Regulierung und Wettbewerb

Wie Banking Banken neu definiert

André M. Bajorat
Quelle: paymentandbanking

Mit der Digitalisierung löst sich die scheinbar untrennbare Verbindung von Banking und Banken auf, so André M. Bajorat. Mit der PSD2 und dem Kontozugang für Dritte, die in diesem Kontext als Katalysator wirken, verschwinden aber nicht nur die Frontends. Sondern Banken haben auch die Möglichkeit, den Prozess mitzugestalten - allein oder auch in Kooperation mit Fintechs. Red.

Nutzer wollen Convenience, bestehen auf Anwenderfreundlichkeit, erkennen den Mehrwert kontextbezogenen Bankings und bekommen die Freiheit, selbst entscheiden zu können, in welchem Service sie ihre Bankdaten nutzen wollen - neutrale Dienste außerhalb der klassischen Bankenwelt sind populärer denn je: Die scheinbar untrennbare Verbindung von Banking und Bank löst sich auf!

Banking findet im Alltag statt und nicht bei der Bank

Aus Figo, dem Anbieter einer App, ist über eine unternehmerische Neuausrichtung Europas erster Banking Service Provider geworden. Als B2B-Anbieter ermöglicht das Unternehmen Dritten durch die Einbindung seiner Technologie den Zugang zu diversen Finanzquellen. Dazu zählen unter anderem die veredelten Daten von Bankkonten, Kreditkarten, Depots, Paypal sowie unterschiedlichen Fintechs. Zu Beginn haben in erster Linie Unternehmen auf die Lösung zurückgegriffen, die beispielsweise die Buchhaltung automatisieren, Bonitätsprüfungen vereinfachen oder den Kontowechsel zur Nebensache werden lassen. Mittlerweile zählen mehr und mehr Banken zu den Kunden. Sie entwickeln Produkte, die dem Nutzer Mehrwerte liefern.

Diese Anwendungen lassen Banking nicht bei der Bank sondern im Alltag stattfinden, sind optisch ansprechend und meist leicht zu bedienen. An der Stelle ist zu erwähnen, dass die Payment Services Direc tive 2 (PSD2) dem Unternehmen in die Karten spielt. Denn das, was das Unternehmen seit Anfang 2014 lebt - die neue, offene Bankenwelt -, wird jetzt zum Standard und zugleich aus einer rechtlichen Grauzone befreit. Die technischen Lösungen, die Figo bereits erprobt anbietet, die vor allem der Grundidee der PSD2 entsprechen, zeigen, wie vorausschauend der Ansatz ist.

Die Digitalisierung und ihre Folgen machen an den Pforten des Banksektors nicht mehr halt, sondern finden mittendrin statt. Durch die zahlreichen Fintech-Unternehmen hat sich eine neue Branche entwickelt, wodurch eine Situation entstanden ist, die für die etablierten Player am Markt neu ist.

Die Nachfrage nach Convenience und Anwenderfreundlichkeit steigt

Es gibt jetzt Angebote, die zeitgemäßer sind, die Banking zum Alltagsbegleiter machen, die beispielsweise das Überweisen von Geld in der Gruppe via Peer-topeer-Payments vereinfachen. Das alles sind Einzelbereiche oder ausgewählte Produkte, auf die sich Fintech-Unternehmen spezialisieren.

Im Grunde ist ein ganz "normaler" marktwirtschaftliche Effekt zu beobachten: Die Nachfrage nach Convenience und Anwenderfreundlichkeit steigt, also gibt es mehr und mehr Angebote, die Banken und Fintechs - auch gemeinsam - anbieten! So sind mittlerweile Produkte und Services zu den Themen Trading oder Fonds-Anlagestrategien für jedermann zugänglich.

Fintech-Unternehmen wie Zinspilot bieten beispielsweise internationale Festgeldanlage an und Wikifolio kombiniert das Konzept, sein Geld gewinnbringend anzulegen, mit den Prinzipien der sozialen Medien. Scalable Capital ist mittlerweile Deutschlands führender Online-Vermögensverwalter.

Viele Eintrittsbarrieren verschwunden

Viele Eintrittsbarrieren in ein komplexes Thema sind verschwunden. Marktdaten für nahezu jeden Dienst stehen Dritten für die verschiedensten Produkte und Ideen über APIs - also technische Schnittstellen - zur Verfügung. Ein Beispiel dafür ist Xignite, eine umfassende Plattform, die Marktdaten für Finanzservices zugänglich macht. Neben solchen Plattformen sind es auch White-Label-Lösungen für Banken und Broker, die Angebote ermöglichen, die über das klassische Bankenportfolio hinausgehen.

Gleichzeitig ist zu erwähnen, dass Banken selbst aktiv den digitalen Wandel mitgestalten. Ein Beispiel dafür ist unter anderem die Deutsche Bank, die ihren Kunden Multibanking anbietet - also die Aggregation aller Konten und Kontoinformationen an einem Ort. Die Deutsche-Bank-Kunden können also all ihre Konten, auch diejenigen, die sie bei anderen Banken haben, im hauseigenen Online-Banking einbinden.

