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Digitale Vertriebssparkasse: Blue Code und Kwitt weisen den Weg

Gerd Räth, Leiter Vertriebsmanagement Privatkunden, Nassauische Sparkasse (Naspa), Wiesbaden

Der Digitalisierung können sich Banken und Sparkassen nicht entziehen. Anders, als es in Regulierungsfragen der Fall ist, können sie die Entwicklung aber gestalten, meint Gerd Räth. Als Beispiele nennt er das Online-Bezahlverfahren Paydirekt, mit dem sich Bonuspunkte in Sachen Kundenvertrauen sammeln lassen, Bluecode oder das Geld-Sende-Verfahren "Kwitt". Die Tatsache, dass das Bundeskartellamt hier einem gemeinsamen Antritt der beiden Verbünde gegenüber skeptisch war, ist für Räth ein Beleg für deren Innovationskraft, die die "Dickboote" den Schnellbooten der Fintechs davonfahren lässt. Red.

Die Digitalisierung unserer Lebensbereiche schreitet voran, sie durchdringt sie immer schneller. Die Finanzbranche ist davon nicht ausgenommen. Digitalisierung eröffnet ihr viele neue Möglichkeiten. Die Bank von morgen besteht nicht nur aus stationären Geschäftsstellen, die im Angebotskonzert einer Sparkasse nach wie vor ihren Platz und ihren besonderen Nutzen für die Menschen haben. Kunden wollen ihre Bankgeschäfte allerdings offline und online erledigen können. Unabhängig von Raum und Zeit sollen Fragen beantwortet werden, und über relevante Finanzthemen möchte man sich inzwischen jederzeit informieren. Und bei Bedarf soll auch persönlich durch qualifizierte und kompetente Mitarbeiter beraten werden. Die Nassauische Sparkasse (Naspa) setzt daher auf ein Multikanalangebot. Ziel ist es, sich zur digitalen Vertriebssparkasse zu entwickeln. So werden je nach Thema, je nach Bedarf die passenden Lösungen einfach und effizient vom Kunden direkt oder mit Hilfe seines Beraters gefunden.

Die Brücke von der analogen in die digitale Welt ist die Filiale, die nicht ersetzt, in Zukunft aber fundamental anders gestaltet und in die digitale Welt eingebunden wird. Die Filialtransformation spielt sich auf mehreren Ebenen ab: Zunächst unterstützt der zunehmende Einsatz digitaler Medien das Kundengespräch. Zweiter Schritt ist die digitale Anbindung an die Banksysteme, um dem Kunden optimale Vorschläge machen zu können.

Kosten der Bargeldbearbeitung reduzieren

Im dritten Schritt müssen auch Kosten zum Beispiel bei der Bargeldverarbeitung reduziert werden, nicht nur weil der Kostendruck durch Niedrigzins und weitere Faktoren offensichtlich vorhanden ist, sondern auch, um Kapazitäten und Konzentration auf die Kerndienstleistung Beratung zu lenken.

Und schließlich wird eine weitere Herausforderung auf dem Weg dabei sein, dass es immer schwieriger ist mit den Kunden - insbesondere den jungen Kunden - ins Gespräch zu kommen. Die Kontaktanbahnungspunkte müssen also neu gestaltet werden.

IT-Sicherheit ist ein großes Thema

In vielen Umsetzungsfragen bei Banken und Regulatoren noch ungeklärt ist der Umgang mit Big-Data-Anwendungen. Nach einer Studie von Bitkom Research in Zusammenarbeit mit KPMG führen alle befragten Banken eine Analyse ihrer Kundendaten durch - allerdings nicht durchgehend auf Basis fortschrittlicher Datenanalysen. Und erst ein knappes Drittel hat eine Strategie für die Umsetzung von Big-Data-Maßnahmen entwickelt. Über 50 Prozent der Banken gehen von einem steigenden Stellenwert von Big Data in den nächsten drei Jahren aus.

