Mobile Payment

"Der Bereich der In-App-Käufe wird am stärksten wachsen" Interview mit Davide Richetta

Davide Richetta

Sobald das Mobile Payment allgemein bekannter wird, wird der Netzwerkeffekt auch in Deutschland den Markt stabilisieren, meint Davide Richetta. Besonders stark wachsen dürfte dabei der Bereich der In-App-Zahlungen. Hier rechnet Richetta mit einem Trend, Zahlungen über die auf dem mobilen Endgerät als Standardkarte eingetragene Karte abzuwickeln. Emittenten müssten deshalb ihre Topof-Wallet-Strategien verfeinern. An dieser Stelle kommen Dienstleister ins Spiel. Sie müssten den Sprung vom Zulieferer zum strategischen Partner schaffen, um langfristig erfolgreich zu sein. Red.

 

Schon seit Jahren wird in Deutschland über den bevorstehenden Durchbruch des mobilen Bezahlens gesprochen. Bisher ist dieser jedoch ausgeblieben. Woran liegt das ihrer Einschätzung nach?

Damit mobile Zahlungen in Zukunft zunehmen, gilt es bei Einführung der Schlüsseltechnologien einige Herausforderungen zu meistern. Auf der Verbraucherseite muss die Durchdringung mit Smartphones einen Wendepunkt erreichen. Aus Perspektive der Händlerakzeptanz müssen die PoS-Terminals für die Annahme von NFC-Zahlungen aufgerüstet werden, die Übersetzung in Token muss Zahlungssicherheit bieten und entweder das sichere Element (SE) oder die Host Card Emulation (HCE) als Gerätetechnologie über die Cloud bereitgestellt werden. Die langfristige Entwicklungsfähigkeit von mobilen Zahlungen hängt allerdings davon ab, dass das gesamte Ökosystem gegenüber den herkömmlichen Zahlungen mit physischen Karten dem Verbraucher einen nachweislichen Mehrwert bietet.

Die Technologien, um die ersten zwei Hürden zu überwinden, sind zunehmend vorhanden: Smartphones sind allgegenwärtig und alle PoS-Terminals werden bis 2020 wie von Visa und Mastercard verlangt in ganz Europa NFC-fähig sein. Verbraucher stufen Sicherheitsbedenken als Haupthindernis für die Annahme ein. Während die heutige Kombination von Tokenisierung, Biometrie und Secure Element/HCE eine sehr sichere Plattform für mobile Zahlungen bietet, ist das steigende Bewusstsein für die Sicherheit eine große Chance.

In der "Studie über mobile Bezahlvorgänge deutscher Verbraucher" von 2015 berichtete TSYS, dass mobile Zahlungen auf dem deutschen Markt wie auch in ganz Europa noch in den Kinderschuhen stecken.

In den nächsten beiden Jahren erwarten wir, dass mobile Bezahlvorgänge eine kritische Masse erreichen, vor allem da Einzelhändler ihre zögerliche Haltung, die benötigte Infrastruktur einzuführen, überwinden - was zur rasch wachsenden Nachfrage passt, die wir von Verbraucherseite beobachten Das sieht man am Beispiel der kontaktlosen Zahlungen: Nach einer zunächst schleppenden Einführung in Großbritannien im Jahr 2008 gewinnen kontaktlose Bezahlungen nun in ganz Europa an Beliebtheit. Bis Ende 2014 wurden in ganz Europa mehr als 223 Millionen kontaktlose Karten ausgegeben und damit 60 Prozent mehr als im Vorjahr.

Mobile Bezahlvorgänge werden von zwei wichtigen Verbraucherbedürfnissen angetrieben:

- Dem Wunsch, immer mit der digitalen Welt verbunden zu sein und

- dem Wunsch, einen Kauf auf einem einzelnen Gerät zu tätigen.

Sobald Verbraucher anfangen, mobile Bezahlvorgänge zu nutzen, werden sie die Vorteile sehen, aber noch fehlt ihnen ein Bewusstsein dafür. Einzelhändler und Finanzinstitute müssen enger zusammenarbeiten, um die Vorteile für Verbraucher zu vermitteln.

Gibt es zu viele oder zu wenige Angebote?

In Deutschland gibt es derzeit eine Reihe von Angeboten im Bereich mobiler Bezahlvorgänge. Der deutsche Markt entwickelt sich noch, darum erwarten wir kurzfristig eine steigende Anzahl neuer Marktteilnehmer in diesem Bereich. Die Verbraucher werden schließlich einige wenige Anbieter - die ihnen gegenüber Transaktionen mit physischen Karten einen tatsächlichen Mehrwert bieten - in die beneidenswerte Position bringen, eine kritische Masse zu erreichen. Dann wird der Netzwerkeffekt den Markt stabilisieren und kleinere Akteure werden entweder zusammengefasst oder verschwinden.

