Innovationen

Kein Run auf NFC-Chip-Implantate

Sascha Breite, Head Future Payments SIX Payment Services AG, Zürich

Die Abschaffung des Bargeldes durch neue elektronische Bezahlmöglichkeiten ist in aller Munde. Immer mehr Banken geben kontaktlose Karten aus und die Zahl der Händler, die NFC (Near Field Communication)-Karten akzeptieren, wächst stetig. Warum also nicht eine Micro-Kredit- oder Debitkarte, wie es sie als sogenannte Wearables bereits gibt, als Chip in die Hand oder im Oberarm implantieren? Klingt nach Science-Fiction? Ist es aber nicht, denn laut Pro 7 soll es weltweit bereits 50 000 solcher "Cyborgs" geben.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Von einem echten Trend kann bei Chip-Implantaten noch keine Rede sein. Wir erleben derzeit vereinzelte Selbstversuche bei begeisterten Techies und Innovatoren, die aus unterschiedlichen Gründen neue Erfahrungen suchen und uns zeigen, welche Chancen die Zukunft bietet, aber auch, welche Herausforderungen es noch zu meistern gilt.

Körper als Ziel von Hacker-Angriffen?

Gemäß einer Umfrage des IT-Sicherheitsunternehmens Kaspersky Lab vertraut knapp die Hälfte der deutschen Bevölkerung der NFC-Technologie und wäre bereit, diese in bestimmten Situationen einzusetzen. 49 Prozent der Deutschen lehnen es jedoch noch kategorisch ab, sich Chips unter die Haut pflanzen zu lassen. Europaweit sind es nur 29 Prozent. Parallel zu dieser Entwicklung steigt die Zahl der kontaktlosen Zahlungen stetig. Wenn es jedoch zu Implantaten kommt, scheiden sich die Geister. Und unter den möglichen Anwendungsszenarien rangiert das Bezahlen eher unter "ferner liefen". Am ehesten können sich Europäer den Einsatz für medizinische Belange oder das Absetzen eines Notrufs (51 beziehungsweise 41 Prozent) vorstellen.

Für implantierte NFC-Chips gibt es mannigfaltige Einsatzbereiche. Man denke beispielsweise an das Öffnen der Auto- oder Haustür, bequemes Bezahlen an der Supermarktkasse, Zutritt zu gesicherten Bereichen oder das Ein- und Auschecken im öffentlichen Nahverkehr. Ebenso könnte das Mobiltelefon automatisch bestimmte Aktionen ausführen, wenn es in die Hand genommen wird, zum Beispiel sich entsperren oder in Abhängigkeit vom Kontext mit einem Lautsprecher verbinden. Hört sich überzeugend an und kann tatsächlich den Komfort steigern - vorausgesetzt, die passende Infrastruktur ist vorhanden.

Auf NFC-Chips lassen sich verschiedene Datensätze speichern, wie etwa medizinische Daten, Kontonummern, Zugangsoder Kontaktdaten. Hacker könnten Angriffsszenarien entwickeln und unbemerkt diese sensiblen Daten abzugreifen versuchen. Die mit einem Chip versehene Hand müsste nur in die Nähe eines NFC-Lesers geführt werden. Schutz bietet - wie bei jedem anderen NFC-Device auch - die PIN-Eingabe. Im Unterschied zu Karten, Uhren oder Handys lässt sich ein implantierter Chip bei Nichtgebrauch wohl schwierig in einen Safe legen.

Immer wieder neue Eingriffe

Der aktuelle Stand der technologischen Entwicklung beschränkt den möglichen Einsatz. Ein Chip lässt sich nach dem Implantieren mit neuen Daten beschreiben, die gleichzeitige Nutzung für verschiedene Anwendungen und sichere Kartenzahlungen ist damit jedoch nicht möglich.

Der Chip müsste vor dem Implantieren als Visa- oder Mastercard programmiert und personalisiert werden, was später nicht mehr geändert werden kann. Zudem würde der Chip nach zwei bis drei Jahren seine Gültigkeit als Karte verlieren und müsste ausgetauscht werden. Der Nutzer müsste eine Prozedur von Entfernen und Implantieren über sich ergehen lassen.

Wenig Nutzen für "normale Nutzer"

Trendforscher sind überzeugt, dass sich die NFC-Technik in vielfältigen Anwendungsfällen durchsetzen wird. Das "Internet der Dinge" gibt diesem Trend weiter Aufwind, da es eine bequeme und sichere Identifikation des Nutzers zulässt. Realistisch betrachtet wird sich die NFC-Chip-Technologie weiterentwickeln und zwangsläufig Hardware-Upgrades erforderlich machen - sprich, das Auswechseln von Implantaten.

In den nächsten Jahren werden wir keinen Run auf NFC-Chip-Implantate erleben. Abgesehen von der eher unangenehmen Prozedur des Implantierens, sind mit dem aktuellen Stand der Technik sowie der in den Kinderschuhen steckenden Infrastruktur für den "normalen Nutzer" zu wenige Vorteile damit verbunden. Die NFC-Technologie als solches wird ihren Siegeszug weiter fortführen und über Zahlkarte und Smartphone hinaus kreative Formfaktoren annehmen.

Sascha Breite, Head Future Payments SIX Payment Services AG, Zürich

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