Ein großes Thema ist sicherlich auch die IT-Sicherheit: In Zeiten, in denen selbst Demokratien mit Cyber-Attacken zu kämpfen haben, müssen besonders Banken Sorge dafür tragen, dass Angreifer ihre Daten nicht für eigene Zwecke abgreifen. Am Beispiel der Sparkassen im Allgemeinen und der Naspa im Konkreten zeige ich, wie Digitalisierung auch im Rahmen eines konservativen Geschäftsmodells behutsam und dennoch mit viel Mehrwert für die Kunden umgesetzt werden kann.

Digitalisierung gestalten

Die Sparkassen gehen das Thema aus drei Perspektiven an: der Kundenperspektive, der Prozess- und Infrastrukturperspektive und der Mitarbeiterperspektive. Es geht darum, das Vertrauen und die Nähe zu den Kunden aus der physischen Welt in die digitale Welt zu übertragen. Ein Alleinstellungsmerkmal der Sparkassen sollte deshalb auch in der digitalen Welt die Interaktion zwischen realen Menschen sein. Das spiegelt sich in einer veränderten Organisation und einem wettbewerbsfähigen Produktangebot und kann nur mit Mitarbeitern umgesetzt werden, die mit Engagement und Loyalität dabei sind. Denn ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal der Sparkassen sind die 244 000 Menschen, die für sie überall in Deutschland arbeiten.

In der Verbundstrategie hat der Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen (SGVHT) vier Herausforderungen identifiziert: Die langanhaltende Niedrigzinsphase, die zahlreichen regulatorischen Maßnahmen, der demografische Wandel und schließlich der Digitalisierungstrend.

Während die Naspa - wie die Branche insgesamt - auf die ersten drei Herausforderungen praktisch gar keinen Einfluss hat, kann sie im Falle der Digitalisierung durchaus gestalten. In ihrer Geschäftsstrategie hat sie niedergelegt, für alle Kunden die Möglichkeit einer echten Wahlfreiheit zwischen digitalen und stationären Angeboten zu entwickeln. Ziel ist die digitale Vertriebssparkasse, die das "Beste aus zwei Welten" verbindet.

Die Naspa versteht Digitalisierung als einen der künftigen Kerntreiber der Geschäftsentwicklung, der frühzeitig in die DNA des Hauses implementiert werden muss. Entsprechend muss sie den Erwartungen onlineaffiner Kunden gerecht werden. Dies beinhaltet die Konzentration auf die Gestaltung der digitalen Endkundenbeziehung, insbesondere im Bereich der Standardfinanzprodukte und -services. Die digitale Endkundenbeziehung ist dabei nicht exklusiv, sondern bindet den stationären Vertrieb als gleichberechtigten Partner ein.

Darüber hinaus wird der Mehrwert der Filialinfrastruktur im beratungsintensiven Geschäft ausgespielt, den die Naspa im Vergleich zu Direktbanken zu bieten hat. Dynamik und Unwägbarkeit im digitalen Umfeld erfordern dabei einen ständigen Anpassungsbedarf sowie schnelles und flexibles Handeln.

Die Naspa arbeitet derzeit an der Einführung der Internet Filiale 6 der Finanz Informatik, die nicht zuletzt dem zunehmenden Trend der mobilen Online-Nutzung Rechnung trägt. Mit ihrer Einführung Ende Februar 2017 sind Produktabschlüsse und Serviceprozesse online möglich. Schon umgesetzt sind der Service-Chat, der jedem Besucher der Webseite zur Verfügung steht, und die Online-Terminvereinbarung, die Kunden im geschlossenen Internet-Banking-Bereich die direkte Kontaktaufnahme ermöglicht.

Sowohl Chat als auch Terminvereinbarung sind als wichtige Brücken zwischen digitaler und stationärer Welt zu sehen. In der Präsenz-Filiale werden verstärkt moderne, technisch unterstützte Beratungsansätze auf Tauglichkeit geprüft, unter anderem die iPad-Beratung.

