Rechtsfragen

Wird die Prepaid-Branche ausgebremst?

Entwicklung der Geldwäsche-Richtlinie der EU-Kommission

Noch bevor die im Jahr 2015 beschlossene vierte EU-Geldwäsche-Richtlinie in nationales Recht um gesetzt worden ist, hat die EU-Kommission bereits eine neue Verschärfung auf den Weg gebracht. Die ist nach Einschätzung von Jonny Natelberg nicht nur übereilt, weil ihr keine neuen Erkenntnisse zugrunde liegen. Sie würde auch die Entwicklung der Prepaid-Branche mindestens bremsen und zugleich gegen europäisches Datenschutzrecht verstoßen. Sollte es dennoch zu der ausnahmslosen Identifizierungspflicht kommen, müsste dies jedoch von den Issuern übernommen werden, so Natelberg. Die Umsetzung im Handel ist praxisfern. Red.

Die Prepaid-Branche ist verhältnismäßig jung, umso beeindruckender hat sie sich zu einem milliardenstarken Wirtschaftsfaktor entwickelt. So wurden im Jahr 2015 für E-Geld-Produkte 21,8 Milliarden Euro konsumiert, das Zahlungsvolumen legte um 8,8 Prozent zu.

Bereits jede zweite Sparkasse und Genossenschaftsbank gibt inzwischen Prepaid-Kreditkarten heraus. Die im Jahr 2016 geplante erneute Verschärfung der EU-Geldwäsche-Richtlinie könnte diese Entwicklung jedoch ausbremsen.

Die Entwicklung des Prepaid-Marktes

Die ersten Prepaid-Karten kamen mit den Mobiltelefonen in den neunziger Jahren auf den Markt. Die Kunden wählten aus den Telefonkarten unterschiedlicher Summen eine aus, zahlten sie vorab und konnten das entsprechende Guthaben abtelefonieren. Diesen Verbrauchern, die eher zu den Wenigtelefonierern zählten, war es wichtig, die Kosten im Blick zu haben. Der Durchbruch der Prepaid-Karte gelang Mitte 2000, als die Mobilfunkanbieter die Preise für Telefonate und Kurznachrichten senkten.

Den Erfolg im Mobilfunkbereich registrierte auch der Einzelhandel. Längst sind Prepaid-Karten und Geschenkgutscheine in den unterschiedlichsten Branchen erhältlich und nehmen einen hohen Stellenwert bei Konsumenten ein. Immerhin stieg der Absatz der Gutscheinkarten im Jahr 2015 um acht Prozent.1)

Von diesem Wachstum profitieren Unternehmen mit Innovationen. Online-Portale bieten Konsumenten an, die Geschenkkarten weiter zu individualisieren und als Unikat selbst zu gestalten - mit Fotos und über eine Cloud sogar mit Videobotschaften. Und das zahlt sich aus. Attraktive und einzigartige Geschenkkarten steigern den Absatz.

Gutscheinkarten können jedoch weitaus mehr. Bezahlkarten lassen sich auch als staatliche Leistungserbringung einsetzen. Der Vorteil der Bezahlkarte liegt in der Verringerung des bürokratischen Aufwandes. Belgien nutzt beispielsweise das Gutscheinmodell bereits seit 2004, um die Schwarzarbeit zu bekämpfen und die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu fördern.

Das Potenzial der Gutscheinkarten

In den letzten Jahren entstanden immer mehr Online-Shops, die Gutscheinkarten anbieten und bei denen die Karten eingelöst werden können. Ein Anstieg von 83 Prozent 2) konnte in den Jahren 2013 bis 2015 ausgemacht werden. Entsprechend agieren die Konsumenten, obwohl die meisten online gekauften Geschenkkarten noch in einem stationären Geschäft eingelöst werden. Im Jahr 2015 wurden bereits 44 Prozent 3) der online erstandenen Gutscheinkarten online eingelöst.

Regulatorische Entwicklungen können diese Entwicklung jedoch bremsen. Wir müssen aufpassen, dass die Regulierung die richtigen Grenzen setzt.

