Märkte

Irreführende Statistiken?

Kartenumsatz in- und ausländischer Karteninhaber in Deutschland 2006 bis 2015 in Milliarden Euro Quelle: Paysys

Der Umsatz mit Zahlungskarten ist 2015 in Deutschland um 17 Milliarden Euro auf 315 Milliarden Euro (plus 5,7 Prozent) gestiegen. Zu diesem Ergebnis kommt die Unternehmensberatung Paysys GmbH, Frankfurt am Main, in ihrer jährlich herausgegebenen Kartenmarktstatistik Deutschland. Einbezogen wurden Kartenumsätze, die in Deutschland von in- und ausländischen Karteninhabern in sämtlichen Branchen (nicht nur Einzelhandel) am physischen PoS sowie im E-Commerce getätigt wurden (Acquiring-Pers pektive).

Nach einem schwachen Anstieg im Jahr 2014 (2,1 Prozent) erreichte der Kartenmarkt in Deutschland 2015 demnach wieder eine ähnliche Wachstumsrate wie in den Vorjahren 2012 und 2013. Längerfristig flachen die jährlichen Wachstumsraten im Kartengeschäft der höheren Ausgangsbasis wegen allerdings allmählich ab und erreichen keine zweistellige Höhe mehr.

Die größten Wachstumstreiber 2015 waren die Kreditkarten (plus 11 Prozent) und ELV (plus 10,2 Prozent). Bereits 24 Prozent des Kartenumsatzes werden in Deutschland mittlerweile mit einer Kreditkarte getätigt. Das deutsche Debitkartenverfahren Girocard blieb dagegen mit einem Plus von "nur" 1,9 Prozent deutlich zurück. Die Ursache für das kräftige Wachstum im Bereich der Kreditkarten ist bekannt: Bereits im Vorfeld der europäischen Interchange-Regulierung wurden die Händlerentgelte für große Einzelhandelsketten gesenkt, was bereits seit dem Frühjahr 2015 die Kreditkartenakzeptanz auch bei Discountern oder Baumärkten zur Folge hatte. Diese Ausweitung der Kreditkartenakzeptanz führte zu dem genannten Wachstumsschub bei Kreditkartenumsätzen.

Substitutionseffekte (Kreditkarte statt Girocard) haben infolge dessen zum geringeren Wachstum bei den Debitkartenumsätzen beigetragen. Zudem war der regulierungsbedingte Preiseffekt in diesem Segment wesentlich geringer, da die Issuer-Vergütung durch die direkten Händlerentgelte bereits Anfang 2015 unter 0,3 Prozent gesunken war.

Innerhalb der Marktsegmente verzeichnet das Debitverfahren der deutschen Kreditwirtschaft deutliche Unterschiede. Dabei konnte das Wachstum im Handel (plus 5,3 Prozent) den starken Rückgang im Tankstellenbereich (minus 17,6 Prozent) insgesamt kompensieren. Den wiederum erklärt Paysys zum einen mit den gesunkenen Benzinpreisen sowie einer massiven Verlagerung von Girocard auf ELV, nachdem die damaligen Händlerentgelte für diese Branche in Höhe von 0,2 Prozent durch die Interchange-Verordnung nicht erneut gesenkt werden mussten.

Ein Wettbewerb des nationalen Debitkartensystems mit den internationalen Debitkarten-Brands Maestro und V-Pay ist in der Statistik noch nicht spürbar. Für beide haben sich die extremen Wachstumsraten der Vorjahre (bedingt durch die Ausdehnung der Akzeptanz) im Bereich von etwa sieben bis acht Prozent "normalisiert". Insgesamt ist der Anteil dieser Debitmarken noch gering. Das PoS-Umsatzverhältnis der internationalen Brands zu Girocard beträgt 3 zu 97.

Entgegen den Prognosen stieg der ELV-Umsatz nicht nur im Tankstellenbereich (plus 31 Prozent), sondern auch im Handelsbereich (plus 9 Prozent), obwohl sich das relative Preisverhältnis zum Konkurrenten Girocard wegen der Interchange-Senkung verschlechterte. Das in Deutschland beliebte ELV-Verfahren hat demnach an Attraktivität keineswegs verloren.

Die Verlierer 2015 sind die Geldkarte (minus 7,8 Prozent), die Handelskundenkarten (minus 3,2 Prozent) und die Tankkarten (minus 2,5 Prozent). Der Rückgang bei den Tankkarten ist jedoch nicht strukturbedingt, sondern eine Folge der Mineralölpreisentwicklung.

Gemessen an den Konsumausgaben der privaten Haushalte beziffert Paysys das Potenzial für das Kartengeschäft in Deutschland auf etwa 560 Milliarden Euro. Über ein Drittel der Konsumausgaben (36 Prozent) wurde 2015 mit Karte bezahlt. Dieser Anteil lag vor zehn Jahren noch bei etwa 23 Prozent

Das eigentlich Interessante an der im Januar veröffentlichten Paysys-Kartenmarktstatistik ist das Abweichen von den offiziellen Statistiken, an deren Plausibilität deutliche Zweifel angemeldet werden. So hatte die Statistik der deutschen Kreditwirtschaft 2015 überraschend ein Umsatzminus in Höhe von 3,4 Prozent für das Girocard-Verfahren ausgewiesen, ohne dafür eine wirkliche Erklärung zu liefern. Dies deckt sich laut Paysys nicht mit den Angaben der Netzbetreiber, die nahezu alle 2015 bei Girocard eine Zunahme verzeichneten. Auch angesichts der Tatsache, dass die DK für 2016 wieder zweistellige Wachstumsraten ausweist, sei die statistische Delle für 2015 wenig plausibel.

Auch an dem Bild, das sich aus der Statistik der Bundesbank (und damit auch der EZB) ergibt, vor allem nach der Umstellung der Methodik seit 2014, meldet Hugo Godschalk Zweifel an. Auf der Issuing-Seite (deutsche Karten im Inland) bleibt der Kaufumsatz am PoS (inklusive E-Commerce) 2015 nahezu unverändert, auf der Acquiring-Seite (Kartenumsatz in Deutschland inländischer Karten am physischen PoS ohne E-Commerce) zeigt die Statistik dagegen einen dramatischen Einbruch um 15,6 Prozent. Gleichzeitig meldet die Bundesbank auf der Issuing-Seite einen ebenfalls dramatischen Rückgang des Kartengeschäftes im E-Commerce (minus 21,3 Prozent).

Diese widersprüchliche Entwicklung des inländischen Kartengeschäftes aus der Issuing- und Acquirerperspektive, so Godschalk, ist mathematisch nahezu unmöglich. Die Erfahrung zeigt außerdem, dass es im Kartengeschäft keine derartigen umwälzenden Veränderungen innerhalb einer Zeitspanne von einem Jahr gibt, mögen sich mitunter auch Sondereffekte bemerkbar machen, wie etwa der deutliche Ausbau der Kreditkartenakzeptanz bereits 2015.

Erstmalig meldet die Bundesbank ab 2014 auch Zahlen für ELV ("karteninduzierte Lastschriften"): 119,5 Milliarden Euro (2014) beziehungsweise 112,4 Milliarden Euro (2015). Nicht nur der Rückgang ist überraschend, sondern vielmehr der Umfang. Es würde bedeuten, dass rund 40 Prozent des ELV-Umsatzes nicht über die Terminals der ec-cash-Netzbetreiber abgewickelt werden. Das scheint wenig realistisch. Auch diese Zahlen brauchen eine erhebliche Korrektur, fordert Paysys. Zumindest sind sie offenbar erklärungsbedürftig. Red.

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