Nach intensiver Vorarbeit durch eine Studienerhebung wird Anfang 2017 ein gegebenenfalls mehrjähriges Veränderungsprojekt mit entsprechenden Maßnahmenpaketen zur Entscheidung kommen. Auch die Mitarbeiter müssen auf neue Formate der Beratung und der Lösungspräsentation vorbereitet werden.

Mit Paydirekt Bonuspunkte beim Kunden sammeln

Paydirekt wurde als das gemeinsame Online-Bezahlverfahren von 1 400 deutschen Banken und Sparkassen gegründet und ging im April 2016 an den Markt. Der Kunde zahlt über eine Abbuchung von seinem Girokonto, ohne sensible Daten weiterzugeben. Unterstützt wird das System auch über eine App (Android und iOS). Für die Kunden ist die Nutzung kostenlos, die Händler zahlen Provisionen. Für kleinere Shops ist es möglich, sich über ihren Payment-Service-Provider anzuschließen.

Mitbewerber wie Paypal genießen an dieser Stelle den First-Mover-Vorteil. Allerdings kann sich das System über den deutschen Datenschutz und einen Käuferschutz von seinen schon länger auf dem Markt agierenden Mitbewerbern abgrenzen. In Zeiten von Vertrauen erschütternden Datenskandalen und einer grassierenden Internetkriminalität können damit Bonuspunkte beim Kunden gesammelt werden.

Kunden können Besonderes erwarten, diesen bietet die Naspa einen Mehrwert über das Girokonto hinaus. Für bestimmte Kontotypen stehen daher die Leistungen des Vorteilsportals kostenlos zur Verfügung. Dazu gehören reduzierte und interessante Angebote in der Region, ein Reiseshop, ein Cashback-Programm und schlussendlich auch ein Ticketshop für Musicals, Konzerte oder Sportveranstaltungen.

Content-Marketing: Die Plattform clever.naspa.de

Erklärtes Ziel der neuen Plattform clever. naspa.de war, ein digitales Medium zu entwickeln, auf dem die Naspa gefunden wird, ohne dass man konkret nach ihr sucht. Der digitale Ratgeber wendet sich vorrangig an junge Menschen zwischen 18 und 35 Jahren. Er gibt wertvolle Ratschläge für unterschiedliche Lebensphasen, die in den Kategorien "Endlich 18", "Studium", "Berufswelt", "Kinder & Familie", "Wohnen" und "Unterwegs" zum Ausdruck kommen. Auf werbliche Botschaften und Kaufbuttons wird gänzlich verzichtet, Teilen in den soziale Medien ist aber ermöglicht und ausdrücklich erwünscht. Die Verknüpfung zum Vertrieb ist in beide Richtungen gegeben: Die Berater können mit dem Hinweis auf die Plattform Mehrwert für den Bestandskunden schaffen, Neukunden werden über den Artikel auf das Angebot der Naspa aufmerksam.

App-Welt: Handy-zu-Handy-Zahlsystem Kwitt

Integriert in die Sparkassen-App ist seit November die Funktion Kwitt, mit der sich Sparkassenkunden Geld per Handy senden können. Dazu ist lediglich die Mobilfunknummer des Empfängers nötig, bei Beträgen von unter 30 Euro ist keine TAN-Eingabe erforderlich. Nach Geldeingang erhält der Empfänger eine Benachrichtigung. Sofern beide bei Kwitt angemeldet sind, kann ein Kunde an einen anderen auch eine Geldanforderung stellen.

Die ursprünglich geplante gemeinsame Einführung einer derartigen Zahlungsfunktion mit den Genossenschaftsbanken im Rahmen einer institutsübergreifenden Kooperation hätte wettbewerbsrechtliche Fragen beim Bundeskartellamt aufgeworfen. So bieten Sparkassen und Genossenschaftsbanken diese Funktion erst einmal den Kunden ihrer jeweils eigenen Institutsgruppe an.