Verschärfung der Geldwäsche-Richtlinie ohne neue Erkenntnisse

Die erste Geldwäsche-Richtlinie stammt aus dem Jahr 1991. Die Erlöse aus illegalen Tätigkeiten zu waschen und somit das organisierte Verbrechen zu verhindern, war und ist das Ziel dieser Richtlinie. Heutige Freiräume für aufladbare und nicht wiederaufladbare E-Geld-Produkte regelt die dritte Geldwäsche-Richtlinie. Während im Jahre 2015 die vierte Geldwäsche-Richtlinie beschlossen, jedoch noch nicht in nationales Recht umgesetzt wurde, ist schon die fünfte Geldwäsche-Richtlinie auf dem Weg.

Mit dem Aufkommen des Terrorismus und der Anschläge in Europa wurde diese regulatorische Vorgabe, die sich unter anderem auf E-Geld bezieht, verschärft. Und das, ohne dass die EU-Kommission über konkrete Erkenntnisse hinsichtlich des Nutzungsumfanges anonymisierter E-Geld-Produkte durch Terroristen verfügt. Unbegründet ist zudem, wieso die Gefahr der Nutzung anonymer Prepaid-Karten im Vergleich zu Bargeld sowie weiteren Zahlungsmitteln höher eingeschätzt wird.

Fallstudien zeigen sogar klare Vorteile für die Fahnder auf, da der Nutzer mit Prepaid-Karten eine digitale Spur hinterlässt. Allerdings gibt es hinsichtlich möglicher Vorteile für die Fahndung beziehungsweise Prävention bei der Verwendung identifizierter Kreditkarten keine Angaben. Ein Fallbeispiel zum Terrorismusanschlag in Paris zeigt dagegen, dass die bereits verabschiedeten Schwellenwerte gemäß der noch nicht umgesetzten vierte Geldwäsche-Richtlinie (2015), die 250 Euro pro Monat betragen, die genannte Nutzung erheblich erschwert oder unmöglich gemacht hätte.

Die neuerlichen gravierenden Veränderungen der EU im Kampf gegen die Terrorismusfinanzierung und die Geldwäsche wird sich dagegen auf die Prepaid-Branche auswirken.

Noch bevor die Geldwäsche-Richtlinie aus dem Jahr 2015 in nationales Recht umgesetzt werden kann, hat die EU-Kommission bereits einen Vorschlag zur weiteren Verschärfung unterbreitet. Der neue Entwurf der EU-Kommission sieht eine ausnahmslose Identifikationspflicht der Nutzer von E-Geld-Produkten bei Online-Zahlungen vor.

Identifikationspflicht schränkt Grundrechte ein

Alle ermittelten Daten müssen außerdem mindestens fünf Jahre aufbewahrt werden. Der Prepaid Verband Deutschland (PVD) sieht hierin eine Verletzung des im Artikel 8 der EU-Grundrechtcharta festgesetzten Grundechtes auf Datenschutz. Der PVD stellt klar, dass die EU-Kommission weiterhin die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes zur Vorratsdatenspeicherung außer Acht lässt.

Wer eine Gutscheinkarte erwirbt, soll sich nach Willen der EU-Kommission selbst bei Kleinbeträgen künftig identifizieren lassen, wenn das Produkt für Online-Zahlungen genutzt werden soll. Aus einer guten Absicht wird dadurch die Kontrolle aller Käufer.

Der PVD unterstützt die angestrebten Ziele, den mutmaßlichen Missbrauch von E-Geld-Produkten zum Zweck der Geldwäsche einzuschränken und der Terrorismusfinanzierung vorzubeugen. Da jedoch die neue Vorlage den Datenschutz der Nutzer erheblich beschneidet, steht der PVD dem Entwurf der Richtlinie äußerst kritisch gegenüber. Peter Schaar, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit a. D., warnt sogar: "Sollte die Richtlinie zur Geldwäschebekämpfung wie von der Kommission geplant tatsächlich umgesetzt werden und in Kraft treten, gehören anonyme Zahlungen im Internet der Vergangenheit an. Es wäre ein bedeutender Einschnitt in die Freiheit." 4)

