Zahlverhalten

Ein anderer Markt

Noch immer kann Pawel Rychlinski, Mastercard-Card-Chef in Deutschland, den deutschen Zahlungsverkehrsmarkt nicht recht begreifen. Daran, dass noch immer viele Händler in Deutschland als einzige Karte die Girocard akzeptieren, stört er sich schon von Amts wegen. Doch auch als Kunde zieht er immer wieder - zum Beispiel in cards Karten cartes 2/2014 und unlängst wieder in der Dezember-Ausgabe der Zeitschrift "Der Handel" - den Vergleich zu seinem Heimatland Polen, wo die Kreditkartenakzeptanz wie auch das kontaktlose Zahlen sehr viel stärker verbreitet sind als in Deutschland.

Dieser Vergleich hinkt freilich. Denn in den osteuropäischen Märkten, in denen es nie nationale Debitsysteme gegeben hat, ist es nur natürlich, dass die internationalen Verfahren eine weit höhere Verbreitung haben als dort, wo eine starke nationale Infrastruktur besteht. Dass dann auch die von diesen internationalen Verfahren genutzten neuen Technologien sich entsprechend rascher verbreiten, ist die logische Konsequenz.

Das heißt nicht, dass nicht auch in Deutschland mehr Möglichkeiten zum kontaktlosen Bezahlen durchaus sinnvoll sein könnten. Auch die deutsche Kreditwirtschaft könnte an dieser Stelle zweifellos mehr aufs Tempo drücken.

Gar so gruselig, wie sie Rychlinski empfindet, sind die Service-Erlebnisse beim Bezahlen für die Mehrheit der Kunden in Deutschland aber vielleicht doch nicht. Dass man nicht überall mit Kreditkarte zahlen kann, stört den Durchschnittsbürger nicht - zu erkennen schon daran, dass auch dort, wo man Lebensmittel und andere Produkte mit Kreditkarte bezahlen kann, diese nur in vergleichsweise wenigen Fällen gezückt wird. Der Deutsche, so formuliert es Concardis-Chef Rainer Sureth immer wieder, mag nun einmal seinen Käse nicht mit Kreditkarte bezahlen.

Aber verschenkt der Handel durch die mangelnde Kreditkartenakzeptanz nicht enorme Umsatzpotenziale bei jenen Kunden, die nur eine Kreditkarte als einziges Zahlungsmittel bei sich haben? Mag sein. Aber nicht überall wird der Kundenverlust so hoch sein, wie es Rychlinski unterstellt. Denn bei den Kunden ohne Euro-Bargeld und ohne Kreditkarte handelt es typischerweise entweder um Geschäftsreisende oder Touristen. Und die Bedürfnisse und Ströme dieser Kundengruppen sind bekannt. Wo sie in größerer Zahl aufschlagen, fehlt es deshalb an der Kreditkartenakzeptanz in der Regel nicht.

Bleibt also das Segment der Expatriates, zu dem auch die Familie Rychlinski zählt: Menschen, die voraussichtlich auf Zeit im Ausland leben und arbeiten und wegen dieser zeitlichen Befristung möglicherweise auf eine Bankbeziehung in Deutschland verzichten. Sie verfügen dann natürlich auch nicht über eine Girocard, die hierzulande - anders als die Kreditkarte - beinahe überall akzeptiert wird. Dann kann es natürlich zu der Situation kommen, dass es ohne Bargeld nicht geht und der Einkauf unterbleiben muss, wenn die Bargeldbestände im Portemonnaie nicht ausreichen.

Zweifellos ist das für den Kunden wie auch den Händler gleichermaßen ärgerlich. Und doch wird es immer eine Einzelfallentscheidung sein, ob dergleichen Fälle so häufig vorkommen, dass sich aus Sicht des Händlers dafür die Kreditkartenakzeptanz lohnt. Denn je nach den individuellen Margen und Konditionen für die Kartenakzeptanz kann der entgangene Kunde für den Händler mitunter sogar wirtschaftlich vorteilhafter sein als einer, der per Karte zahlt. Das mag sich mit den regulierten Interchange-Sätzen ändern. Dann könnte sich das Bild jedoch in anderer Hinsicht umkehren: Denn dann wird aus Sicht so manches Kartenemittenten jede Transaktion zum Zuschussgeschäft. Ob Deutschland durch die Regulierung zum Kreditkartenmarkt wird, ist also noch lange nicht ausgemacht. sb

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