Visa und die Fifa: bald heißt es Farbe bekennen

sb - Eigentlich hätte der Kartenorganisation Visa bereits zum Start ihrer Zusammenarbeit mit der Fifa im Jahr 2007 klar sein müssen, mit was für einem Partner sie es hier zu tun hat: einem nämlich, bei dem "fair play", wie es auf dem Fußballplatz eingefordert wird, nicht immer die oberste Maxime des eigenen Handelns ist. Anderenfalls nämlich wäre der Sponsorenvertrag, bei dessen Aushandeln das "Vorkaufsrecht" des damaligen Fifa-Sponsors Mastercard schlichtweg übergangen wurde, wahrscheinlich gar nicht zustande gekommen.

Heute herrschen bei Mastercard vermutlich gemischte Gefühle darüber, dass man 2006 so unfair aus einem Sponsoringengagement herausgedrängt wurde, das in seiner Breitenwirkung seinesgleichen sucht. Denn natürlich entgeht Mastercard dadurch eine wichtige Plattform, die eigene Marke weltweit zu transportieren. Andererseits ist es nun der Wettbewerber, der immer wieder im Zusammenhang mit den Skandalen rund um die Fifa genannt wird. Denn seitdem Visa im Januar 2014 die Partnerschaft mit der Fifa bis 2022 verlängert hat, reißen diese Skandale nicht ab. Da gibt es die Aufregung über die Arbeitsbedingungen ausländischer Arbeitskräfte auf den WM-Baustellen in Katar, neuerdings auch Berichte darüber, wie Arbeitnehmerrechte auf den WM-Baustellen in Russland außer Kraft gesetzt werden. Und dann der jüngste Korruptionsskandal.

Bereits drei Mal sah sich Visa, ebenso wie die anderen Top-Sponsoren, deshalb veranlasst, ein Statement zur Sache abzugeben: am 24. November 2014 sowie am 9. Und 27. Mai dieses Jahres. Dies ist eine Frage der politischen Korrektheit und wird von der Öffentlichkeit erwartet. Keiner der sechs Top-Sponsoren kann es sich leisten, solche Dinge wortlos zu übergehen.

Und doch hat man den Eindruck, dass diese Statements, die Visa keineswegs offensiv als Pressemitteilung und in verschiedenen Sprachen verbreitet, sondern die vielmehr im Corporate Blog "versteckt" (und von der Suchfunktion auf der Website von Visa Corporate nicht gefunden) werden, nicht sehr viel mehr sind als Lippenbekenntnisse, mit denen man den Erwartungen der Öffentlichkeit entspricht. Indem die Sponsorentransparenz, ein Einwirken auf die Verantwortlichen in Katar, sowie die Orientierung an ethischen Standards in den Praktiken der Fifa einfordern, waschen sie gewissermaßen ihre Hände in Unschuld - nach dem Motto: Mehr können wir nicht tun.

Doch, können sie: Schließlich ist es kaum vorstellbar, dass die Sponsoringverträge keine Vertragsklausel beinhalten, die einen Ausstieg vorsehen, wenn das Engagement sich für die Geldgeber rufschädigend auszuwirken droht. Was angesichts der Doping-Affären im Radsport möglich war, muss auch bei der Fußball-WM möglich sein. Wenn die Sponsoren ganz konkret damit drohen, sich zurückzuziehen, wenn sich bis zu einem bestimmten Stichtag nichts ändert (und diese Drohung dann auch wahrmachen), können sie wirklich Einfluss ausüben. Schließlich geht es um enorme Summen im Fußballgeschäft.

Natürlich ist es möglich, dass der Rücktritt von Sepp Blatter auch auf Druck der Sponsoren hinter den Kulissen erfolgte. Allmählich werden die Sponsoren aber auch offen Farbe bekennen müssen, ob ihre wiederholt zum Ausdruck gebrachte Sorge wirklich ernst gemeint ist. Oder geht es ihnen doch nur um nacktes Kalkül? Eine Marketingplattform wie die Fußball-WM wird man so leicht nicht wieder finden. Und werden die Fans während der Fußball-Großereignisse wirklich an die Skandale denken und das Anschauen der Spiele aus diesem Grund boykottieren? Oder werden Karteninhaber in nennenswerter Zahl ihre Visa-Karte gegen ein anderes Zahlungsinstrument umtauschen, nur weil Visa Partner der skandalumwitterten Fifa ist? Beides ist eher unwahrscheinlich. Insofern bleibt die Partnerschaft mit dem Weltfußballverband für Visa allen Skandalen zum Trotz vermutlich ein gutes Geschäft.

Will man sich dieses nicht entgehen lassen, sollte man sich künftig jedoch die Anmerkungen zu neuerlichen Skandalmeldungen sparen, die von Mal zu Mal unglaubwürdiger werden, wenn sie keine Konsequenzen nach sich ziehen. Ein Sponsor hingegen, der aussteigt, um nicht zu Korruption und zu sklavenähnlichen Arbeitsverhältnissen in Katar und Russland beizutragen, würde damit enorm an Glaubwürdigkeit gewinnen. Natürlich wäre das ein einmaliger Imageeffekt und in seiner Wirkung nicht mit der Marketingplattform einer Fußball-WM zu vergleichen. Doch müsste ein solcher Ausstieg ja nicht auf Dauer sein. Sobald die erwünschten Änderungen eintreten, könnten die Sponsoren mit neuer Glaubwürdigkeit wieder auf den Plan treten. Bei Visa deutet sich zumindest an, dass man über Konsequenzen der Dauerskandale nachdenkt. In dem Statement vom 27. Mai heißt es zum ersten Mal, wenn die Fifa nicht dafür sorge, dass man sich allein auf die sportlichen Ereignisse konzentrieren könne, dann werde das Unternehmen das Engagement neu bewerten.

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