Interchange Fee Disruption

Dr. Ewald Judt, Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien

Quelle: Wirtschaftsuniversität Wien

Nach jahrelangen Verhandlungen, behördlichen und gerichtlichen Verfahren sowie den Aktivitäten eines Großaufgebots von Lobbyisten kam es am 29. April 2015 zur Verordnung (EU) 2015/751 des Europäischen Parlaments und Rates über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge, mit dem die Interchange Fees für Debit- und Kreditkarten von Verbrauchern mit 0,2 beziehungsweise 0,3 Prozent gedeckelt wurde.

Während des Entstehungsprozesses der Verordnung wurde die beabsichtigte und schließlich verabschiedete Regulierung von der EU mit den für einen Binnenmarkt nicht akzeptablen unterschiedlich hohen Interchange Fees und dem Nutzen für die Verbraucher in Form der Karteninhaber begründet.

Balance zwischen Akzeptanz- und Karteninhaberseite massiv verändert

Die der Regulierung folgende Disruption der Interchange Fee führte in vielen europäischen Ländern zu einer Modifikation des Kartengeschäfts, da die Balance zwischen der Akzeptanzseite und der Karteninhaberseite massiv verändert wurde.

Mit Karteninhabern auf der einen Seite und Akzeptanten auf der anderen Seite sind Kartenzahlungen ein Geschäftsmodell, das auf einem Two-sided-Market, einem zweiseitigen Markt, basiert. Dieser zweiseitige Markt ist umso effizienter, je mehr Nutzer es auf beiden Seiten gibt: Beide Marktteilnehmer profitieren dann vom steigenden Nutzen. Zwischen den Marktteilnehmern bindet sich die "Plattform", im Kartengeschäft das jeweilige Scheme. Ihr Bestreben geht dahin, beim Start eines derartigen zweiseitigen Netzwerks beide Kundengruppen parallel zu entwickeln und bei der folgenden Expansion geschäftspolitisch ein Gleichgewicht zwischen den Beiträgen der Kundengruppen herzustellen, um längerfristig beide zufriedenzustellen. Dieser Ausgleich erfolgte und erfolgt im Kartengeschäft durch die Interchange Fee - vorerst lange Jahre am Markt und seit dem 9. Dezember 2015 per Regulierung.

Die Interchange Fee gibt es, seit es das Kartengeschäft auf Basis von Vier-Parteien-Systemen (Issuing Bank - Karteninhaber - Akzeptant - Acquiring Bank) gibt. Sie fließt von der Acquring Bank (in der es ein Teil des vom Akzeptanten zu zahlenden Entgelts ist) an die Issuing Bank.

Die Interchange Fee ist der finanzielle Ausgleichsmechanismus zwischen Issuing Bank und Acquiring Bank, um zur Deckung der Kosten des Kartenzahlungsverkehrs beizutragen, die vor allem bei der Issuing Bank anfallen. Sie wurden von den an einem Kartensystem teilnehmenden Banken oder vom Kartensystem selbst fixiert. Nur selten wurde - was möglich war - die Interchange Fee bilateral zwischen den teilnehmenden Banken fixiert. Diese festgelegten/vereinbarten Interchange Fees, die tendenziell höher waren als die Deckelung der Verordnung, sind in der EU-Makulatur geworden.

Kostensenkung für Akzeptanten, Ertragseinbußen für Emittenten

Die Konsequenzen der Senkung der Interchange Fee wirkten sich sowohl im Acquiring als auch im Issuing aus. Aufgrund des im Kartengeschäft auf der Acquiring-Seite bestehenden Wettbewerbs kam es bald - in vielen Fällen schon vor dem Inkrafttreten der Verordnung - zu einer Reduktion des von den Akzeptanten zu zahlenden Entgelts. Dies geschah durch eine Verminderung der vereinbarten Provision oder im Falle der separaten Verrechnung der Interchange Fees (Interchange +) durch deren Reduktion auf die Verordnungshöhe.

Für die Akzeptanten - Handels- und Dienstleistungsbetriebe - war dies ein Meilenstein bei der Kostensenkung des bargeldlosen Zahlens am realen und virtuellen PoS. Ob und in welchem Umfang eine solche Kostenreduzierung durch den Handel an die Konsumenten weitergegeben wird, lässt sich empirisch nur schwer ermitteln.

Eine andere Konsequenz der Verordnung über die Interchange Fees stellt sich seither Schritt für Schritt heraus: für die Issuing Bank bedeutet es eine massive Ertragseinbuße.

