Märkte

Veränderungenim Kartengeschäft: hin zu mehr Europäisierung

In den letzten Jahren ist es zu massiven Veränderungen am europäischen Kartenmarkt gekommen. Und auch in den kommenden Jahren wird es weitere massive Veränderungen geben. Diese haben bisher unterschiedliche Auswirkungen auf alle vier Parteien am Kartenmarkt gehabt, die sich künftig möglicherweise verstär ken werden.1) Von den im Kartengeschäft tätigen Banken sind die Acquirer mit einem konkurrenzbedingten Margenverfall und die Issuer mit einer durch die Senkung der Interchange Fees reduzierten Profitabilität konfrontiert.

Die Händler sind durch geringere Kosten der Kartenakzeptanz die Gewinner der Veränderung. Aber da der Satz "There ain't no such thing as a free lunch"2) unverändert gilt, werden die Karteninhaber mit höheren Kosten zu rechnen haben. Diese Entwicklung ist nicht von heute auf mor gen gekommen, sondern ist ein Trend der letzten Jahre. Er wurde hervorgerufen durch eine Reihe von unterschiedlichsten Vorgängen und hat zu einer Europäisierung des vormals rein nationalen Kartengeschäfts geführt.

Liberalisierung der Lizenzvergabe

Der erste Ansatz zur Europäisierung des Kartenzahlungsverkehrs hängt mit der Lizenzvergabe der Kartenschemes zusammen. Bis in die neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts war die Vergabe von Lizenzen der beiden internationalen Kar tenschemes Mastercard und Visa oft einerseits mit einer Exklusivität auf ein Land und andererseits mit Auflagen wie zum Beispiel "Issuing before Acquring" sowie dem Zwang verbunden, gewisse Ziele zu erreichen. Gegen Ende der neunziger Jahre kam es zu einer Liberalisierung der Lizenzvergabe der beiden erwähnten Kar tenschemes.

Für Europay Austria (wie die Pay-Life Bank damals firmierte), damals wie heute Kompetenzzentrum und Drehscheibe der meisten Kartentransaktionen in Österreich, wurde 1998 zum Jahr des Markenwechsels. Aufgrund der zunehmenden Globalisierung des Kartenzahlungsverkehrs wurde im Hinblick auf eine verstärkte weltweite Nutzung die Eurocard zur Mastercard und die eurocheque- und Bankomat-Karten zu global einsetzbaren Maestro-Karten.

Seit dem Auslaufen der eurocheque-Funktion mit Jahresende 2001 wurden alle österreichischen Debitkarten als Maestro Bankomatkarten bezeichnet, beworben und vermarktet. Damit verbunden war der Wegfall jeder Exklusivität für Produkte des Mastercard-Kartenschemes (Mastercard und Maestro) in Österreich. Für jede an den entsprechenden Lizenzen interessierte Bank war der Weg zum Issuing und Acquiring offen; es wurden Multibrand-Angebote eines Lizenznehmers beider Kartenschemes möglich; die Märkte sind für grenzüberschreitendes Kartengeschäft geöffnet worden. Der Wettbewerb - wie er sich heute darstellt - setzte jedoch damals noch nicht ein.

Der Euro wird zur dominanten europäischen Währung

Ein Meilenstein auf dem Weg zur Europäisierung des Kartenzahlungsverkehrs war am 1. Januar 2002 die Einführung des Euro als Bargeld, nachdem er bereits seit 1. Januar 1999 als Rechenwährung bestand. An diesem Tag ersetzte der Euro als Papier- und Münzgeld in zwölf Ländern (Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Por tugal und Spanien) sichtbar die jeweilige nationale Währung. Später dazugekommen sind mit Malta, der Slowakei, Slowenien und Zypern weitere vier Länder, sodass jetzt in 16 Ländern der Euro die Währung ist. Das hatte für das Kartengeschäft insofern gravierende Auswirkungen als besonders bei Kreditkarten und weniger bei Debitkarten das Fremdwährungsgeschäft massiv eingebrochen ist und die damit einhergehenden Kursgewinne mehr oder weniger von einem Tag auf den anderen weggefallen sind. Ein Entgelt für die Nutzung der Karten im Ausland konnte dennoch weiter verrechnet werden.