Blue-Code - Per Smartphone in der Mensa bezahlen

Blue Code ist eine kostenfreie App für Android und iPhone, die es insgesamt 75 000 Beschäftigten und Studierenden ermöglicht, in den Verpflegungsbetrieben des Studentenwerks Frankfurt am Main bargeldlos mit dem Smartphone zu bezahlen. Die App generiert auf dem Smartphone innerhalb von Sekunden einen Barcode, der an der Kasse direkt vom Handy-Display abgescannt wird - und schon ist der Bezahlvorgang abgeschlossen. Die App erfüllt die strengen datenschutzrechtlichen Bestimmungen und ist momentan im Feldtest.

Das lästige und extrem fehleranfällige Abtippen von Kontonummern für die Überweisung kennt jeder Bankkunde. Die neue Funktion Foto-Überweisung der Sparkassen-App wird diese unbezahlte Arbeit Geschichte werden lassen: Bei der Fotoüberweisung werden Rechnungen oder Überweisungsträger abfotografiert, die zahlungsrelevanten Daten werden direkt in das Überweisungsformular übertragen. Der Nutzer muss lediglich die eigene IBAN und TAN ergänzen, um die Überweisung auszuführen.

Seit einiger Zeit ist das Auftreten von sogenannten Fintechs in vielfältiger Form zu beobachten: Sie treten als Mitbewerber zu klassischen Banken auf, sind Ideengeber und Katalysatoren für die Banken, wenn sie Teil der Inkubatoren werden. Und schließlich können sie auch als Dienstleister der Banken und Zahlungsabwickler in Erscheinung treten, wie zum Beispiel Fintechsystems, das über Big-Data-Anwendungen Bonitäts- und Betrugsrisiken minimiert.

Bei den Banking-Apps sind die Sparkassen mit großem Abstand Marktführer in Deutschland, ebenso bei kontaktlosen Bezahlsystemen. Und wenn es zum Selbstverständnis und zum Geschäftsmodell passt, werden sich mittelfristig auch innovative Entwicklungen von Fintechs in unserem Angebot wiederfinden.

Kwitt als Beispiel für die Innovationskraft der Verbünde

Konfliktlinien haben sich bei der Einführung der Zahlungsfunktion Kwitt gezeigt. Das Bundeskartellamt hatte bei der geplanten institutsübergreifenden Kooperation von Sparkassen und Genossenschaftsbanken die Klärung wettbewerbsrechtlicher Fragen in den Raum gestellt , da Wettbewerber benachteiligt sein könnten, die unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Bankengruppe entsprechende Apps am Markt anbieten.

Wie die "Dickschiffe" der Sparkassen und Genossenschaftsbanken bei diesem Thema den "Schnellbooten" der Fintechs davonfahren und das Bundeskartellamt deshalb das Stoppsignal an deren Maschinenräume sendet, ist ein eindrucksvoller Beleg für die Innovationskraft der beiden großen Bankengruppen.

Trotz dieser kleineren Hemmnisse wird die Naspa nicht müde werden, innovative Wege zu gehen. Die digitale Revolution ist dabei ein wichtiger Teil. Allerdings geht es hier nicht nur darum, moderne Technik einzusetzen. Es geht darum, für Kunden und Mitarbeiter Freiräume zu schaffen und die neuen technologischen Möglichkeiten als Basis der zwischenmenschlichen Kommunikation nutzbar zu machen. Erfolgreich werden diejenigen Institute sein, die hier den besten Weg finden und das Vertrauen ihrer Kunden genießen.

Zum Autor Gerd Räth, Leiter Vertriebsmanagement Privatkunden, Nassauische Sparkasse (Naspa), Wiesbaden
Gerd Räth , Zentralbereichsleiter Vertriebsmanagement Privatkunden und Verhinderungsvertreter des Vorstandes , Nassauische Sparkasse (Naspa), Wiesbaden
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