Apple Pay

Walter Bödenauer ist Prokurist der PayLife Bank, Wien,

Am 9. September 2014 präsentierte Tim Cook, CEO von Apple Inc., in Cupertino, Kalifornien, einen USP für die neuen i-Phones (sowie die neue i-Watch): Apple Pay, einen Zahlungsservice, der nach den Vorstellungen von Apple die Art zu zahlen - sowohl in stationären Handels- und Dienstleistungsbetrieben der realen Welt als auch in der virtuellen Welt des E-Commerce - vollkommen verändern wird. In den USA ist Apple Pay mittlerweile eingeführt worden, der Rest der Welt wird folgen.

Bei diesem Zahlungsservice ist einiges neu, aber einiges schon von anderen Zahlungsanbietern umgesetzt. Nicht neu ist der Mobile-Wallet-Ansatz. Nicht neu ist die Anwendung der NFC-Technologie, wobei Apple sogar der letzte Komplettanbieter der Smart- und Tablet-Industrie ist, der seine Geräte NFC-Technologie-fähig gemacht hat. Nicht neu ist die Payment Verification durch den Zahlenden per Fingerabdruck auf dem Touch ID Sensor. Nicht neu ist auch die biometrischen Kontrolle mittels Fingerabdruck zwecks Verifizierung der "Echtheit" des Kunden.

Neu hingegen ist, dass Apple Pay nicht selbst ein neues Zahlungssystem aufbauen wird, sondern das von den Zahlungsorganisationen American Express, Mastercard und Visa entwickelte Tokenization-Konzept einsetzt. Dabei hat jeder partizipierende (Karten)Issuer eine Vereinbarung mit Apple zu schließen, um die Verwendung von Apple Pay durch dessen Karteninhaber zu realisieren.

Neu ist auch, dass mit einem Secure Element, das fix in die Hardware des i-Phone integriert ist, und einer Tokenization durch die Zahlungsorganisationen, welche die echte Kartennummer durch einen Referenzwert ersetzt, sichere Zahlungstransaktionen ohne Unterstützung des jeweiligen Mobilfunkbetreibers möglich werden: Die Nutzung der SIM-Karte dafür ist nicht mehr erforderlich.

Henne-Ei-Problematik gelöst

Insgesamt handelt es sich bei Apple Pay um keine große Innovation. Es ist Apple mit Apple Pay allerdings gelungen, bereits vorhandene Technologien mit etablierten Playern zu verbinden und ein bislang einzigartiges Produkt zu schaffen. Eine rasche Umsetzung ist durch die Nutzung der schon installierten NFC-fähigen PoS-Terminals möglich. Das heißt an jedem PoS-Terminal, wo bereits jetzt mit einer Paypass-Mastercard, einer Paywave-Visa-Card oder einer mit dem kontaktlosen Feature ausgestatteten American-Express-Karte kontaktlos gezahlt werden kann, ist eine Apple-Pay-Transaktion möglich.

Durch dieses Vorhandensein einer Akzeptanz-Infrastruktur sowie mit dem Einbinden der Zahlungsorganisationen und der Issuer ist es Apple gelungen, das Henne-Ei-Problem, welches bei Innovationen auf einem zweiseitigen Markt meist das größte Hindernis darstellt, zu lösen.

Apple Pay funktioniert bereits in den USA. Besitzt ein Konsument ein i-Phone 6 oder i-Phone 6 Plus und die Kreditkarte eines Issuers, der mit Apple Pay eine Nutzungsvereinbarung abgeschlossen hat, so kann er sich für Apple Pay registrieren. Die Registrierung ist einfach. Sind bereits Kartendaten bei i-Tunes oder im Apple Passbook hinterlegt, so können diese Daten für die Apple-Pay-Registrierung verwendet werden. Ist dies nicht der Fall oder will man eine zusätzliche Karte nutzen, kann die Registrierung durch das Fotografieren der Karte mit der (eingebauten) i-Sight-Kamera oder durch manuelle Eingabe der erforderlichen Daten hinzugefügt werden. Erfasst wird auch über den Touch ID Sensor der Fingerabdruck.