Eine weitere Folge der Einführung des Euro war die durch eine einheitliche Währung in den Euro-Ländern einhergehende Vereinfachung der in Euro abgewickelten und abgerechneten Kartentransaktionen, was in den Euro-Ländern eine Erleichterung im Crossborder Issuing und vor allem im Crossborder Acquiring nach sich zog. Das führte jedoch damals nicht zu einer raschen Verbreitung von Crossbor -der-Aktivitäten der im Kartengeschäft tätigen Banken. Die Zeit war offenbar noch nicht reif dafür.

Preisregelung für grenzüberschreitende Euro-Transaktionen

Ein bedeutender Schritt zur Europäisierung des Kartenzahlungsverkehrs war die Ver ordnung (EC) No 2560/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 2001 über grenzüber schreitende Zahlungen in Euro. Sie dekretierte gleiche Entgelte für Karteninhaber, egal ob sie ihre Karte für Euro-Transaktionen im Inland oder im Ausland einsetzen sowie gleiche Entgelte für Akzeptanten, egal ob die Karte für Euro-Transaktionen von Inländern oder von Ausländern eingesetzt wird. Diese ab dem 1. Juli 2002 geltende Verordnung führte - nach dem Wegfall der mit Euro-Einführung weggefallenen Kursgewinne zu einer weiteren massiven Reduktion des Ertrages der Issuer bei grenzüberschreitenden Euro-Transaktionen.

Damit wurde von den Europäischen Institutionen der gleiche Preis für Transaktionenarten dekretiert, die mit unterschiedlichen Kosten behaftet sind, was zu einer ansonsten ungeliebten Quersubventionierung führte. Die Konsequenz war eine massive Einschränkung der Werbung für den Auslandseinsatz der Karten, was einer 180-Grad-Kehrtwendung gleichkam, da vorher gerade der Auslandseinsatz im Kartenmarketing einen erheblichen Stellenwert hatte.

Single European Payment Area

Mit der Liberalisierung der Lizenzvergabe der Kartenschemes, der Einführung des Euro als Bargeld und der Preisregelung für grenzüberschreitende Euro-Transaktionen waren wesentliche Schritte zu einem einheitlichen europäischen Zahlungsraum gesetzt worden. Die folgenden Initiativen gehen auf das "Lisbon Target" von März 2000 zurück, als der Europäische Rat in Lissabon eine Zehn-Jahres-Strategie für eine Verbesserung der Stellung Europas in der Welt entwickelte.

Die Strukturierung und Entwicklung einer Sepa - Single Euro Payments Area - wur de von mehreren Institutionen vorangetrieben. Und vermutlich wird die Summe dieser Schritte grenzüberschreitende Aktivitäten von Issuern und Acquirern massiv verstärken, vor allem da auch die in mehreren Ländern tätigen Banken und Handels- sowie Dienstleistungsunternehmen nunmehr dafür aufgeschlossen sind.

Das European Payments Council hat für das Kartengeschäft das Sepa Cards Framework (SCF) zur Entwicklung von Optionen und Standards editiert.

Die Europäische Kommission - Generaldirektion Wettbewerb ist durch eine Retail Banking Sector Inquiry an die Sicherstellung eines wettbewerbsorientierten Geschäftsmodells herangegangen. Ergänzend dazu hat die Europäische

Kommission - Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen mit der Payment Service Directive die Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen in die Wege geleitet. Schließlich setzen die Europäische Zentralbank/das Eurosystem Maßnahmen zur Forcierung eines einheitlichen Zahlungsraums für die Euro-Zone.

Alle diese Initiativen sind derzeit in Umsetzung begriffen, wobei deren Realisierung für die Betreiber der Zahlungssysteme mit erheblichen Kosten verbunden sind. Das Ergebnis wird - so wie es ausschaut - in einigen Jahren tatsächlich eine Sepa - wie immer sie auch ausschauen wird - sein.