Weitere Faktoren, die diese extreme Entwicklung des Finanzsektors begünstigen, sind dramatische Veränderungen der Tech-Welt und Veränderungen von Rahmenbedingungen. Beliefen sich beispielsweise die Kosten, die für die Gründung eines Tech-Start-ups notwendig sind, im Jahr 2000 noch auf etwa fünf Millionen Dollar, waren es im Jahr 2011 nur noch 5 000 Dollar. Dies ergab eine Auswertung, die in Kooperation von CBinsights und dem PwC Accelerator entstanden ist. Als Gründe haben die beiden Institutionen unter anderem Cloud Technology und APIs genannt.

PSD2 - ein unerwarteter Katalysator erreicht die Finanzwirtschaft

Bei der Payment Services Directive 2 geht es in den Grundzügen darum, den Wettbewerb neben den Banken zu fördern und eine bis dato maximal geschlossene Systemlandschaft zu öffnen - und das europaweit. Der Nutzer soll die einfache Möglichkeit bekommen, seine eigenen Bankkonten - also seine eigenen Bankdaten - souverän und eigenverantwortlich auch in Angeboten und Diensten von sogenannten Dritten nutzen zu können. Und das selbstverständlich auf einem sinnvollen Sicherheitslevel und in einem nachvollziehbaren Haftungskonstrukt. Die für den Nutzer spürbare Konsequenz ist, dass er die Freiheit bekommt, selbst entscheiden zu können, in welchem Kontext und in welchem Rahmen er Banking für sich stattfinden lassen möchte. Banking in spezifischen Kontexten wird das "new normal"!

In der Praxis ist es die PSD2-Vorgabe "Access to Account" (XS2A), die Banken zur Öffnung verpflichtet und zugleich Dritten den Zugang gestattet. Sie müssen also eine Schnittstelle zur Verfügung stellen, die es Dritten ermöglicht, auf die Bankdaten ihrer Kunden zugreifen zu können. Möchte also beispielsweise jemand Multibanking nutzen und Konten integrieren, die er bei verschiedenen Banken hat, muss es nach Zustimmung des Nutzers möglich sein, auf eben diese Kontoinformationen bei allen europäischen Banken zugreifen zu können. Den technischen Prozess dahinter übernimmt im Hier und Jetzt sowie in der Zukunft zum Beispiel Figo. Damit schließt sich wieder der Kreis: Figo basiert auf einer Technologie, die bereits etabliert ist und das kann, was die PSD2 jetzt fordert.

Software und Daten als Werte verstehen

Banking findet in einer PSD2-Welt nicht mehr zwingend bei der Bank statt. Der Kunde entscheidet über den richtigen Ort und vor allem über den passenden Kontext für die Nutzung seiner Finanzen, was die klassische Institution der Bank auch nicht mehr "verhindern" kann. Die Frontends verschwinden und die Bank ist lediglich noch Teil eines Prozesses. Für Banken geht es immer mehr darum, das digitale finanzielle Zuhause für den Kunden zu werden. Sie müssen dafür sorgen, dass sie für den Kunden im richtigen Kontext stattfinden. Die Bank muss "accessible" sein und relevant bleiben! Banken müssen aus der vertikalen Produktdenke in ein horizontales User-Erlebnis gelangen.

Um die genannten Punkte zu erreichen, ist neben einem veränderten Mindset unumgänglich, Software und Daten als echte Werte zu verstehen, die im Sinne des Users genutzt werden. Banken müssen sich neue Fähigkeiten zu eigen machen und Eigenschaften wie Offenheit, Flexibilität, Ideenfindung und Speed im Bankenalltag leben. Es ist ein Muss, dass Banken verstehen, dass Developer die Künstler unserer Seite sind, die Lösungen im Sinne des Kunden schaffen.

Banken gestalten mit

Der anfänglichen vermeintlichen Unsicherheit ist ein aktives Mitgestalten gefolgt. Banken bieten innovative Produkte an, sie eröffnen "digitale Fabriken", stellen APIs zur Verfügung und organisieren Hackathons. Sie müssen sich dabei gegen andere wie Google, Amazon, Facebook und Apple behaupten, die mehr und mehr unser Leben und unseren Alltag beeinflussen. Deshalb brauchen Banken neue Partner an ihrer Seite, um Geschwindigkeit aufzunehmen sowie Skills und Technologien zu nutzen, die in der Bank selbst nicht vorhanden sind.

Außerdem sind sie Teil von Initiativen wie Verimi, Allianz, Axel Springer, Bundesdruckerei, CORE, Daimler, Deutsche Bank, Here, Lufthansa, Postbank und Telekom haben zusammen diese Registrierungs-, Identitäts- und Datenplattform gegründet. Verimi steht für einen bequemen, sicheren und selbstbestimmten Umgang mit Identitäten und Daten im Netz. Nutzer sollen kontrolliert persönliche Daten als Basis für individualisierte Produkte, Services und Erlebnisse teilen können.

Sicherlich wird es die eine oder andere Hürde zu nehmen geben. Denn häufig arbeiten neue Partner anders. Sie sind agiler und erwarten das auch in der Zusammenarbeit. Dennoch ist Offenheit und technische Expertise die Grundlage für effiziente Kooperationen.

Der Beitrag basiert auf einem Vortrag des Autors auf dem Bankkarten-Forum 2017.

Zum Autor André M. Bajorat, CEO, figo GmbH, Hamburg

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