Bezahlen in Zukunft

Bezahlen per Smartphone - kommt der Durchbruch am PoS?

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Mehr als 400 Millionen Mobile-Payment-Nutzer gib es weltweit, so eine Studie der GFT Technologies. Abgesehen vom chinesischen Markt hat sich dabei NFC weitgehend durchgesetzt. Auch in Europa könnte der längst vorausgesagte Durchbruch nun auch außerhalb Großbritanniens bevorstehen. Gut sieht es dafür vor allem in Spanien sowie der Schweiz aus. In Deutschland spielt sich das mobile Bezahlen immer noch nur in der Nische ab. Das bestätigt auch eine Paysys-Studie.

Bereits 2012 hatte die GFT Technologies SE, Stuttgart, den baldigen Vermarktungsstart von Mobile-Wallet-Lösungen für Europa vorausgesagt, der auch stattfand, jedoch ohne nachhaltigen Erfolg. Mittlerweile haben sich die Bedingungen jedoch deutlich verändert:

- Branchenfremde Player wie die großen Smartphone-Hersteller und Internetkonzerne drängen in den Markt.

- In Sachen NFC-Infrastruktur - der Grundvoraussetzung für das mobile Bezahlen, soweit es nicht QR-Code-basiert ist - geht es voran. Bis 2020 müssen alle PoS-Terminals für die Nutzung kontaktloser Kartenzahlungen ausgerüstet sein.

- Einen zusätzlichen Schub dürfte es geben, wenn 2018 die Echtzeit-Zahlungen in Europa eingeführt werden sollen.

Weltweit ist das mobile Bezahlen ohnehin auf dem Vormarsch. Eine Mitte September veröffentlichte GFT-Studie zum Thema macht mittlerweile 441,9 Millionen Mobile-Payment-Nutzer aus. Neben dem asiatisch-pazifischen Raum ist das Bezahlen mittels Smartphone vor allem in Afrika populär, wo es in vielen Regionen an der klassischen Bankinfrastruktur beziehungsweise der Infrastruktur für Kartenzahlungen fehlt. In Europa wird die Zahl der Nutzer mobiler Bezahlsysteme mit immerhin 64 Millionen angegeben.

Am stationären PoS in Deutschland nur mikroskopisch wahrnehmbar

In Deutschland ist der schon so oft vorausgesagte Durchbruch des mobilen Bezahlens auch 2016 ausgeblieben. Zwar haben die meisten Verbraucher (83 Prozent) bereits von der Möglichkeit der Handy-Zahlung erfahren. Doch nur zwei Prozent verfügen über praktische Erfahrungen damit. Das geht aus einer Paysys-Umfrage unter 205 Erwachsenen vom Frühjahr dieses Jahres hervor, die sich im Gegensatz zu anderen Befragungen ausschließlich auf das Bezahlen per Mobiltelefon in der physischen Welt, also im Geschäft vor Ort oder am Automaten, konzentriert.

Am stationären PoS ist das Mobile Payment der Studie zufolge bislang nur "mikroskopisch wahrnehmbar" - zumal der Großteil jener Verbraucher, die das Handy überhaupt zum Bezahlen an der Ladenkasse nutzen, dies in den meisten Fällen außerhalb Deutschlands tun. Die wenigen Vorreiter der Handy-Zahlung sind fast ausnahmslos solche Verbraucher, die am physischen Point-of-Sale derzeit vorwiegend mit Karte zahlen. In der Stichprobe waren das etwa 23 Prozent der Befragten. Die Gruppe, die vermutlich nicht nur die First Mover, sondern auch das Kernpotenzial für die Handy-Zahlung bildet, ist somit überschaubar. Damit bleibt es fragwürdig, ob die Zahlung mittels Handy, falls diese Innovation sich durchsetzt, in einem wesentlichen Umfang Bargeld ersetzen kann.

Fast 45 Prozent der interviewten Personen bezeichnen sich weiterhin als Verbraucher, die an der Ladenkasse vorwiegend mit Bargeld zahlen. In dieser Gruppe ist das Unwissen über die Handy-Zahlung mit 25 Prozent erwartungsgemäß weiter verbreitet als im Durchschnitt (17 Prozent). Diese Vorliebe zur Bargeldzahlung ist bei den über 60-Jährigen deutlich höher (60 Prozent der Befragten).

Payback-Pay auf dem Sprung

Die jüngeren Verbraucher in der Altersgruppe 18 bis 30 Jahre zeigen dagegen keine nennenswerten Abweichungen bezüglich der Affinität zur Karte oder zum Bargeld im Vergleich zu dem mittleren Alterssegment (30 bis 60 Jahre). Über die Altersstruktur der Handy-Zahler an der Ladenkasse lässt die Studie keine Rückschlüsse zu. Dazu war die Anzahl derer, die dort schon mit dem Mobiltelefon bezahlt haben, schlicht zu gering. Doch das könnte sich bald ändern - schließlich sind viele Marktbeobachter der Meinung, dass Payback-Pay als erster Mobile-Payment-Ansatz in Deutschland das Zeug dazu hat, nennenswerte Nutzerzahlen zu erreichen - gerade am stationären PoS. Noch konstatiert jedoch auch die GFT-Studie für Deutschland lediglich Nischendasein des mobilen Bezahlens - obwohl 91 Prozent der Bevölkerung ein Handy besitzen und zwei Drittel davon ein Smartphone.