Sepa Cards Framework

Das European Payments Council (EPC) wurde 2002 von den europäischen Banken mit dem Ziel gegründet, durch Selbstregulierung eine "Single Euro Payments Area (Sepa)" zu realisieren. Die Sepa ist dabei nicht nur auf Karten, sondern auch auf die Instrumente des klassischen Zahlungsverkehrs mit Überweisungen und Lastschriften ausgerichtet. Bei Karten geht es gemäß dem Sepa Cards Framework (SCF) darum, dass

Karteninhaber künftig in der Lage sein sollen, Sepa-weit mit der gleichen Bequemlichkeit und den gleichen Konditionen bargeldlos zu zahlen und Bargeldbezüge tätigen zu können,

Karten mit einem EMV-Chip ausgestattet werden,

Handels- und Dienstleistungsbetriebe künftig alle Sepa-weit emittierten Karten in der gleichen Art und Weise und mit den gleichen Konditionen akzeptieren können,

Geldausgabeautomaten und PoS-Terminals EMV- und PIN-fähig sein müssen.

Demgemäß sind nationale Kartensysteme (wie bis 1998 bei österreichischen Debitkarten) nicht mehr zulässig und sind in Sepa-konforme zu migrieren, das heißt in solche, die zumindest Sepa-weit präsent sind.

EU-weite Markt- und Wettbewerbsuntersuchung

2005 führte die Europäische Kommission - Generaldirektion Wettbewerb im Hinblick auf den Binnenmarkt im Zahlungsverkehr eine Sector Inquiry, eine EU-weite Markt- und Wettbewerbsuntersuchung zum Kartengeschäft, durch. Der diesbezügliche Report über Kartenzahlungen stellte fest, dass das Kartengeschäft nahezu zur Gänze auf nationaler Basis abgewickelt wird, die Kartenausgabe profitabel ist, es große Unterschiede bei den Händlerkonditionen und den Interchange Fees gibt und Ban-ken-Joint Ventures einen Markt abschotten können. Auch an der österreichischen Situation im Kartengeschäft sowie an der Rolle von Europay Austria wurde Kritik geübt. Seitens Europay Austria wurden daraufhin im Herbst 2006 Gespräche mit der Europäischen Kommission - Generaldirektion Wettbewerb aufgenommen, um zu einer Lösung der kritisierten Punkte zu kommen. Die der Konsultation folgenden Maßnahmen hatten drastische Änderungen im österreichischen Kartenmarkt zur Folge. Es kam zu einer Reduktion der Domestic Interchange Fees bei Kreditkarten auf ein Prozent und der Realisierung der Kartendualität. Europay Austria bekam eine Lizenz für Visa-Produkte (Visa, Visa-Electron, V-Pay) und wurde zur Pay-Life Bank. Visa Austria bekam eine Lizenz für Mastercard-Produkte (Mastercard, Maestro ...) und wur de zu Card Complete. In der Folge kam es statt zu einem Wettbewerb zwischen den Kartenbrands zu einem Wettbewerb zwischen den Kartenunternehmen (Issuern/Acquirern). Weiters wurde eine eigentümerseitige Entflechtung der Kartenunternehmen verlangt. Diese hat sich jedoch durch die Finanzkrise verzögert.

Payment Service Directive - Zahlungsdienstegesetz

Die rechtliche Grundlage für die Sepa ist die Payment Service Directive der Europäischen Kommission - Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen. Sie soll durch deren Umsetzung in nationales Recht eine europaweit einheitliche Rechtsgrundlage für den Zahlungsverkehr schaffen. Die Payment Service Directive wird in Österreich als Zahlungsdienstegesetz voraussichtlich mit 1. November 2009 in Kraft treten.

Bei der Payment Service Directive geht es einerseits um eine Erhöhung der Markttransparenz und um mehr Wettbewerb. So haben neue Zahlungsinstitute einen ver einfachten Zugang zu den Zahlungsgeschäften und unterliegen nicht in dem Maße der Aufsicht, wie es Banken tun. Diese Erleichterung erscheint angesichts der Hintergründe der derzeitigen Finanzkrise und der nunmehrigen Tendenz zu mehr Regulierung widersprüchlich, da der Zahlungsverkehr und sein einwandfreies, unterbrechungsfreies Funktionieren ein wesentlicher Faktor für die wirtschaftliche Tätigkeit aller Wirtschaftssubjekte und damit der Volkswirtschaft ist.