Sichtbare und unsichtbare Daten

Es werden neben den sichtbaren Daten, die vom Kunden erfasst werden, auch die für diesen "nicht sichtbaren" Daten von Apple verarbeitet. Die "nicht sichtbaren" Daten - der "Device Fingerprint" - bestehen aus verschiedenen Informationen, die bei jedem Datenaustausch übertragen werden. Dazu gehören unter anderem die Mobiltelefonnummer, Daten des Mobilfunkbetreibers, die SIM 1)-Nummer und die IMEI 2)-Nummer, die bei der Produktion des Smartphones vergeben wird und fixer Bestandteil des Gerätes ist, sowie Hard- und Software-Daten des Smartphones (welches Smartphone mit welchem Betriebssystem).

In der Folge wird aus den übermittelten Daten ein Score-Wert ermittelt, der an den Issuer übertragen wird. Je nach Höhe dieser Bewertung kann der Issuer einer sofortigen Registrierung zustimmen oder noch zusätzliche Sicherheitsverfahren einsetzen (zum Beispiel Two Factor Authentication durch Übermittlung einer m-TAN an den Kunden). Die Registrierung läuft zwischen dem Endgerät des Kunden, dem Apple Server, dem vom Zahlungsscheme bereitgestellten Token Service (Token Vault) und dem Issuer ab. Genehmigt der Issuer die Registrierung, werden die bisher noch verwendeten Kartendaten für alle weiteren Transaktionen gegen einen Token ausgetauscht.

Die Zahlungstransaktion ist für den Kunden nicht viel anders als bei einer Kontaktlos-Kartenzahlung an einem Kontaktlos-PoS-Terminal. Anstelle der Karte wird das i-Phone über den NFC-Reader gehalten. Mit einem Fingerabdruck auf dem i-Phone ist der Betrag zu bestätigen. Die Bereitstellung des Token und die Referenzierung des Tokens zur Kartennummer besorgt die Zahlungsorganisation über deren Token Service. Vom i-Phone des Kunden gehen über das Kontaktlos-PoS-Terminal des Händlers an den Acquirer nur mehr Karteninformationen auf Grundlage des Token, und diese können nur für die gerade abzuwickelnde Transaktion verwendet werden.

Dadurch und durch die Verbindung der Daten des i-Phone ("device fingerprint") und der biometrischen Komponente ("fingerprint") ergibt sich eine hohe Beweiskraft dafür, dass die Anweisung an den Issuer, eine Transaktion durchzuführen und Zahlung zu leisten, tatsächlich durch den Berechtigten (=registrierten Nutzer) erfolgt ist. Der weitere Ablauf der Transaktion bis zur Belastung des Kontos ist wie gehabt.

Kartenemittenten bleiben im Geschäft

Mit der Einführung von Apple Pay ergeben sich für die Kartenwelt eine Reihe unterschiedlicher Effekte:

- Mit NFC hat auch Apple sich für die kontaktlose Zahlungsmöglichkeit entschieden, die mit größter Wahrscheinlichkeit weltweiter Standard werden wird.

- In den USA partizipieren mittlerweile nahezu alle namhaften Issuer, die über 80 Prozent der Karten ausgegeben haben, an Apple Pay. Der Rest der Issuer wird wohl folgen.

- Mit dem Fingerabdruck wird erstmals ein biometrisches Verfahren auf breiter Basis bei Zahlungstransaktionen eingesetzt. Es gilt als sehr sicher, und zudem erhöht die Verknüpfung dessen, was ich bin (Fingerabdruck) und was ich habe (Smartphone) mit den historischen Nutzerdaten (neben Transaktionsdaten könnten dies auch Geo-Daten sein) das Sicherheitsniveau nochmals.

