Kartenmarkt Österreich

"Das Kartengeschäft ist ein essenzielles strategisches Geschäftsfeld" - Ewald Judt im Gespräch mit Peter Bosek

Im Debitkartengeschäft von Erste Bank und der österreichischen Sparkassen erfolgt die Servicierung der Maestro-Debitkarten über die von der Pay-Life Bank abgespaltene Payment Systems Austria (PSA). Wird das auch künftig so sein?

Wenn die Servicierung kostengünstig und effizient funktioniert und das auch langfristig gewährleistet werden kann, kann man davon ausgehen.

Bislang hat die Erste-Bank- und Spar kassen-Gruppe ausschließlich Maestro-Debitkarten ausgegeben. Denkt man daran, in absehbarer Zeit auch V-Pay-Karten auszugeben? Wenn ja, werden auch diese über die PSA abgewickelt werden?

Nein, die nächsten fünf Jahre ist die Ausgabe von V-Pay-Karten nicht geplant, es sei denn, der Markt respektive die Kundenbedürfnisse erfordern dies.

Hat die Erste-Bank- und Sparkassen-Gruppe aufgrund der erwähnten Kartenzahlen ihren Markt für Debitkarten bereits ausgeschöpft? Wenn nein, was für ein Kartenpotenzial sehen Sie hier noch?

Die flächendeckende Ausstattung ist bereits jetzt erreicht. 95 Prozent der Zahlungsverkehrskonten sind mit mindestens einer Maestro-Debitkarte ausgestattet, die restlichen fünf Prozent der Konten werden über Multikontofunktion - also den Kontenzugriff mit einer Maestro-Debitkarte auf mehrere Konten - bedient.

Die Maestro-Karten in Österreich haben eine Reihe von Zusatzleistungen wie zum Beispiel Quick, die österreichische elektronische Geldbörse. Halten Sie die Anzahl der Zusatzleistungen für zu klein, zu groß oder gerade richtig?

Grundsätzlich steht jedem Issuer frei, welche Zusatzleistungen - neben den von Mastercard Europe vorgegebenen Funktionen - angeboten werden. Die Zusatzleistungen, die derzeit angeboten werden, entsprechen den heutigen Marktbedürfnissen.

Eine Erweiterung um eine E-Commerce-Funktion ist aufgrund der Tatsache, dass Interneteinkäufe immer mehr an Bedeutung gewinnen, ab Ende dieses Jahres für alle Maestro-Debitkarten der Erste-Bankund Sparkassen-Gruppe vorgesehen. Damit soll gewährleistet werden, dass auch Kunden, die keine Kreditkarte besitzen, oder bonitätsschwache Kunden, die keine Kreditkarte erhalten, im Internet einkaufen können.

Wie schaut es mit der Kontaktlosfunktion aus? Ist deren Einführung geplant und wenn ja, ab wann können die Karteninhaber sie nutzen?

Seit dem 2. April 2013 werden alle neuen Maestro-Debitkarten der Erste-Bank- und Sparkassen-Gruppe nur noch mit Quickkontaktlos und Paypass ausgegeben. Bestehende Karten werden sukzessive bei der Kartenerneuerung getauscht. Die flächendeckende Ausstattung wird somit ab Ende 2015 gegeben sein.

Werden die Kontaktloszahlungen auf Basis "Prepaid" und/ oder "Debit" erfolgen? Wie ist die "Nachladung" bei "Prepaid" sichergestellt? Wird es auch eine "Abo"-Ladung für das Vorwegladen bei "Prepaid" geben?

Kontaktlos auf den Maestro-Debitkarten wird zweifach angeboten: einmal als Quick-kontaktlos- und einmal als Maestro Paypass-Lösung. Das heißt Karteninhabern steht es frei, welche Variante sie bei der Zahlung wählen. Quick-kontaktlos wird wie bisher als kontaktbehaftete Zahlung mit Quick auf Basis "Prepaid" funktionieren. Quick-Laden wird ebenfalls wie bisher an Bankomaten und Foyer Geldausgabeautomaten möglich sein, künftig soll dies auch über PoS-Terminals funktionieren. Abo-Ladungen sind derzeit nicht geplant.

Paypass wird wie eine klassische Maestro-Transaktion sofort vom Konto gebucht (gegebenenfalls auch nach einer Konto-Deckungsprüfung).

Wird es Kontaktloszahlungen auch ohne PIN-Eingabe geben? Wenn ja, bis zu welchem Betrag?

Kontaktloszahlungen erfolgen bei Quick wie bisher generell ohne PIN-Eingabe (egal ob kontaktbehaftet oder kontaktlos). Allerdings ist das Stecken der Karte ab 25 Euro erforderlich.

Paypass-Zahlungen sind bis zu maximal 25 Euro ohne PIN-Eingabe möglich, allerdings ist spätestens nach fünf Paypass-Transaktionen eine PIN-Eingabe erforderlich.