Dazu kommt, dass es damit ungleiche Marktbedingungen für die unterschiedlichen Marktteilnehmer gibt: auf der einen Seite diejenigen, die einer strengen und auf der anderen Seite diejenigen, die einer reduzierten Aufsicht unterliegen. Andererseits geht es bei der Payment Service Directive um eine wesentliche Stärkung der Konsumentenrechte insbesondere durch Informationspflichten, die Zahlungsverkehrserbringern auferlegt werden.

Der Europäischen Zentralbank/dem Eurosystem geht es im Hinblick auf die Europäisierung des Zahlungsverkehrs um die Forcierung eines einheitlichen Euro-Zahlungsraums. Diesbezüglich werden alle Sepa-Initiativen unterstützt und mehr (europäische) Standardisierungsmaßnahmen verlangt. Dazu kommt die mehrfach nachdrücklich geäußerte Wunschvorstellung nach einem "europäischen" Zahlungssystem (im Kartengeschäft), da die wesentlichsten Kartenorganisationen US-dominiert sind.

Bedingt durch die Umsetzung des SCF - Wegfall nationaler Kartensysteme - sind derzeit alle nationalen Debitsysteme dabei, sich Sepa-konform aufzustellen. Die bislang am häufigsten realisierte Form ist dabei die des Co-Branding mit einem Brand, das bereits Sepa-konform ist (wie zum Beispiel mit Maestro oder V-Pay).

Europäisches Zahlungssystem?

Mit dem von Sepa dekreditierten Wegfall nationaler Kartensysteme wurde von den Unterstützern dieser Vorgangsweise immer wieder die Frage nach einem "Europäischen Zahlungssystem" gestellt, die bis heute unbeantwortet geblieben ist.

Als das erste "europäische" Zahlungssystem kann mit Fug und Recht das euro-cheque-System bezeichnet werden. Es hatte zu einer Zeit, als nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals Reisen von Privaten ins Ausland in größerer Anzahl unternommen wurden, eine wesentliche Funktion zur Erleichterung des Bargeldbezugs und (nach Öffnung des Nichtbankenbereiches) von bargeldlosen Zahlungen im europäischen Ausland (und in einigen Mittelmeeranrainerstaaten). Bedingt durch hohe Schadensfälle und aufgrund einer negativen Interchange Fee führte das eurocheque-System zu massiven Verlusten insbesondere bei den Issuern, was schlussendlich zum Phase-Out dieses am Markt sehr erfolgreichen Verfahrens geführt hat.

Frühe Bemühungen um ein wirklich "europäisches Zahlungssystem"

Das Nachfolgesystem "edc" ("european debit card"), eine Debitfunktion mit PIN, das bereits orchestriert von Europay Inter national (in der eurocheque International aufgegangen ist) frühzeitig auf der euro-cheque-Karte implementiert wurde, etablierte sich bald danach als "Maestro" weltweit - und Europay International wur de von den europäischen Banken an Mastercard International verkauft.

Davor gab es jedoch Bemühungen, Europay International zu einem wirklichen "europäischen Zahlungssystem" zu machen: Zusätzlich zum Partner Mastercard International sollte auch Visa International Partner der europäischen Banken als Gesellschafter von Europay International werden. Tunlichst alle europäischen Kar ten sollten innerhalb dieses Schemes ausgegeben werden - ohne ein weltweites Logo der Partner mit Wirksamkeit nur in Europa; mit einem Logo eines der Partner mit globaler Wirksamkeit.