China: meist QR-Code-basiert

Eine Reihe weiterer Märkte hat die Studie mit Blick auf den Stand der Dinge beim mobilen Bezahlen unter die Lupe genommen. Der größte davon - und zugleich der einzige, in dem NFC nur eine untergeordnete Rolle spielt und die Lösungen meist QR-Code basiert sind - ist China mit den dominierenden Anbietern Alipay, Tenpay und Baldu Wallet.

Zu den Vorreitern des mobilen Bezahlens wird Brasilien gezählt. Dort gab es bereits 2001/2002 erste Projekte mit QR-Codes. Seit 2013 hat sich jedoch auch in Brasilien im Wesentlichen die NFC-Technologie durchgesetzt.

USA und Großbritannien: Marktführer Paypal

Ein enormes Interesse am mobilen Bezahlen wird wenig überraschend für die angelsächsischen Märkte konstatiert. In den USA tätigten demnach im Jahr 2015 bereits rund 23 Millionen Bürger Einkäufe mit ihrem mobilen Endgerät. Klarer Marktführer ist dabei Paypal, jüngster prominente Neuling auf dem Markt ist Walmart Pay. Hinzu kommen Apple Pay und das bislang nur in den USA verfügbare Android Pay.

Auch in Großbritannien, wo mittlerweile drei Viertel aller Erwachsenen das mobile Internet nutzen, ist die Nutzung des Mo bile Payment besonders ausgeprägt. Das freilich dürfte nicht zuletzt an dem frühen Durchbruch der NFC-Technologie im Vereinigten Königreich gelten, der im Vergleich zu Deutschland für sehr viel breitere Einsatzmöglichkeiten sorgt.

Die stärkste Position im britischen Mobile-Payment-Markt hat, wie in den USA, wiederum Paypal. Anders als in Deutschland ist der Bezahldienst hier mittlerweile fast flächendeckend an den stationären PoS vorgedrungen. Und Apple Pay - seit Juli 2015 in Großbritannien verfügbar - kommt derzeit auf etwa 250 000 Akzeptanzstellen und 3,6 Millionen Nutzer, die wenigstens einmal über diesen Dienst bezahlt haben.

Spanien: vielfältige Angebote

Auch in Spanien ist die Infrastruktur für das kontaktlose und mobile Bezahlen auf Basis der NFC-Technik bereits gut ausgebaut. Bei rund 70 Prozent der Händler kann bereits kontaktlos bezahlt werden, meist auf NFC-Basis. Gleichzeitig ist die Smartphone-Penetration mit 80 Prozent der Bevölkerung besonders hoch - gute Voraussetzungen also für das mobile Bezahlen.

Entsprechend gibt es eine Vielzahl von Angeboten. Zu den wichtigsten Marktteilnehmern zählen die Caixa-Bank, die gleich mit zwei Mobile-Payment-Angeboten am Markt vertreten ist. Auch die BBVA hat bereits 2014 eine Wallet eingeführt, die nicht nur in Spanien, sondern auch in den USA, Mexiko und Chile verfügbar ist. Ebenfalls seit 2014 aktiv ist die App Bank inter pagos TVM, die auf dem Smartphone auf Basis der HCE-Technologie virtuelle Karten für den einmaligen Einsatz generiert - ganz ähnlich wie die Wallets von Vodafone und Orange. Und noch im laufenden Jahr will der Banco de Espana eine einheitliche Plattform für P2P-Zahlungen in Echtzeit installieren.

Schweiz: gute Zukunft für Paymit

Für die Schweiz konstatiert die Studie bisher keine beherrschende Marktstellung eines Anbieters, sieht jedoch Paypal mit seiner Mobile App in der Kundengunst vorn. Apple Pay ist zwar in der Schweiz aktiv, allerdings nur mit wenigen Banken. Die Besonderheit des Schweizer Marktes ist sicher die von den wichtigsten Banken, Händlern und Mobilfunkbetreibern gemeinsam unterstützte Lösung Paymit, die mit dem konkurrierenden Twint von der Postfinance zusammengeführt wird. Damit hat Paymit das Zeug dazu, nicht nur eine Vielzahl von Kunden zu erreichen, sondern gleichzeitig mit einer attraktiven Basis für die Akzeptanz aufwarten zu können.

Die abschließenden Empfehlungen für den Finanzsektor dürften manchen Marktteilnehmer eher ratlos zurücklassen. Zwar sieht die Studie Banken in einer guten Ausgangssituation, um sich im Markt für mobiles Bezahlen zu etablieren. Schließlich eignen sich die aus dem Online-Banking bekannten Authentifizierungsprozesse auch zur Einbindung digitaler Brieftaschen. Als entscheidend für den Massenerfolg mobiler Payment-Services macht die Studie komfortable Standards und länderübergreifende Lösungen aus. Daraus wird die Empfehlung abgleitet, biometrische Autorisierungsverfahren als Erster einzuführen und mit spielerischen Elementen die Nutzerakzeptanz zu steigern. Sichere Apps gilt es als Serviceangebot zu forcieren. Und Mobile Payment und Big-Data-Analysen müssen aufeinander abgestimmt werden. Dann habe der Bankensektor eine riesige Chance.

Zusammengefasst bedeutet das alles: Die Finanzbranche muss nicht nur in Sachen Mobile Payment und Biometrie viel schneller werden, sie wird auch an mancher Stelle über den eigenen Schatten springen und - Stichwort Big Data - auch einmal Grenzen ausloten müssen.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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