Regulierung

Die Auswirkungen des Brexit auf den Zahlungsverkehr

Nils Purwin, Zahlungsverkehrsexperte, PPI AG, Hamburg

Mit dem Brexit werden nicht nur Kreditinstitute, sondern auch E-Geldinstitute und Zahlungsinstitute den EU-Pass beziehungsweise die Zulassung in Großbritannien verlieren und müssen sich überlegen, ob sich der Neuantrag oder ein Standortwechsel lohnt, so der Autor. Auch das Zahlungsverkehrsrecht wird sich bei grenzüberschreitenden Zahlungen von und nach Großbritannien verändern. Damit gewinnt der Auslandszahlungsverkehr an Bedeutung. Und der Gestaltungsspielraum zur Erhebung von Entgelten wird wieder größer. Red.

Nach dem Referendum zum Austritt des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland im Juni 2016 hat die britische Regierung am 29. März 2017 den Austrittsbeschluss nach Artikel 50 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dem Europäischen Rat mitgeteilt. Mit dem Austrittsgesuch begann eine Verhandlungsperiode über den Austritt, die am 31. März 2019 endet.

London strebt weiterhin den "harten Brexit" an. Als solcher wird der Austritt aus dem europäischen Binnenmarkt, der Zollunion und dem Europäischen Gerichtshof verstanden. Es handelt sich um das erste Gesuch dieser Art. Dementsprechend ist es vorab nicht möglich, den Verfahrensablauf sowie den Ausgang der Verhandlungen vorherzusehen. Als sicher gilt allerdings, dass die vorgesehen Verhandlungsperiode im beiderseitigen Einvernehmen verlängert wird.

Wirtschaftliche Zusammenarbeit: Welche Optionen hat die EU?

Es sind noch viele Fragen offen, was den Brexit betrifft. Beispielsweise, ob im Rahmen eines "harten Brexits" das Vereinigte Königreich ebenfalls aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) austritt. Die Frage stellt sich, da es auf Basis des AEUV verpflichtet war, in den EWR beizutreten, aber die Mitgliedschaft im EWR nicht an die Mitgliedschaft in der Europäischen Union (EU) geknüpft ist.1)

Stellt das Vereinigte Königreich keinen Antrag auf Austritt aus dem EWR, ändert sich aus Sicht der Finanzdienstleister nur wenig, da der EWR die meisten Regulierungen in diesem Bereich adaptiert hat.2)

Außerdem bestehen noch drei weitere Möglichkeiten für eine weitere wirtschaftliche Zusammenarbeit der EU mit dem Vereinigten Königreich:

- Eintritt des Vereinigten Königreichs in die Europäische Freihandelsassoziation (EFTA),

- Vereinbarung von bilateralen Abkommen zwischen dem Königreich und der EU,

- Wirtschaftliche Zusammenarbeit ohne Basis von bilateralen Abkommen.

Neben dem automatischen Verbleib im EWR ist der Eintritt Großbritanniens und Nordirlands in den EFTA die beste Option für die Stabilität des Binnenmarkts. Dadurch besteht für Großbritannien wiederum die Möglichkeit, erneut in den EWR einzutreten. London könnte jedoch auch das Schweizer Modell wählen. Dies würde bedeuten, dass kein Antrag auf Eintritt in den EWR gestellt wird, der Freihandel sich auf das EFTA-Territorium beschränkt und eine Adaption der EU-Regularien dort stattfindet, wo es für den Heimatmarkt sinnhaft ist. Sollte die britische Regierung zu dem Schluss kommen, dass ein Eintritt in den EFTA nicht von Vorteil ist, steht es ihr und Brüssel frei, bilaterale Abkommen für einzelne Teilbereiche zu treffen.

Die dritte Option ist für alle Beteiligten die denkbar schlechteste. Dies begründet sich darin, dass in einem solchen Fall hohe Hürden für den Waren- und Dienstleistungsverkehr aufgebaut werden und im schlimmsten Fall der Handel zwischen den Parteien zum Erliegen kommt.