- Auch die Zahlungsschemes können mit diesem - sie nicht verdrängenden - Verfahren leben, da es die Anzahl der Transaktionen mit ihren Produkten nicht nur nicht gefährdet, sondern sogar zukunftsträchtig vermehrt. Dazu kommt, dass nichts ohne sie geht und sie dazu noch in Form einer eigenen entgeltlichen Leistung die Infrastruktur für die Erstellung und Verwaltung der Token bereitstellen.

Vier-Parteien-System wird Geschichte

Eine grundlegende Änderung der Zahlungswelt ergibt sich auch daraus, dass Apple seinen Dienst nicht gratis anbietet. Von jeder Transaktion kassiert Apple einen Obolus, der im Zuge der Transaktionen wohl zulasten der Issuer geht, denn mit den Acquirern hat Apple ja keinen Vertrag. Damit ist aber das traditionelle Vier-Parteien-System Geschichte, denn ohne eine Vereinbarung zwischen dem Issuer und Apple können dessen Kunden/Karteninhaber Apple Pay nicht nutzen.

Der Eintritt von Apple in die Arena des bargeldlosen Zahlungsverkehrs bedeutet, dass Apple mit dem für heutige Konsumenten wohl wichtigsten Produkt - dem Smartphone - einen Teil der Wertschöpfungskette dieses Geschäftsbereichs, das bislang weitgehend eine Domäne der Banken war, okkupiert.

Hauptverlierer sind die Mobilfunkbetreiber

Hauptverlierer beim Mobile-Payment-Geschäft sind durch Apple Pay wohl die Mobilfunkbetreiber, die auf ihren SIM-Karten sichere Speicherplätzen zur entgeltlichen Nutzung angeboten haben, und die Software-Entwickler, die Wallet-Lösungen für die Installation auf Smartphones angeboten haben, da Apple diese Lösung mit dem Smartphone anbietet.

Es darf beim stark Aufsehen erregenden i-Phone-Marketing aber nicht vergessen werden, dass der Marktanteil der i-Phones weltweit bei lediglich 12 Prozent liegt.

Dennoch ist Apple Pay eine Herausforderung auch für die anderen Smartphone-Hersteller wie Samsung, HTC, Sony, LG, Nokia Lumia oder Huawei. Diese sind nun gefordert, ebenfalls für Mobile Payments eine Lösung im Smartphone-Funktionenportfolio zu haben. Dabei werden sie wohl nicht umhinkommen, eine ähnliche Wallet-Lösung (wiederum in Kooperation mit den Zahlungsschemes?) auf NFC-Basis anzubieten.

Der Auftritt von Apple Pay als Payment Service Provider fand in den USA nicht nur begeisterte Handels- und Dienstleistungsbetriebe. Einige der großen Handelsketten sprechen sich gegen Apple Pay aus und haben begonnen, die für die Durchführung am Point of Sale benötigten Features für Smartphone-Transaktionen zu deaktivieren. Sie fürchten Apple als Kostentreiber und eine Verstärkung der Abhängigkeit von den Zahlungsschemes.

Und in Europa? Wann sich ein Issuer auch in Europa für Apple Pay wird registrieren können, ist derzeit noch offen. Jedenfalls haben insbesondere die europäischen Issuer, aber auch andere Stakeholder wie Regulierer und Konsumentenschützer ausreichend Zeit, die Entwicklung in den USA zu beobachten und aus den gewonnenen Erkenntnissen die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Fußnoten

1) SIM = Subscriber Identity Module = Nummer des vom Mobilfunkbetreiber zur Verfügung gestellten Chips.

2) IMEI = International Mobile Equipment Identity = Nummer, die der Smartphone-Hersteller dem Smartphone gibt.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien, ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Walter Bödenauer ist Prokurist der PayLife Bank, Wien, walter.boedenauer[at]paylife[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
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