurufe gekommen, die dazu nicht einmal konsistent waren. Das Top-Management der europäischen Banken ignoriert die Bedeutung einer europäischen Governance trotz des milliardenfachen Einsatzes von Bankkarten. Ganz allgemein ist bei den europäischen Banken kaum Resonanz vorhanden und es fehlt ein "spiritual leader", der dieses Vorhaben vorantreibt, Angesichts dieser Tatsachen wird ein europäisches Kartensystem wohl ein Phantom bleiben.

Dieser Beitrag beruht auf dem Artikel "A European card payments scheme: Forever a phantom?" der Autoren im "Journal of Payments Strategy & Systems", Vol. 7, Iss. 4, 2013, pp. 344-358, und dessen Präsentation auf dem Bankkarten-Forum am 26. September 2013.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Prof. Dr. Malte Krüger , Technische Hochschule Aschaffenburg, Aschaffenburg
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