Betrachtet man die Interessen der EU, kommt man zu dem Ergebnis, dass bilaterale Abkommen mit dem Vereinigten Königreich langfristig keine Lösungen darstellen. Sie könnten Präzedenzfälle für weitere Austritte aus der Union schaffen und somit zur Schwächung derselben auf dem Weltmarkt beitragen. Auch wenn das Vereinigte Königreich auf diverse bilaterale Abkommen mit der EU oder einzelnen Mitgliedsstaaten drängt, insbesondere im Rahmen der Finanzdienstleistungen, sollte Brüssel einen harten Kurs fahren und auf einem Verbleib Britanniens im EWR oder einem erneuten Eintritt in den EWR bestehen.

Weniger Institute unter EBA-Aufsicht

Bei Finanzdienstleistungen bringt der "harte Brexit" sowohl aufsichts- als auch zivilrechtliche Änderungen mit sich. Diese betreffen vor allem London. Die Stadt ist aufgrund ihrer Verbindung zu den Vereinigten Staaten einer der wichtigsten Finanzplätze in der Europäischen Union. So bietet sie gerade durch ein wesentliches Merkmal der EU, die Arbeitnehmerfreizügigkeit, und den damit verbundenen europäischen Pass3) für Unternehmen einen wichtigen Gegenpol zu den Finanzmetropolen in Übersee.

Der Austritt aus dem Binnenmarkt hat zur Folge, dass vier vom Financial Stability Board (FSB) als systemrelevant eingestufte Institute innerhalb der Europäischen Union nur noch mittelbar von der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) kontrolliert werden.4) Kommen jetzt fünfzehn der insgesamt 31 systemrelevanten Institute aus Europa, werden es nach dem Brexit nur noch elf sein.5) Das bedeutet eine Risikoverschiebung der Finanzmarktstabilität in Richtung USA, die mit acht entsprechend kategorisierten Instituten zwar weniger Institute als die Europäische Union aufweisen, aber mit der Citigroup und JP Morgan Chase die einzigen der höchsten FSB-Kategorie beaufsichtigen.

E-Geld-Institute und Zahlungsdienstleister verlieren europäischen Pass

Neben dieser Verschiebung der systemrelevanten Häuser beaufsichtigt die EBA nach dem Brexit auch noch 226 Kreditinstitute nicht mehr. Des Weiteren verlieren 66 Institute aus den verbliebenen Europäischen Staaten mit ihrem europäischen Pass ihre Zulassung und müssen entweder ihr Geschäft im Vereinigten Königreich einstellen oder eine entsprechende Zulassung bei der Financial Conduct Authority (FCA) beantragen.6) Hinzu kommen noch 76 Kreditinstitute, die ihren Hauptsitz außerhalb der europäischen Union haben und auf Basis des europäischen Passes ihre Dienstleistung innerhalb Europas aus dem Vereinigten Königreich heraus erbringen.

Darüber hinaus verlieren außerdem 27 E-Geldinstitute und 115 Zahlungsinstitute mit Wegfall des europäischen Passes ihre Zulassung in England, Wales, Schottland und Nordirland. Im Gegenzug teilen auch die 66 E-Geldinstitute und 284 Zahlungsinstitute dieses Schicksal, die vom Vereinigten Königreich aus ihre Dienstleistungen in anderen Ländern der Europäischen Union erbringen.7)

Zahlungsdienstleister auf Standortsuche

Neben der Frage, ob der Aufwand für die Beantragung der notwendigen Zulassungen vom Geschäftsmodell getragen werden, gibt es noch eine weitere. Die Institute stehen vor der Herausforderung, einen geeigneten Standort zu suchen, an dem sie ausreichend Personal finden, um ihren Geschäften nachgehen zu können.

Zur Auswahl stehen hier die großen Finanzzentren Frankfurt, Luxemburg und Paris, aber auch Standorte wie Brüssel, Wien, Prag oder Dublin können zu einer interessanten Adresse werden. Insbesondere die irische Hauptstadt kann durch ihre kulturelle Nähe zum großen Gewinner des Brexits avancieren.