Umsetzungsprobleme in der Praxis

Wird die Richtlinie wie geplant umgesetzt, müssen Käufer der betreffenden Prepaid- Karten ihre privaten Daten vor dem Online-Einsatz der Karte angeben. Für den Prozess der Identifikation kommt der Einzelhandel sicher nicht in Frage, denn dies bedeutet einen erheblichen Mehraufwand. Die Bekanntgabe der personenbezogenen Daten müsste zudem in einer Art und Weise erfolgen, die gewährleistet, dass Dritte - wie weitere Kunden an oder in der Nähe der Kasse - diese Daten weder optisch noch akustisch erfahren. Im Grunde müsste die Identifizierung in separaten Räumlichkeiten erfolgen. Jedoch wird dies in der Praxis nicht zu realisieren sein.

Somit ist die Identifizierung durch den Einzelhandel nicht nur aus Datenschutzgründen, sondern auch wirtschaftlich nicht vertretbar. Die Identifizierung des Käufers soll - so die Forderung des Prepaid-Verbandes - daher in einem separaten späteren Prozess vom Herausgeber erfolgen. Das heißt: Der Kauf wird zwar im Einzelhandel getätigt, die spätere Aktivierung erfolgt nach KYC (Know-Your-Customer) durch den Issuer.

Inhalte und Risiken der vorgeschlagenen fünften EU-Geldwäsche-Richtlinie

Die ausnahmslose Identifikation - "... either of online payment ..." - in Artikel 12 Abs. 2 der 5. Geldwäsche-Richtlinie bedeutet, dass EU-Mitgliedstaaten die Anbieter von E-Geld-Produkten künftig nicht mehr von der Erfüllung der Sorgfaltspflichten entbinden können, sollte das Produkt für eine Online-Zahlung verwendet werden.

Die Folge: Anonyme Bezahlmöglichkeiten im Internet würden bei Umsetzung des Vorschlages der EU-Kommission entfallen. Selbst ein Erwerb eines Produktes im Bagatellbetrag wäre ausgeschlossen. Anlass- und differenzierungslos würden massenhaft personenbezogene Daten erfasst und fünf Jahre aufbewahrt. Es wäre eine Flut an Nutzerdaten von Online-Bezahlverfahren.

Diese Identifikations- und Speicherungsverpflichtung widerspricht jedoch den Vorgaben der Europäischen Grundrechtcharta. Schon das Bundesverfassungsgericht mahnte Anfang März 2010, dass Gesetze, die auf eine möglichst flächendeckende vorsorgliche Speicherung aller für die Strafverfolgung oder Gefahrenprävention nützlichen Daten zielen, mit der Verfassung unvereinbar sind. Überlegte gesetzliche Richtlinien scheinen aktuell in weiter Ferne. So ignoriert die EU-Kommission mit ihrem neuerlichen Vorstoß das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Vorratsdatenspeicherung aus dem Jahr 2014.

De-facto-Abschaffung anonymer Internetzahlungen

Sollten die Vorschläge der EU-Kommission umgesetzt werden und anonyme Bezahlsysteme im Internet vollständig entfallen, haben die Nutzer keine Möglichkeit mehr, die vorhandenen Risiken eines Datenmissbrauchs ihrer Finanzdaten zu minimieren. Es wäre eine Defacto-Abschaffung der Anonymität für Internetzahlungen - mit schwerwiegenden Folgen für das Grundrecht der Privatsphäre.

In der Impact Assessment werden die negativen Folgen für Datenschutz und Grundrechte von der EU zwar angesprochen und anerkannt, aber in der Erwägung der Optionen im Vergleich zum Status quo nicht nachvollziehbar mit "null" bewertet. Der Vorteil, im Internet in begrenztem Umfang anonym zahlen zu können, wird nur als Vorteil für Kriminelle zur Geldwäsche beziehungsweise Terrorismusfinanzierung und demnach als Missbrauch gesehen.

Der PVD bezweifelt, dass dieser Entwurf mit dem durch die Datenschutzgrundverordnung und der Datenschutzrichtlinie für Polizei und Justiz vorgegebenen Rahmen kompatibel ist. Nutzer könnten gar versuchen, die Verschärfung der Geldwäsche-Richtlinie zu umgehen: Das Abtauchen in unregulierte, illegale Bereiche würde jedoch den Kampf gegen die Geldwäsche und die Terrorismusfinanzierung erheblich erschweren. Dieses würde dem anvisierten Ziel der EU-Kommission entgegenwirken.