Alle Transaktionen in Europa sollten "europäische" Transaktionen sein und Europa nicht verlassen. Für alle inter-regionalen Transaktionen sollten das Clearing und Settlement mit dem jeweiligen Partner er folgen. Diese Bemühungen scheiterten aus mehreren Gründen unter anderem weil auch wettbewerbsrechtliche Bedenken geäußert wurden. Und so blieb Europa ohne "europäisches" Zahlungssystem. Mit Sepa stellte sich die Frage nach einem oder mehreren "europäischen" Zahlungssystemen erneut, da die Domestic Schemes Sepa-compliant werden mussten:

Das bedeutet entweder selbst Sepaweit aktiv zu werden (Aus Gründen eines Business Cases nur schwer vorstellbar; "Monnet" scheint so ein Ansatz zu sein);

oder mit anderen (Noch-)Domestic Schemes gemeinsam Sepa-Compliance zu erreichen ("EAPS" ist so ein Ansatz, der auf multiple bilaterale Beziehungen der Partner setzt);

oder aber Co-Branding mit einem Scheme das Sepa-compliant ist (wie zum Beispiel mit Maestro oder V-PAY).

Das Ergebnis dieser Überlegungen werden wir wohl in einigen Jahren sehen.

Interchange Fees der Zukunft

Ein brennendes Problem des Kartengeschäfts ist die ungeklärte Zukunft der Interchange Fee, die für manche zu einem Feindbild geworden ist. Die Interchange Fee ist für alle Kartenemittenten - egal ob von Debit- oder von Kreditkarten - für die Rentabilität des Kartengeschäfts von großer Bedeutung.

Nur für die Länder, in denen die meisten Karten mit einem Revolving Credit verbunden sind, hat die Interchange Fee aufgrund der entsprechenden Zinsverrechnung nicht diese Bedeutung. Diese ungelöste Situation und die damit verbundene Unsicher heit über die künftige Ertragsentwicklung hat bislang nicht zu den Investitionen geführt, die für die Weiterentwicklung des Kartengeschäfts notwendig sind.

Angefangen hat es mit der Mastercard-Entscheidung der Europäischen Kommission - Generaldirektion Wettbewerb über Intra-European Fallback Interchange Fees. Diese hat einerseits zur Berufung von Mastercard Europe beim Europäischen Gerichtshof in erster Instanz mit offenem Ausgang geführt und andererseits angesichts der angedrohten Strafen zu Sistierung und damit "interimsmäßig" zur Herabsetzung auf Null geführt. Vor Kurzem kam es zu einer vorläufigen Lösung, die für Mastercard-Produkte vergleichsweise niedrige Intra-European Fallback Interchange Fees vorsieht. Die endgültige Entscheidung wird jedoch das Gericht fällen - sofern bis dahin nicht der Markt nicht mehr oder nur schwer veränderbare Fakten geschaffen hat.

Verfahren der EU-Kommission gegen Visa Europe

Mehr oder weniger parallel mit dieser vor läufigen Einigung hat die Europäische Kommission - Generaldirektion Wettbewerb ein Verfahren gegen Visa Europe in Hinblick auf deren Intra-European Fallback Interchange Fees eröffnet, das in absehbarer Zeit zu einer Entscheidung - auch hier mit der Möglichkeit einer Berufung beim Europäischen Gerichtshof in erster Instanz - führen wird.

Aus Gründen eines "level playing fields" ist es allerdings nur schwer verständlich, warum bei Zahlungssystemen mit weitgehend ähnlichen Produkten unterschiedliche Interchange Fees möglich sein sollen. Falls ein Interesse an mehr Kartentransaktionen und damit am Entstehen einer Less-Cash Society besteht, sollte eine eheste Lösung kommen, um die Weiterentwicklung des Kartengeschäfts auf einem soliden finanziellen Fundament zu ermöglichen.

In Europa ist der Markt im Issuing von Karten bei Weitem noch nicht gesättigt. So gibt es beispielsweise in Österreich rund 7,5 Millionen Maestro Bankomatkarten, jedoch nur ein Drittel so viele Kreditkarten. Ausgehend von den Erfahrungen anderer Länder, dass jeder Erwachsene zumindest eine Debit- und eine Kreditkarte hat, gibt es hier noch einen wesentlichen Nachholbedarf.

In Österreich geht man daher von einem weiteren Wachstum bei Kreditkarten und keinem Wachstum bei Debitkarten mehr aus. Was allerdings die Anzahl der Transaktionen und die Höhe des Kartenumsatzes am PoS betrifft, so gibt es Vorreiterländer, die zeigen, dass hier noch ein ungehobener Wachstumsschatz liegt.