Brexit verändert Zahlungsverkehrsrecht

Unabhängig von den strategischen Standortentscheidungen der Kreditinstitute und den damit einhergehenden Auswirkungen auf die jeweiligen nationalen Aufsichtsbehörden wird sich durch den Brexit die Zahlungsverkehrslandschaft verändern.

Bei dem Szenario des "harten Brexit" - also ohne den Abschluss von bilateralen Abkommen im Finanzbereich - würden Zahlungen faktisch über Nacht nicht mehr dem Zahlungsverkehrsrecht der Europäischen Union unterliegen. Das bedeutet: Die zweite Zahlungsdiensterichtlinie, MIF-Verordnung, EU-Preisverordnung und die Sepa-VO finden auf Zahlungen in oder aus dem Vereinigten Königreich keine Anwendung mehr und wären solchen aus oder in die Vereinigten Staaten, China, Südafrika oder Russland gleichgestellt.

Insbesondere die innereuropäischen Regelungen für Entgelte und Valutierung gelten nicht mehr für diese Zahlungen. In der Folge könnte dies bedeuten, dass der Zahlungsverkehr in Britischen Pfund teurer wird und mehr Zeit in Anspruch nehmen wird, was den Handel zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich erschwert.

Auswirkungen auf eine künftige European Payment Area

Mit der Ausweitung des Anwendungsbereichs der PSD2 gegenüber der ersten Zahlungsdiensterichtlinie (PSD) wurde der Binnenmarkt konsequent (weiter) vereinheitlicht. Insbesondere die Gleichbehandlung aller europäischen Währungen und somit auch der EWR-Währungen stärkt den Binnenmarkt und dient dem der PSD/ PSD2 zugrundeliegendem Ziel, innereuropäische Zahlungen so einfach, effizient und sicher wie nationale Zahlungen innerhalb eines Mitgliedsstaats zu gestalten.

Somit hat die PSD2 den rechtlichen Grundstein für die Weiterentwicklung der Single Euro Payment Area auf die European Payment Area gelegt, in der nicht nur Euro-Zahlungen abgewickelt werden können, sondern auch alle anderen europäischen Währungen beziehungsweise EWR-Währungen. Der Schritt zu einer European Payment Area wäre nach der PSD2 der nächste logische und konsequente Schritt, um den Binnenmarkt weiter auszubauen und zu stärken.

Im Rahmen dieser kommenden Vereinheitlichungen wäre das Vereinigte Königreich zunächst einmal isoliert und erlitte einen Wettbewerbsnachteil. Auch bei Weiterentwicklungen des Zahlungsverkehrsraums wie der Einführung von Instant Payments wäre es nicht mehr beteiligt und von Eigenentwicklungen abhängig, die höchstwahrscheinlich nicht länderübergreifend funktionieren.

Größerer Gestaltungsspielraum bei der Entgelterhebung

Neben diesen strategischen Ausrichtungen sind die europäischen und englischen Kreditinstitute dazu gezwungen, ihre Zahlungsverkehrsabwicklung an die neue Rechtslage anzupassen. Aus Verbrauchersicht bedeutet dies, dass die Länder- und Währungsgruppen in den Bedingungswerken anzupassen sind. Unweigerlich hat das zur Folge, dass Zahlungen in und aus dem Vereinigten Königreich in den Punkten der Valutierung und der Entgelterhebung im Vergleich zum Status quo anders behandelt werden.

Konkret können hier wieder die Gebührenweisungen OUR und BEN ohne weiteres beauftragt und zur Anwendung gebracht werden. Das Entgeltabzugsverbot gilt ebenfalls nicht mehr, sodass die Gebühren entsprechend eingehalten werden können. Für die Kreditinstitute bedeutet dies im Umkehrschluss, dass sich ein deutlich vergrößerter Gestaltungsraum bei der Entgelterhebung eröffnet.