Weiter begrenzt werden soll zusätzlich die bereits existierende niedrig angesetzte Höchstgrenze. Dieses Vorhaben beschränkt den Einsatzbereich anonymer Zahlungsmittel auch außerhalb des Online-Bereichs.

Erfahrungen zeigen, dass angemessene Betragslimits genügen, um das tatsächliche Gefahrenpotenzial von E-Geld hinreichend zu reduzieren - vor allem beim Einsatz im Internet. Die Ausnahme der Erfüllung der Sorgfaltspflicht bei E-Geld-Produkten mit geringem Risiko der Geldwäsche beziehungsweise der Terrorismusfinanzierung bedeutet keine Gefährdung.

Die vorhandene Geldwäsche-Richtlinie nutzen

So stellten beispielsweise die Jahresberichte der Financial Intelligence Unit, kurz FIU, des Bundeskriminalamtes seit der Einführung strenger Betragshöchstgrenzen in Deutschland im Jahr 2011 fest, dass sich Verdachtsmeldungen im Bereich elektronischer Zahlungssysteme auf einem sehr niedrigen Niveau bewegen.

Der PVD ist davon überzeugt, dass die bereits implementierten Maßnahmen zur Risikominimierung der regulierten E-Geld-Emittenten im Zusammenspiel mit besonnenen Speicherobergrenzen genügen, um den Missbrauch von E-Geld-Produkten zum Zwecke der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung effektiv zu bekämpfen. Er plädiert daher für die Streichung des "... either of online Payment ..."-Einschubes.

Voreilige Verschärfung der Geldwäsche-Richtlinie

Noch ist die vierte Geldwäsche-Richtlinie nicht einmal in nationales Recht umgesetzt. Die Umsetzungsfrist endet erst am 26. Juni 2017. "The insufficiency and ineffectiveness of the agreed, but not yet implemented restrictions on e-money of the 4AMLD is an unproven hypothesis." 5) Der PVD ist der Ansicht, dass es sinnvoller wäre, erst praktische Erfahrung mit der letzten Geldwäsche-Richtlinie zu sammeln, bevor sie massiv verschärft wird.

Warum Konsumenten anonyme Prepaid-Instrumente bevorzugen, ist schwer einzuschätzen. Zwei Gründe könnten für die Beliebtheit sprechen, das wären:

- einerseits das anonyme Bezahlen sowie

- der bequeme Erwerb ohne die administrative Hürde einer Identifizierung.

Es ist auf jeden Fall zu erwarten, dass die nun erforderliche Know-Your-Customer-Hürde für E-Geld-Produkte, bei denen das anonyme Zahlen nicht im Vordergrund steht wie beispielsweise bei Gutscheinkarten im Handel, die Marktentwicklung erheblich beeinträchtigen wird.

Fußnoten:

1) - 3) Ingenico-Bericht "Gutscheinkarten als Markenbotschafter", Benchmarkstudie über Branchenunterschiede und Trends bei Gutscheinkarten, August 2016, veröffentlicht unter: https://ingenico.de/payment-services/unternehmen/news/local/all/2016/03/benchmarkstudieuber-branchenunterschiede-und-trends-bei-gutscheinkarten....

4) Peter Schaar, Vorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID), Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit a.D., Pressemitteilung PVD "EU plant Identifizierungszwang für Online-Zahlungen", September 2016, veröffentlicht unter: http://www.prepaidverband.de/news/eu-plant-identifizierungszwang-fuer-online-zahlungen/

5) o.V., 5AMLD: The end of anonymous online payments, PaySys Report, No. 7 (2016), Seite 4

Zum Autor Jonny Natelberg, Executive Advisor Corporate Affairs, Lekkerland AG & Co. KG, und Sprecher des Vorstands, Prepaid Verband Deutschland e.V., Frankfurt am Main
Jonny Natelberg , Geschäftsführender Vorstand , PVD - Prepaid Verband Deutschland e.V.
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