Bargeld: In Deutschland zu viel, in Schweden zu wenig?

Swantje Benkelberg

sb - Keine andere Nation hängt so sehr am Bargeld wie die Deutschen. Diese These wird zwar immer wieder vorgebracht. Sie stimmt aber nicht oder zumindest nicht mehr. Denn es gibt andere Länder, vor allem im Süden Europas, die noch in weitaus höherem Maße auf Scheine und Münzen setzen als die Deutschen. Darauf weist neuerdings auch die Deutsche Bundesbank immer wieder hin.

In einem im November 2017 veröffentlichten Bericht der Europäischen Zentralbank zur Bargeldnutzung der privaten Haushalte in der Euro-Zone heißt das in Zahlen:

- Der Anteil der Barzahlungen an den Bezahlvorgängen am Point of Sale liegt in Deutschland bei 80 Prozent. In Österreich und Italien sind es 85 beziehungsweise 86 Prozent, in Spanien und Griechenland 87 und 88 Prozent. Und in Malta werden stolze 92 Prozent aller Einkäufe in bar bezahlt.

- Gemessen am Umsatz liegt der Baranteil in Deutschland bei 55 Prozent, in Litauen bei 62 Prozent. In der Slowakei und Österreich beträgt er 66 und 67 Prozent, in Slowenien, Italien und Spanien jeweils 68 Prozent, und in Malta und Griechenland werden drei Viertel der Kassenumsätze in bar bezahlt.

Baranteil in Deutschland erstmals unter 50 Prozent

Dass die Deutschen zwar das Bargeld unverändert schätzen, aber doch immer häufiger auch zu bargeldlosen Bezahlverfahren greifen, bestätigt auch die vierte Bundesbank-Studie zum Bezahlverhalten in Deutschland. Gemäß dem Zahlungstagebuch der Studienteilnehmer ist der Anteil der in bar bezahlte Beträge dieser Studie zufolge von 2008 bis 2017 um fast zehn Prozentpunkte von 57,9 Prozent auf 47,6 Prozent zurückgegangen. Im vergangenen Jahr lag der Baranteil am Bezahlvolumen demnach erstmals unter 50 Prozent. Bei Bezahlbeträgen ab 20 Euro wird in Deutschland mittlerweile ein Drittel aller Bezahlvorgänge mit Debit- oder Kreditkarte (31 beziehungsweise 2 Prozent) bezahlt.

Bargeldsubstitution schreitet voran

Dieser Befund zeigt: Die allmähliche Bargeldsubstitution schreitet voran, wenngleich es ein evolutionärer und kein revolutionärer Prozess ist. Das ist auch daran erkennbar, dass der Bundesbank-Studie zufolge im letzten Jahr 47 Prozent der Befragten der Einführung einer Rundungsregel zur Abschaffung der 1- und 2-Cent-Münzen auf jeden Fall oder eher zustimmen würden - fünf Prozentpunkte mehr als 2011.

Nur in Sachen Mobile Payment geht es unverändert schleppend voran. Fast jeder Zweite kennt zwar eine App, um Geld zu versenden und zu empfangen, aber lediglich fünf Prozent nutzen eine solche. 67 Prozent kennen Verfahren, um mit dem Handy im Geschäft zu bezahlen, aber lediglich zwei Prozent tun das auch. Hauptgrund: Die Kunden sehen dafür keinen Bedarf.

Gefragt hat die Deutsche Bundesbank die Deutschen auch nach ihren Einschätzungen zum Bargeld: 96 Prozent stimmten dabei der Aussage zu oder eher zu, dass einige Bevölkerungsgruppen sich in einer Welt ohne Bargeld nicht mehr zurechtfinden würden. 93 Prozent halten Bargeld für wichtig, um Kinder an den Umgang mit Geld heranzuführen. 87 Prozent sind der Meinung, dass Bargeld eine größere Kontrolle über die eigenen Ausgaben ermöglicht. 87 Prozent wollen das Bargeld erhalten sehen, um anonyme Zahlungen zu ermöglichen, für 81 Prozent wäre eine Bargeldabschaffung ein Eingriff in die bürgerlichen Freiheiten.

Outen sich die Deutschen mit diesen Meinungsbekundungen wieder einmal als "Bargeldlos-Muffel"? Diese Frage kann sicher verneint werden. Denn selbst im "Bargeldlos-Land" Schweden treiben diese Fragen mittlerweile Reichsbank und Parlament um.

Schweden zu schnell völlig bargeldlos?

Einem Bloomberg-Bericht zufolge hat der schwedische Reichstag eine umfassende Studie zu der Entwicklung des Zahlungsverkehrs in Auftrag gegeben, bei der auch die Nachteile einer zu schnellen Bargeldabschaffung untersucht werden sollen. Mats Dillen, der Vorsitzende der parlamentarischen Untersuchungskommission, wird mit der Sorge zitiert, dass es in diesem Fall schwierig werden könnte, die Infrastruktur zu erhalten - mit der Folge dass Menschen, die nicht im Umgang mit digitalen Technologien geübt sind, faktisch im Alltag abgehängt werden könnten. Dabei geht es vermutlich nicht nur um Senioren. Auch eine Diskriminierung von Behinderten könnte in diesem Kontext ein Thema sein. Red.

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