Digitales Bezahlen

Mobil bezahlen mit der Girocard im Smartphone

Dr. Andreas Martin, Mitglied des Vorstandes des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken

Quelle: BVR

Seit dem Jahresende 2016 wird im Raum Kassel die digitale Girocard als Basis für das mobile Bezahlen mit dem Debitsystem der deutschen Kreditwirtschaft getestet. Für die Genossenschaftsorganisation geht es dabei primär darum, Kunden zu binden und neue zu gewinnen. Bisherige Piloten arbeiten mit einer SIM-Variante der digitalen Girocard. Um von einzelnen Mobilfunkanbietern unabhängig zu sein, soll Ende 2017 der Wechsel zur HCE-Technologie erfolgen, die gleichermaßen für Kreditkarten zum Einsatz kommt. Drehscheibe für den digitalen Kontozugang ist die VR-Banking-App. Red.

Das Bezahlen mit dem eigenen Smartphone am Point of Sale (PoS) wünschen sich viele, besonders technikaffine Kunden. Denn wer seine Finanztransaktionen heute bereits mobil erledigt, findet, dass auch das mobile Bezahlen mit dem Smartphone zu einer Selbstverständlichkeit werden sollte.

Derjenige Anbieter, der als Erstes eine einfache, schnelle und sichere Mobile-Payment-Lösung auf den deutschen Markt bringt und die Bequemlichkeit der neuen Anwendung für den Kunden berücksichtigt, wird den Erfolg beim Markteintritt haben. Die genossenschaftliche Finanzgruppe setzt sich daher bereits seit längerem aktiv mit dem Thema "Integration der Bezahlfunktion einer Karte in das Smartphone" auseinander und hat mit der SIM-Lösung schon im Frühjahr 2016 auf der CeBIT die Machbarkeit präsentiert. Seit November 2016 wird diese in Kassel erfolgreich pilotiert.

Die Girocard wird mobil

Auch bei allen technischen Weiterentwicklungen genossenschaftlicher Bezahllösungen gilt als oberstes Prinzip: Der Kunde steht im Fokus. Die Prozesse, Kommunikationswege, Lösungen und Produkte der genossenschaftlichen Finanzgruppe sind nach diesem Leit gedanken ausgerichtet. Die Gestaltung der Produkte orientiert sich immer an den Gewohnheiten, Bedürfnissen und Wünschen der Kunden, um eine kundenorientierte, hervorragend funktionierende und sichere mobile Bezahllösung zu entwickeln.

Während sich andere Banken zunächst ausschließlich mit der Kreditkarte auf das Feld des mobilen Bezahlens begeben, hat sich die genossenschaftliche Finanzgruppe entschieden, auch die Girocard ins Smartphone zu bringen.

Für uns liegt es nahe, ein bewährtes und vor allem beim Kunden beliebtes wie stark verbreitetes System zu nutzen: Mit 105 Millionen von Kreditinstituten ausgegebenen Karten, etwa 800 000 angeschlossenen Terminals und etwa drei Milliarden Transaktionen pro Jahr ist die Girocard in Deutschland mit Abstand das beliebteste unbare Zahlungsmittel - das gilt sowohl für Kunden als auch für den Handel. Die seit Ende 2016 im Test befindliche digitale Girocard hat ebenfalls schnell positive Resonanz bei Kunden, Händlern und beteiligten Banken in Kassel gefunden.

Unabhängig durch HCE

Integriert in die VR-Banking-App der Volks- und Raiffeisenbanken wird die digitale Girocard das mobile Banking der Kunden ergänzen. Bei dieser Vorgehensweise entsteht ein geschlossenes Ökosystem von Banking, Wertpapierhandling und Bezahllösungen. Mit dieser eingebundenen bequemen und sicheren Mobile-Payment-Lösung bieten Genossenschaftsbanken ihren Kunden konkurrenzfähige und attraktive Angebote.

Die Entscheidung, bei der Mobile-Paymen-Lösung auf die HCE-Technik (Host Card Emulation) zu setzen, macht die Lösung unabhängig von der SIM-Karte einzelner Mobilfunkanbieter.