Nun zu den Kreditkarten der Erste-Bank- und Sparkassen-Gruppe. Sie haben sowohl Mastercard- als auch Visa- Karten in Ihrem Kreditkartenportefeuille. Nach welchen Kriterien erfolgt das Angebot einer Karte dieses oder jenes Kartenschemes? Gibt es bei Ihnen auch ein Kartendoppel - eine Mastercard und eine Visa-Karte - als spezielles Angebot?

Grundsätzlich werden Karten nach Kundenpräferenz ausgegeben, wobei die Leistungen für Visa und Mastercard identisch sind. Das Kartendoppel mit speziellem Angebot wird seit kurzem wegen zu geringer Nachfrage als Doppel nicht mehr angeboten.

Die Kreditkarten der Erste-Bank- und Sparkassen-Gruppe haben zum Teil Zusatzleistungen wie zum Beispiel spezielle Versicherungen. Welche Kartenarten haben Sie mit welchen Zusatzleistungen ausgestattet?

Neben den normalen Reiseversicherungen waren die Erste-Bank- und Sparkassen-Gruppe die ersten Kartenemittenten, die auch eine Reisestorno-Versicherung angeboten haben. Bei dieser reicht der Besitz der Karte für die Inanspruchnahme. Im Rahmen unserer Kooperation mit dem Falstaff Gourmet Club bieten wir die S-Visa-Falstaff-Karte an, bei der der Karteninhaber neben den Vorteilen aus dem Versicherungsschutz einer Platinum-Kar-Transaktionen eine PIN-Einten der Erste-Bank- und Sparkassen-Gruppe. Sie ha-Neben den normalen Reise versicherungen waren die Erste-Bank- und Sparkas sen-Gruppe die ersten Kar tenemittenten, die auch eine Reisestorno-Versicherung ange boten haben. Bei dieser reicht der Be te auch noch Punkte für Gourmetgutscheine sammeln kann.

Zusatzleistungen sind generell kostspielig zumal in Zeiten, in denen sich die Interchange deutlich nach unten verändern kann beziehungsweise auch auf null gehen könnte, weshalb sich die Anbieter wieder mehr und mehr auf die ursprüngliche Zahlfunktion konzentrieren.

Unserer Meinung nach sind nicht die Zusatzleistungen, sondern der Service und die innovative Zahlfunktion um die Karte entscheidend. Wer hilft mir, wenn ich ein Pro blem habe? Funktioniert die Karte? Wird mir im Versicherungsfall rasch geholfen? Werden innovative Zahlformen wie kontaktloses Zahlen angeboten? Kann man seinen eigenen Code auf der Karte ändern (bei der S-Kreditkarte seit 20. April 2013 in jedem Foyer)? Das sind die entscheidenden Vorteile.

Und nicht zu vergessen: Im Rahmen des modernsten Kontos bieten wir einen in Österreich völlig neuen Service an: Rundungssparen bei Transaktionen sowohl mit der Maestro-Debitkarte als auch jeder S-Kreditkarte, was von den Kunden sehr gut angenommen wird.

Gibt es schon Kreditkarten mit PIN-First als Cardholder Verification Method? Wie wird die Migration in Richtung PIN-First angegangen?

Seit dem zweiten Quartal 2012 gibt es die S-Mastercard Platinum PIN-First. Mit allen neuen S-Mastercards können Kunden ab dem 10. Juni dieses Jahres standardmäßig PIN-First und NFC auswählen.

Derzeit gibt es allerdings noch sehr viele Kunden, die gerne unterschreiben, daher werden wir im ersten Schritt die Kunden nur auf Nachfrage umstellen.

Ist beabsichtigt, die Kreditkarten der Erste-Bank- und Sparkassen-Gruppe mit der Kontaktlosfunktion auszustatten?

Ab 10. Juni 2013 werden alle neuen S- Mastercard-Kreditkarten der Erste-Bankund Sparkassen-Gruppe mit einer Kontaktlos-Funktion bis 25 Euro ausgegeben. Die Transaktionen werden wie ganz normale kontaktbehaftete Kreditkarten-Transaktionen abgewickelt. Aber ähnlich wie bei den Maestro-Debitkarten ist ab dem fünften Mal hintereinander die Code-Eingabe erforderlich.

Der Support bei der Kreditkartenausstellung erfolgte in der Vergangenheit meist über die Pay-Life, aber auch über Card Complete. Seit 2007 wird die Kartenausgabe durch ein Tochterunternehmen der Erste Group Bank in Kroatien, die MBU d.o.o., unterstützt. Ist es beabsichtigt, die von Pay-Life und Card Complete servicierten Kreditkarten mit Kunden der Erste-Bankund Sparkassen-Gruppe in die MBU d.o.o. zu integrieren?

Nein. Das ist nicht geplant.

Wie verläuft die Kooperation der Erste Bank und der Sparkassen mit der OMV-Gruppe in Österreich abseits des Acquiring?