Ein Milliarden-Euro-Dokument

Die Kostenminderung für die Akzeptanten und die Ertragseinbußen für die Issuing Bank sind je nach Land unterschiedlich - abhängig von der Höhe der vorher verrechneten Interchange Fees und dem Verhältnis Debitkartenzahlungen versus Kreditkartenzahlungen.

Die Gesamthöhe, um die es da in der EU geht, ist daher nur schwer zu beziffern. In jedem Fall ist die Verordnung (EU) 2015/751 ein "Milliarden-Euro-Dokument".

In Deutschland dürfte der "shift of money" zugunsten der Akzeptanten und zulasten der Issuing Bank laut Berechnungen von Paysys Consultancy rund 460 Millionen Euro pro Jahr (Stand 2014) betragen.

Dabei sind die Herausgeber von Debitkarten nur geringfügig betroffen. Bei Kreditkarten ergibt sich jedoch ein durchschnittlicher Erlösrückgang von rund 12,25 Euro pro Karte.

Teilweise durch die Niedrigzinsen kompensiert

Zurzeit werden diese Verluste noch etwas durch das niedrige Zinsniveau kompensiert. Dadurch verringern sich die Vorfinanzierungskosten bei den meist als Charge Cards emittierten Kreditkarten. So bedeutet ein Rückgang der Zinssätze von fünf Prozent auf null Prozent für eine derartige Karte mit einem jährlichen Umsatz von 2 400 Euro und einer vierwöchigen Zahlungsfrist eine Kostensenkung von fünf Euro pro Karte. Die volle Last der Interchange-Senkung wird den Markt also erst dann treffen, wenn die Zinsen wieder klettern.

In Österreich und der Schweiz dürfte die Ertragseinbuße der Issuing Banken jeweils in etwa zehn Prozent des deutschen Wertes betragen. Für die EU insgesamt schätzt die Europäische Kommission den Rückgang der Issuer-Erlöse auf sechs Milliarden Euro. Angesichts steigender Kartenumsätze steigt diese Summe im Zeitverlauf an.

Business Case für Emittenten infrage gestellt

Der bisherige Erfolg der Kartenzahlungen ging im Wesentlichen auf die positiven Nutzeffekte der Karteninhaber und der Kartenakzeptanten zurück. Diese Nutzeffekte (mehr Karteninhaber/mehr Akzeptanten) wurden erreicht, weil diejenigen, die dafür gesorgt haben - nämlich die Issuing Bank und die Acquirer - positive Business Cases hatten.

Für die Issuing Bank ist der Business Case durch die massive Ertragsreduktion nunmehr infrage gestellt. Die logischen Folgen sind, da sich eine Karten emittierende Bank heute kaum mehr eine Quersubventionierung erlauben kann,

- die Erhöhung einer/mehrerer Preiskomponenten für den Karteninhaber,

- eine Servicereduktion und/oder

- der Wegfall von Zusatzleistungen.

Das bargeldlose Zahlen wird für Verbraucher teurer

Damit ergibt sich eine Konsequenz, die fast jeden Europäer betrifft: Das bargeldlose Zahlen wird für die Verbraucher teurer. Aber das war ja immer schon klar, wie die von Nobelpreisträger Milton Friedman populär gemachte Redewendung "there is no such thing as a free lunch" besagt. Sollte es nicht gelingen, nennenswerte Gebührensteigerungen bei den Kunden durchzusetzen, dann wäre für eine Issuing Bank der Business Case infrage gestellt. In diesem Fall kann der Ausstieg aus dem Issuing für sie eine Option sein.

Angesichts der Bereitschaft der Gesellschaft, den Weg in Richtung einer Less-Cash-Society weiter zu gehen und der gegenwärtigen Dynamik der Zahlungsverkehrsentwicklung braucht das Kartengeschäft auf seinen zweiseitigen Märkten wie kaum ein anderes Business nicht nur für die Karteninhaber und Kartenakzeptanten positive Nutzeffekte, sondern positive Business Cases für Issuing Bank und Acquirer. Nur wenn die Geschäftsmodelle nachhaltig (positiv) sind, wird es möglich sein, das Kartengeschäft der Zukunft innovativ weiterzuentwickeln.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien, ewald.judt[at]wu.ac[dot]at. Dr. Malte Krüger ist Professor an der Hochschule Aschaffenburg, malte.krueger[at]h-ab[dot]de.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Prof. Dr. Malte Krüger , Technische Hochschule Aschaffenburg, Aschaffenburg
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