Pay Before

Dr. Ewald Judt, Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien

Quelle: Wirtschaftsuniversität Wien

Pay-Before-Produkte sind Zahlungsmittel, die vorweg mit einem Betrag aufgeladen werden. Aus diesem Guthaben können danach bis zu dessen Verbrauch Zahlungen geleistet werden. Wer Ende des vorigen Jahrhunderts gedacht hatte, dass angesichts einer doch bereits weitgehenden Marktabdeckung durch Debitund Kreditkarten Pay-Before-Produkte keine Verbreitung erlangen werden, wurde durch die Tatsache, dass sie bis heute wachsen, eines Besseren belehrt. Heute gibt es eine große Anzahl erfolgreicher Pay-Before-Produkte unterschiedlichster Art, die komplementär zu Debit- und Kreditkarten bislang kartenresistente Marktnischen abdecken.

Am Markt etabliert

Pay-Before-Produkte sind nicht neu. Ihren Ursprung hatten diese Produkte im Kreditbrief, wo von einer Bank an einem Ort über einen eingezahlten Geldbetrag ein Kreditbrief ausgestellt wurde und dieser bei einer Korrespondenzbank an einem anderen Ort eingelöst werden konnte. Nachfahren dieses Kreditbriefs als Pay-Before-Produkte waren der Reisescheck sowie Geschenkgutscheine und -münzen. Ihren Aufschwung in anderer Form haben sie gegen Ende des 20. Jahrhunderts in mannigfacher Form genommen.

Elektronische Geldbörsen1) , die Offline-Zahlungen aus dem damals neuen Kartenchip heraus ermöglichten, Prepaid-Karten2) mit Kredit- oder Debitkarten-Akzeptanzlogos und somit weltweiter Akzeptanz (Open-Loop-Produkte) oder mit Akzeptanz nur in mehr oder weniger geschlossenen Bereichen (Closed-Loop-Produkte) sowie Prepaid-Voucher für Zahlungen im Internet haben sich am Markt etabliert. Sie wurden zu der am häufigsten genutzten Form des E-Gelds.

Unterschiedliche Trägermedien

Neben dieser nutzungsorientierten Einteilung kann man Pay-Before-Produkte nach deren Konzeption unterscheiden in solche, bei denen der Geldwert auf dem Chip dokumentiert ist (und daher eine Offline-Transaktion die Regel sein wird), und solche, bei denen der Geldwert auf einem zentralen Server gespeichert ist, von dem das jeweilige Guthaben abgerufen werden kann (was eine Online-Transaktion notwendig macht).

Träger von zentral in einem EDV-System verwalteten Pay-Before-Lösungen können Prepaid-Karten oder Prepaid-Voucher sein. Wenn hier der Terminus technicus "Karte" verwendet wird, so wird darunter nicht nur das Trägermedium "Karten" verstanden, sondern es sind auch andere Trägermedien, die zu Transaktionen à la Karten führen, inkludiert. Im Übrigen kann davon ausgegangen werden, dass es im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung des Zahlens zu erwarten ist, dass in Bälde alle Pay-Before-Formen auch breitflächig über ein Smartphone genutzt werden können.

Elektronische Geldbörsen mehrheitlich wieder eingestellt

Die elektronische Geldbörse wurde mit dem Wechsel von Magnetstreifen auf Chip als Add-on auf der Debitkarte eingeführt und in der Folge auch auf Wertkarten platziert. Bei ihr wird vorweg ein Betrag - meist an einem Geldausgabeautomaten, einem PoS-Terminal oder an einem speziellen Ladeterminal - auf die elektronische Geldbörse geladen.

Gedacht sind derartige Karten für die Offline-Zahlung (ohne Betragsautorisierung) von Klein -und Kleinstbeträgen vom Chip weg ohne Karteninhaberverifizierung (wie zum Beispiel durch Code-Eingabe oder Unterschrift) bis zum geladenen Betrag. Sie sollen insbesondere Münzzahlungen ersetzen. Sie wurde - typisch für Europa - in einer Reihe von europäischen Ländern in unterschiedlichen Ausprägungen eingeführt. Nach einem anfänglichen Boom wurde die Mehrheit von ihnen wieder eingestellt. In Deutschland gibt es sie heute noch als "Geldkarte"/"girogo" und als "Quick" in Österreich. In der Schweiz wurde "Cash" Ende 2013 eingestellt.

Prepaid-Karten für Privat- und Firmenkunden

Obwohl heute jeder Europäer zumindest eine Zahlungskarte - meist mit Brands der Zahlungssysteme von Mastercard International oder von Visa International - hat, kommen immer mehr Prepaid-Karten in Umlauf. Sie werden von Lizenznehmern der beiden erwähnten Zahlungssysteme mit deren Brands als Open Loop Cards ausgegeben. Sie können - nach vorhergehender Ladung - wie normale Debit- oder Kreditkarten eingesetzt werden. Zahlungen oder Bargeldbezüge sind überall dort möglich, wo auch die Debit- oder Kreditkarten dieser Systeme akzeptiert werden.