Die Kooperation mit der OMV-Gruppe ist sehr erfreulich. Der Service unserer Multifunktionsgeräte in OMV-Viva-Shops wird sehr gut angenommen und wir konnten im vergangenen Jahr wieder Steigerungsraten zwischen 20 Prozent (Überweisungen) und 34 Prozent (Bareinzahlungen) erzielen; und die beiden ersten Monate 2013 zeigen eine gleiche Trendrichtung.

Seit April letzten Jahres gibt es eine gemeinsame Marketingpromotion zum "modernsten Konto" mit über 25 000 Sofortgewinnen. In Zukunft wird es immer relevanter werden, Services dort anzubieten, wo sie leicht und bequem genutzt werden können.

Wie viele Transaktionen hat es 2012 mit Kreditkarten der Erste-Bank- und Sparkassen-Gruppe gegeben und über welchen Betrag beliefen sich die Transaktionen?

Die Erste Bank hatte 2012 7,5 Millionen Transaktionen, die Sparkassen hatten ebenso viele. Der Durchschnittsbetrag je Transaktion belief sich auf 105 Euro.

Zuletzt noch Fragen zu den Geldausgabeautomaten. Die Erste-Bank- und Sparkassen-Gruppe ist Teilnehmer am österreichischen Bankomat-System, das von der PSA koordiniert und orchestriert wird. Darin sind zwei Arten von Geldausgabeautomaten vorgesehen, solche die direkt mit dem Rechenzentrum der PSA verbunden sind und solche, die nur für "Fremdbezüge" über das Rechenzentrum der Erste-Bank- und Sparkassen-Gruppe mit dem Rechenzentrum der PSA verbunden sind. Wie viele Geldausgabeautomaten hat die Gruppe und welchen Status haben diese Geldausgabeautomaten?

Die Erste-Bank- und Sparkassen-Gruppe hat derzeit 2 700 Geldausgabeautomaten, an denen nur "Fremdbezüge" an die PSA geroutet werden, und 340 klassische Ban komaten mit PSA-Anbindung im Einsatz.

Wird die Gruppe auch künftig am Bankomat-System teilnehmen?

Ja. Klassische Bankomaten mit PSA-Anbindung werden weiterhin an dislozierten Standorten zum Einsatz kommen, Geldausgabeautomaten in Filialen und in OMV-Viva-Shops haben eine S-IT-Solution-Anbindung, bei der nur Bargeldzüge von "Fremdkunden" an die PSA weitergeleitet werden.

Welchen Preis verrechnet die Gruppe für eine GAA-Transaktion im Inland, in der Single Euro Payments Area und außerhalb dieser?

Für Bargeldbezüge mit Debitkarten wird im Inland und in der Single Euro Payments Area nichts verrechnet, für S-Kreditkarten-Bargeldbezüge drei Prozent vom Betrag, mindestens aber 3,63 Euro.

Für Bargeldbezüge mit Debitkarten außerhalb der Single Euro Payments Area in Euro und in anderer Währung werden 1,82 Euro plus 0,75 Prozent verrechnet, für S-Kreditkarten-Bargeldbezüge drei Prozent vom Betrag, mindestens aber 3,63 Euro plus 1,5 Prozent.

Wie viele Bargeldabhebungen über welchen Betrag gab es 2012 an den Geldausgabeautomaten der Gruppe?

2012 fanden an Geldausgabeautomaten der Ersten Bank und der Sparkassen 18 Millionen Bargeldbezüge über 3,4 Milliarden Euro statt.

Noch eine letzte Frage zur Kartenzahlungsstrategie der Gruppe. Wie wird die Zahlungsstrategie angesichts des Wettbewerbs auf der einen Seite und Kooperation auf der anderen Seite künftig ausschauen?

Wir sehen den Zahlungsverkehr allgemein und die Kartenzahlung im Speziellen als essenzielles strategisches Geschäftsfeld. Die Drehscheibe hierfür ist das Girokonto auch in der nahen und fernen Zukunft. In allen strategischen Überlegungen ist es wesentlich, einen eigenen Weg zu gehen und innovative Lösungen mit und ohne Partner anzubieten und dabei die Wirtschaftlichkeit der Lösungen mittelfristig sehr genau im Auge zu behalten.

Die Hauptaufgabe des Kartengeschäftes ist unverändert die Ablösung des Bargelds, welches selbst in Österreich nach wie vor nicht wirklich weniger wird, obwohl sich die Kartenzahlen wie auch die Transaktionszahlen und deren Volumen positiv entwickeln.

Ich denke, im Moment hat noch niemand das wirkliche Rezept für das Zahlungsmittel der Zukunft. Mit unseren Kollegen aus den anderen Banken der Erste-Bank-Gruppe in der Tschechischen Republik, der Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Rumänien, der Ukraine, Bosnien-Herzegowina und Moldawien schauen wir laufend über die nationalen Grenzen hinaus und können von dort gemachten Erfahrungen lernen. So werden wir zum Beispiel bei künftigen M-Payments in Österreich davon profitieren können.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
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