Stärkere Beachtung des Ausfallrisikos

Dem Risiko im Kartengeschäft wird auch in Zukunft trotz der zunehmenden Verwendung von Chip und PIN Beachtung geschenkt werden müssen. Dazu kommt derzeit krisenbedingt auch eine stärkere Beachtung des Ausfallrisikos. Angesichts von Ertragseinbußen bei einer Reduktion der Interchange Fees wäre für Karteninhaber an zusätzliche Ertragsquellen zu denken. So könnte zum Beispiel eine Revolving Credit-Fazilität mehr Zinserträge (bei allerdings höherem Risiko) bringen.

Auch im Acquiring kann analog dem Issuing mit zunehmenden Transaktionen und einem zunehmenden Umsatz gerechnet werden. Dieses Mehrgeschäft trifft im Acquiring einen überbesetzten Markt. So sind derzeit beispielsweise am kleinen österreichischen Acquiring-Markt elf Unternehmen mit mehr oder weniger großem Erfolg tätig. Die meisten davon sind aber nicht am Neugeschäft interessiert, sondern nur daran, Konkurrenten Akzeptanten abzuwerben.

Mehrgeschäft ist allerdings nur mit mehr Karten, die bei mehr Handels- und Dienstleistungsunternehmen akzeptiert werden, zu erzielen. Durch den verschärften Wettbewerb kommt es einerseits zu einem Margenverfall und können dadurch die im Kartengeschäft wesentlichen Economies of Scale nicht zum Tragen kommen, weshalb es andererseits früher oder später zu einer Konsolidierung des Marktes kommen wird. Die derzeitige Tendenz im Acquiring geht in Richtung "One-Stop-Shopping", wobei der Akzeptant von einem Unternehmen von den Akzeptanzverträgen bis zum PoS-Terminal "alles aus einer Hand" erhält.

In die Zukunftsperspektiven des Kartengeschäfts sind aber auch Abwicklungsver fahren wie Contactless Payments, die einen entsprechenden Chip (auf der Karte?) und eine entsprechende Modifikation/Ergänzung des PoS-Terminals erfordern, sowie eine kombinierte Debit-/Kreditkarte, wo sich der Karteninhaber am PoS entscheiden kann, ob er die Transaktion mit der Debit- oder mit der Kreditfunktion seiner Karte bezahlen will, mit einzubeziehen. Weitere Aspekte des künftigen Kar tengeschäfts sind aufgrund der gerade beim Kartengeschäft erforderlichen Economies of Scale die Konzentration der Processoren und des Processing, die Konfrontation mit technisch immer ausgefeilteren Verfahren und der Lösung der Unprofitabilität von Low Value Payments abseits der Electronic Purse.

Grenzüberschreitende Aktivitäten weiter erleichtert

Länderspezifische Spezialitäten werden künftig im Kartenissuing und im Kartenacquiring zunehmend wegfallen, womit grenzüberschreitende Aktivitäten, die schon seit Langem möglich sind, weiter erleichtert werden. Issuer und vor allem Acquirer werden daher Cross-Border-Acquiring verstärkt im Fokus haben. Dies inkludiert im Acquiring sowohl die Begleitung der eigenen Kunden ins Ausland ("Follow your customer"), die Cross-Border-Abwicklung ausländischer Kunden und die unmittelbare Präsenz auf einem ausländischen Markt sei es durch Etablierung einer Niederlassung/Tochtergesellschaft, durch den Kauf eines Acquirers im Ausland oder durch das Eingehen einer Partnerschaft mit einem anderen Acquirer.

Die Veränderungen im Kartengeschäft wer den weiter gehen. Es gilt: "Fürchte dich nicht vor dem Vorwärtsgehen, fürchte dich nur vor dem Stehenbleiben". Panta rhei. "Alles fließt. Alles verändert sich." Heraklit von Ephesos, griech. Philosoph, 550-480 vor Christus.

Fußnoten

1 Es wird hier nur auf das 4-Parteien-System eingegangen, 3-Parteien-Systeme stehen außerhalb dieser Betrachtung.

(c) Robert A. Heinlein, 1966

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
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