- Bei dieser reinen Software-Lösung legt der DG Verlag die digitale Girocard einerseits in einem geschlossenen, sprich abgesicherten Server im Bankenumfeld ab.

- Zusätzlich werden ausgewählte Zahldaten in einer gehärteten Software sicher auf dem Smartphone des Kunden gespeichert.

Über 50 Millionen Personen in Deutschland besitzen ein Smartphone, über 70 Prozent davon sind Android-Geräte. Die Ausgangslage ist damit gut vorbereitet: Der größte Teil der potenziell an einer mobilen Bezahllösung interessierten Kunden hat ein Girokonto und ein geeignetes (NFC-fähiges) Smartphone. Damit ist die Schwelle zur Nutzung der Bezahllösung denkbar gering. Aus Kunden- und Wettbewerbssicht wäre es darüber hinaus geboten, dass alle Betriebssysteme ihre NFC-Schnittstelle entsprechend öffnen.

Mit Bezahlinnovationen Kunden binden und gewinnen

Nach einer Untersuchung der Initiative Deutsche Zahlungssysteme sind 56 Prozent der 16- bis 29-Jährigen offen für das kontaktlose Bezahlen per Smartphone. Diese Kunden werden voraussichtlich schnell Mobile-Payment-Angebote nutzen - ob von ihrer Volks- und Raiffeisenbank oder einem anderen Anbieter, liegt momentan auch in der Hand der Banken selbst. Sie haben die heute seltene Chance, den Kunden zu binden, das Geschehen zu steuern und mit ihrem Angebot neue Kunden zu gewinnen.

Mit der digitalen Girocard können Kunden zudem sicher sein, dass neben der Nutzung der modernsten Technik auch der wichtige Punkt des Datenschutzes gewährleistet ist: Daten werden nicht an Dritte weitergegeben.

Sicherheit und Datenschutz: Voraussetzungen für den Erfolg

Eine erfolgreiche Bezahllösung muss sowohl Kunden als auch den Handel überzeugen und letztlich in der Breite, also im Massenmarkt des Zahlungsverkehrs, funktionieren. Aus diesem Grund hat die genossenschaftliche Finanzgruppe viel Sorgfalt in die Vorbereitung gesteckt.

Eine klare Vorgabe sind Sicherheit und Datenschutz. Daneben sollten sich Ausgabe- und Akzeptanzinfrastrukturen auf vergleichbarem Stand befinden - die Karte muss möglichst flächendeckend im Alltag einsetzbar sein.

Der Weg ist geebnet

Mit der kontaktlosen Girocard haben Volks- und Raiffeisenbanken sowie auch die Sparkassen den Weg in Deutschland bereits geebnet. Bislang gibt es in Deutschland rund 18 Millionen solcher Karten (Stand Mai 2017). Bis Ende des Jahres werden rund 16 Millionen weitere Girocards kontaktlos in die Geldbörsen der Bundesbürger wandern. Auch bei den kontaktlosen Kreditkarten steigen die Zahlen stark.

Auf der Akzeptanzseite wird das kontaktlose Bezahlen sehr begrüßt und die Infrastruktur bereitgestellt. Bis Juli 2017 wurden bundesweit schon mehr als 130 000 Terminals auf Girocard kontaktlos umgestellt.

Zu den Akzeptanzpartnern zum Beispiel unter den renommierten Einzelhandelsketten zählen unter anderem Filialen von Rewe, Penny, toom Baumarkt, Lidl, Aldi Süd und Nord, Edeka Hessenring sowie Edeka Minden-Hannover, die Esso-Tankstellen sowie seit Mai 2017 die Drogeriemarktkette dm. Viele weitere planen bereits die Einführung. Infolgedessen sind die meisten PoS-Terminals in Deutschland NFC-fähig und alle diese Terminals werden in Zukunft auch die digitalen Karten auf dem Smartphone akzeptieren.