Prepaid-Karten decken bereits heute ein breites Spektrum von Karten ab, die sich unterschiedlichsten Marktnischen widmen. Sie werden zum Beispiel ausgegeben an: Kunden mit nicht ausreichender Bonität; Minderjährige, die zum Beispiel ein Schuljahr in den USA verbringen, wobei die Dotation durch die Eltern erfolgt; Kunden als besonders aufzubewahrende "Reserve" bei Reisen anstelle von Reiseschecks, wobei die Dotation vor der Reise vorgenommen wird; Immigranten für den Geldtransfer in ihre Herkunftsländer (Remittance Cards).

Sie werden aber auch im Firmenkundenbereich an Lkw-Fahrer von Speditionen ausgegeben, wobei die Dotation vor jeder Tour vom Unternehmen routenspezifisch vorgenommen werden oder in dringenden Fällen jederzeit erfolgen kann. Auch Fluglinien zahlen Fluggastentschädigungen am Flughafen mehr und mehr mittels Prepaid-Karten (Compensation Cards).

Aber auch im staatlichen Bereich können mit Prepaid-Karten Bereiche abgedeckt werden, die bislang durch kosten- und arbeitsintensive Barauszahlungen gekennzeichnet waren.

Weitere Beispiele für Prepaid-Karten sind im B2B-Bereich Promotion Cards und Gift Cards, die von Unternehmen an Private verschenkt oder verkauft werden. Darüber hinaus sind der Phantasie keine Grenzen für innovative Zwecke gesetzt. Wenngleich Prepaid-Karten nicht gerade im Fokus von Banken stehen, bieten sie doch eine Reihe von Erfolg versprechenden Marktchancen und Marketingmöglichkeiten.

Closed-Loop-Karten und Voucher

Andererseits gibt es mehr und mehr Prepaid-Karten, die von Dritten unter einem Private Label ausgegeben werden. Derartige Closed Loop Cards setzen auf einen mehr oder weniger geschlossenen Benutzerkreis und weisen daher nur eine eingeschränkte Akzeptanz auf. Auf diese Art und Weise werden vielfach die früher üblichen Geschenkmünzen oder Geschenkgutscheine durch Prepaid-Karten ersetzt. Dies kann durch ein Unternehmen (für Zahlungszwecke nur bei diesem Unternehmen einsetzbar) oder zum Beispiel durch ein Shoppingcenter (für Zahlungszwecke bei allen Unternehmen des Shoppingcenters einsetzbar) erfolgen.

Prepaid Voucher sind ein weiteres Pay-Before-Produkt, wobei das gegen Ende des 20. Jahrhunderts eingeführte Verfahren eine Weiterentwicklung des damals bereits gelebten Modus zur Nutzung von Handys auf Prepaid-Basis war. Der Kunde kauft ein Guthaben in einem realen oder virtuellen Shop und erhält dafür eine Nummer auf einem Voucher, mit der er im Internet in all diesen Zahlungsbrand akzeptierenden Internetshops zahlen kann. Derartige Zahlungstransaktionen sind online und reduzieren das Guthaben entsprechend. Ist es erschöpft, kann ein neues Guthaben mit einer anderen Nummer erworben werden. Derartige Prepaid Voucher können auf Basis des Akzeptanzbrands eines der großen Zahlungssysteme (zum Beispiel "cash4web" mit Mastercard) oder des Brands eines auf Prepaid Voucher fokussierten Zahlungsdienstleisters (zum Beispiel "paysafecard") erfolgen.

Alle diese Pay-Before-Produkte werden von unterschiedlichen Zielgruppen für unterschiedliche Zwecke eingesetzt und werden sich trotz des klassischen Pay-Now-Zahlens mit Debitkarten oder des Pay-Later-Zahlens mit Kreditkarten je nach Ausprägung weiterentwickeln - und zwar je nach Ausprägung unterschiedlich. Insgesamt kann angesichts des erstaunlich hohen Interesses an Pay-Before-Produkten und des zurzeit noch relativ niedrigen europäischen Pay-Before-Marktvolumens in den nächsten Jahren weiter mit hohen Wachstumsraten gerechnet werden.

Fußnoten

1) Siehe dazu Judt, E., und Aigner, B., Bankmanagement-Glossar "Electronic Purse", in: bank und markt 9/2003.

2) Siehe dazu Judt, E., und Aigner, B., Bankmanagement-Glossar "Prepaid Cards", in: bank und markt 4/2006.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien, ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Walter Bödenauer ist Prokurist der PayLife Bank, Wien, walter.boedenauer[at]paylife[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
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