Zudem sind die Vereinbarungen im Interbankenverkehr an die neue Rechtslage anzupassen. Hier haben die Kreditinstitute einen wesentlich größeren Spielraum, da die PSD2 für das Interbankengeschäft ohnehin keine Anwendung findet und durch den Brexit beispielsweise die Interchange-Verordnung und die EU-Preisverordnung wegfallen, sodass hier ein deutlicher Gebührenanstieg möglich ist.

Des Weiteren wird das Britische Pfund entsprechend den nicht EWR-Währungen wie beispielsweise dem US-Dollar bei der Valutierung und Verfügbarkeit behandelt. Es kann hier zu einer Verzögerung bei der Abwicklung kommen, da die Regelung der unverzüglichen Verfügbarkeit wegfällt.

Entsprechend dieser neuen Rechtslage sind diese Anforderungen in die Zahlungsverkehrs- und Buchungssysteme sowie den Abwicklungsprozess zu implementieren. Kreditinstitute, deren Korrespondenzbank einen Sitz oder eine Dependance im Vereinigten Königreich unterhalten, haben allerdings auch die Möglichkeit, in "Europa" die Gestaltungsmöglichkeiten entsprechend zu ihrem Vorteil zu nutzen. So könnten beispielsweise Beträge in Großbritannien und Nordirland im Rahmen der Zahlungsverkehrsabwicklung zwischengeparkt und dort entsprechend ein Float generiert werden.

Auslandszahlungsverkehr gewinnt an Bedeutung

Bei einem "harten Brexit" werden sich Finanzdienstleister somit entscheiden müssen, ob sie ihre Dienstleistungen aus dem Vereinigten Königreich in die verbliebenen europäischen Staaten verlagern möchten. Insbesondere die Korrespondenzbanken werden ihr Geschäft innerhalb der EU fortführen. Dies erfordert, dass sie ihren Standort - zumindest in Teilen - in die EU verlagern und die Zulassung bei der Europäischen Bankenaufsicht fortführen.

Dadurch wird der ertragsstarke Auslandszahlungsverkehr zu großen Teilen im europäischen Zahlungsverkehrsmarkt verbleiben und diesen durch die Zunahme an Bedeutung für Drittländer stärken. Dienstleister, die sich hier frühzeitig mit den Möglichkeiten auseinandersetzen und entsprechend positionieren, können sich somit auf höhere Abwicklungszahlen und Erträge durch den Auslandszahlungsverkehr freuen.

Fußnoten

1) Vgl. Schroeter/Nemeczek, "Brexit", aber "rEEAmain"? Die Auswirkungen des EU-Austritts auf die EWR-Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs, JZ 2017, S. 713

2) Vgl. EWR Rechtssammlung der Stabsstelle EWR der Regierung des Fürstentums Liechtenstein, www.llv.liv

3) Als europäischer Pass versteht man, dass Dienstleister, die eine Erlaubnis in einem EU-Staat für ihre jeweiligen Dienstleistungen haben auch in anderen EU-Ländern diese erbringen können, ohne ein erneutes Erlaubnisverfahren zu durchlaufen.

4) Vgl. FSB, 2016 list of global systemically important banks (G-SIBs), Stand: 21.11.2016, www.fsb.org, Wegfallende Kreditinstitute: HSBC, Barclays, Royal Bank of Scotland, Standard Chartered.

5) Vgl. FSB, 2016 list of global systemically important banks (G-SIBs), Stand: 21.11.2016, www.fsb.org

6) Vgl. Eigene Ermittlung aus dem Credit institutions register der EBA, Stand: 11.9.2017, http://www.eba.europa.eu/risk-analysis-and-data; Abweichung zu Fußnote 7 entsteht durch Einbezug von Wertpapierfirmen.

7) Vgl. Antwort auf die Anfrage des Chairman of the Treasury Committee vom 17.8.2016, www.parliament.uk

Zum Autor Nils Purwin, Zahlungsverkehrsexperte, PPI AG, Hamburg
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