Die digitale Girocard: Pilotierungen und Rollout

Bereits seit Dezember 2016 läuft gemeinsam mit Vodafone ein Pilotprojekt mit der zunächst entwickelten SIM-Variante der digitalen Girocard bei der Kasseler Bank und der Raiffeisenbank Baunatal. Die Rückmeldungen der Testnutzer und des Einzelhandels (Edeka Hessenring und andere Händler) zu dieser Bezahllösung via Smartphone sind äußerst positiv. Gerade bei Kleinbeträgen bis 25 Euro ohne PIN-Eingabe konnte das System überzeugen. Das mobile Bezahlen ist dabei sehr gut vergleichbar mit dem Bezahlvorgang bei der Girocard kontaktlos.

Die GfK hat in einer Studie im Juni 2017 festgestellt, dass die Bezahlung mit Girocard kontaktlos ohne PIN-Eingabe, wie es in der Regel bis 25 Euro funktioniert, im Schnitt rund 11 Sekunden dauert. Bei Zahlung mit Stecken der Girocard und PIN-Eingabe war der Bezahlvorgang nach circa 23 Sekunden abgeschlossen. Die Zahlung mit Bargeld lag mit 24 Sekunden nahezu gleichauf. Dabei ist der Bezahlvorgang mit der digitalen Girocard genauso sicher wie das Bezahlen mit der kontaktlosen Girocard, es gelten schließlich die gleichen Sicherheitsverfahren und -standards. In diesem ersten Piloten wurden wertvolle Erfahrungen insbesondere auch zu Kundenverhalten und Kundenbedürfnissen gesammelt, die die genossenschaftliche Finanzgruppe darin bestärkt haben, das mobile Bezahlen mit der Girocard weiter zu verfolgen. Mit dem Wechsel der Technologie von SIM auf HCE ist sie zudem unabhängig von Telefonanbietern und deren strategischen Entscheidungen.

Die digitale Girocard als genossenschaftliche HCE-Lösung wird ab Ende 2017 in einem Family-&Friends-Test erprobt. Dem soll im ersten Halbjahr 2018 ein Endkundenpilot mit dann vollständiger Produktfunktionalität folgen.

Die digitale Kreditkarte vervollständigt das Angebot

Bereits seit 2013 hat die genossenschaftliche Finanzgruppe verschiedene Pilotprojekte auf Basis der Kreditkarte durchgeführt und dabei wertvolle Erkenntnisse für mobile Bezahllösungen gewonnen. Diese Erfahrungen aufgreifend, wird neben der originär in der genossenschaftlichen Finanzgruppe entwickelten Lösung mit der digitalen Girocard selbstverständlich auch die digitale Kreditkarte in der VR-Banking-App verfügbar sein.

Durch die gemeinsame Entwicklung der HCE-Lösung für die Girocard und die genossenschaftlichen Kreditkarten werden neben der Vervollständigung des Angebots bei der technischen und organisatorischen Umsetzung Synergien erzielt.

Mit der digitalen Karte im Smartphone auf Basis der bestehenden und bewährten Bezahlsysteme Girocard und Kreditkarte erhalten die Kunden der Genossenschaftsbanken eine komfortable, sichere und attraktive Lösung zum mobilen Bezahlen. Im Gegensatz zu anderen Lösungen im Einzelhandel bietet sie den großen Vorteil, dass sie übergreifend bei allen Händlern eingesetzt werden kann, die auch Kartenzahlungen kontaktlos akzeptieren. Das Vorgehen der genossenschaftlichen Finanzgruppe ist Bestandteil der übergreifenden Omnikanalstrategie für das Privatkunden- und Firmenkundengeschäft. Die VR-Banking-App bildet dabei die zentrale Drehscheibe für den digitalen Kontozugang, VR Pay ist das Angebot für die umfassende Kartenakzeptanz. Die genossenschaftliche Finanzgruppe sieht diese kontonahen Dienstleistungen als Kerngeschäft an, in das sie im Interesse ihrer Mitglieder und Kunden weiter investieren wird.

Zu den Autoren Dr. Andreas Martin, Mitglied des Vorstands, Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Berlin und Franz-J. Köllner, Mitglied des Vorstands, Deutscher Genossenschafts-Verlag eG (DG VERLAG), Wiesbaden
Dr. Andreas Martin , Mitglied des Vorstands , Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Berlin

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