Kartenmanagement-Glossar

Two-sided Card Markets

Das Zahlen mit Karten wird für weite Teile der Bevölkerung ebenso zu einer Selbstverständlichkeit wie das Akzeptieren von Kartenzahlungen für viele Handels- und Dienstleistungsunternehmen. Mit Karteninhabern auf der einen Seite und Kartenakzeptanten auf der anderen Seite sind Kartenzahlungen am PoS ein Geschäftsmodell, das einem Two-sided Market, einem zweiseitigen Markt, entspricht (siehe dazu Bankmanagement-Glossar "Two-sided Markets" in bank und markt2/2012).

Das heißt, dass die unterschiedlichen Dienstleistungen des Kartengeschäfts - Issuing und Acquiring - unterschiedlichen Kundengruppen angeboten und gegen unterschiedliche Entgelte in Anspruch genommen werden. Die eine Kundengruppe sind die Karteninhaber, die andere die Kartenakzeptanten (Handels- und Dienstleistungsunternehmen). Beim zweiseitigen Kartenmarkt gibt es wie bei allen zweiseitigen Märkten indirekte positive Netzwerkeffekte mit Zunahme der Netzgröße. So beeinflussen beide Seiten des Markts wechselseitig die Nachfrage: Je mehr Karteninhaber es gibt, desto mehr Umsätze machen die Kartenakzeptanten und desto attraktiver wird es für Unternehmen Karten zu akzeptieren; je mehr Kartenakzeptanten es gibt, desto besser ist die Einsatzmöglichkeit der Karte und desto attraktiver wird es für Verbraucher, tatsächlich eine Karte zu nutzen.

Entscheidend für den erfolgreichen Start eines Kartensystems und die Weiterentwicklung von Komponenten (wie beispielsweise Contactless Payments) ist die Lösung des "Henne-Ei-Problems": Nur wenn sich beide Seiten mehr oder weniger parallel entwickeln oder ein gegenseitiges Aufschaukeln der beiden Seiten stattfindet, wird sich ein Erfolg einstellen.

Zwei bis drei Player als Intermediäre

Im Kartengeschäft existieren eigentlich zwei Two-sided Card Markets, da es je nach Kartenprodukt differierende Märkte gibt. Denn auf diesen zweiseitigen Kartenmärkten kommt es immer seltener vor, dass ein Player sowohl die direkte Geschäftsbeziehung mit dem Karteninhaber als auch die mit dem Kartenakzeptanten hat und damit Transaktionen generiert werden, bei denen derselbe Player von beiden Seiten ein Entgelt bekommt. In diesem Fall - in den Anfangszeiten des Kartengeschäfts war dies der Standard agiert ein Kartenunternehmen als Intermediär zwischen den beiden Kundengruppen.

In der Regel ist es heute durch Änderung der Lizenzvergaben der Karten-Schemes und der Ausbildung des Acquiring als eigenständige Dienstleistung aber so, dass zwei Player tätig sind: Einer hat die Geschäftsbeziehung zum Karteninhaber (Issuer) und einer zum Kartenakzeptanten (Acquirer). Somit sind zwei Intermediäre tätig. In diesem Fall kommt noch dazu, dass ein Dritter (oft das Karten-Scheme) eine entsprechende Plattform betreibt, welche Autorisierung, Clearing und Settlement der Transaktionen zwischen Acquirer und Issuer übernimmt.

Wichtig für die Weiterentwicklung zu einer "Less-and-less-cash-society" sind aber nicht nur die positiven Nutzeffekte der Karteninhaber und der Kartenakzeptanten, sondern auch positive Business Cases für Issuer und Acquirer. Dazu war und ist ein systemisch notwendiger Interessenausgleich zwischen den beiden Märkten notwendig. Dieser erfolgt durch die Interchange Fee. Sie hat sich über viele Jahre als die effizienteste Methode herausgestellt, um die Funktionalität unternehmensübergreifender Dienstleistungen sicherzustellen.

Diese Interchange Fee wurde/wird unter der Schirmherrschaft der jeweiligen Karten-Schemes mit Einbeziehung von Issuern und Acquirern festgelegt. Dieses Verfahren wurde/wird von den Interessenvertretern der Kartenakzeptanten angegrifffen und hat zu gerichtlichen Verfahren und regulatorischen Eingriffen geführt - obwohl es jedem Handels- oder Dienstleistungsunternehmen freisteht, eine/mehrere/alle Karten nicht zu akzeptieren. Die Konsequenzen einer Senkung der Interchange Fee wirken sich sowohl im Acquiring als auch im Issuing aus. Einerseits kommt es dadurch zu einer Senkung der von den Kartenakzeptanten zu zahlenden Entgelte, da Acquirer aufgrund des Wettbewerbs die Reduktion der Interchange Fee weitergeben (müssen), um wettbewerbsfähig zu bleiben. Eine Auswirkung des reduzierten Entgelts der Kartenakzeptanten auf die von den Konsumenten zu zahlenden Preise konnte allerdings nicht festgestellt werden.

Andererseits geht der Ertrag des Issuers zurück. Eine Kompensation hierfür kann eine Erhöhung einer/mehrerer Preiskomponenten für den Karteninhaber, eine Servicereduktion oder der Wegfall von Zusatzleistungen sein. Ergibt sich für einen Issuer dennoch kein Business Case, kann der Ausstieg aus dem Geschäftsfeld für ihn eine Option sein.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
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