In Großbritannien beispielsweise gibt es nur einen einzigen, dominanten Mobile-Payment-Anbieter, dessen Strategie sich auf den hohen Bekanntheitsgrad, den er bei den Verbrauchern erreicht hat, und seine Zusammenarbeit mit Finanzinstituten fokussiert. Wer auf dem deutschen Markt auftauchen wird, steht heute noch nicht fest.

Als wie realistisch bewerten Sie einen Durchbruch im Jahr 2016?

2015 wurde das M-Payment-Konzept durch die Einführung neuer Lösungen einer breiten Öffentlichkeit bekannter. Verbraucher, die probeweise M-Payments verwendet haben, waren äußerst zufrieden mit ihren Erfahrungen. Daher lässt sich vermuten, dass Verbraucher diese neuen Zahlungsmethoden ausprobieren, sobald sie allgemein bekannter sind und die Akzeptanz steigt.

Dieses Wachstum wird größtenteils von Einzelhändlern und Finanzinstituten angetrieben werden und von deren Bereitschaft, die technologische Infrastruktur für mobile Zahlungen bereitzustellen.

Welche Voraussetzungen müssten dazu erfüllt werden?

Zwei Anforderungen müssen erfüllt werden, damit die Beliebtheit von M-Payments zunehmen wird.

- Infrastruktur: Einzelhändler und Finanzinstitute sind gefordert, die richtige Infrastruktur bereitzustellen, um M-Payments zu erleichtern. Der Durchdringungsgrad von NFC-PoS in Deutschland ist niedrig - 2014 waren es nur 10 Prozent. Dies ist allerdings lediglich eine kurzfristige Herausforderung, da Einzelhändler alte Terminals zunehmend durch neue ersetzen, bei denen kontaktlose Funktionalität der Standard sein wird.

- Verbraucherbewusstsein: Damit sich Verbraucher bei der Anwendung von M-Payments wohl fühlen, müssen Einzelhändler und Finanzinstitute ihnen die Vorteile bewusst machen und ihre grundlegenden Ängste zerstreuen. Sicherheit rund um M-Payments ist das Hauptanliegen der Verbraucher - 74 Prozent gaben an, dass sie mobile Zahlungen nicht für sicher halten. Um bei Verbrauchern ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass mobile Bezahlvorgänge sicher sind, müssen sie entsprechend aufgeklärt werden.

Wie gut sind Banken im Bereich Mobile Payment positioniert?

In der Studie wurde gefragt, welcher Mobile-Payment-App die Befragten im Hinblick auf die Sicherheit ihrer privaten und finanziellen Informationen am meisten vertrauen. Die große Mehrheit der Befragten - ganze 73 Prozent - wählte hier "meine primäre Finanzinstitution/Bank. Als zweithäufigste Antwort nannten 11 Prozent Bezahlkartensysteme (wie Visa, Mastercard, American Express).

Während viele Hersteller von Mobilgeräten und Betriebssystemen neue Apps auf den Markt bringen, die Verbrauchern ein sicheres und einfaches Mobile-Payment-Erlebnis versprechen, haben derzeit die Banken das Ruder in der Hand und sollten entsprechend handeln, um ihre Vertrauensstellung wirksam einzusetzen.

Was können Dienstleister dazu beitragen, dass Banken ihre Rolle bei innovativen Zahlungsverkehrsdienstleistungen festigen können? Wie verändert sich dadurch das Anforderungsprofil an einen Dienstleister?

Banken bemühen sich derzeit, ein nahtloses Kundenerlebnis anzubieten und eines, das konsistent ist, egal ob der Kunde nun mobile Bezahlsysteme verwendet, mit einem Mitarbeiter im Callcenter spricht oder eine Filiale aufsucht.

Man wird ausgewählte Dienstleister weniger als Zulieferer der Bank betrachten, sondern zunehmend auffordern, einen partnerschaftlichen Ansatz umzusetzen. Banken werden versuchen, mehr zu investieren, um ihre Innovationsbedürfnisse zu erfüllen, und Zulieferer auswählen, die aufgrund ihrer proaktiven Natur und ihrer Bereitschaft, der Bank helfen, die Bedürfnisse der Verbraucher zu erfüllen.

Die Dienstleister, die den Sprung vom Zulieferer zum strategischen Partner schaffen, werden jene sein, die es Banken ermöglichen, Innovationen durch drei Merkmale bereitzustellen: schnelle Markteinführung, einfache Integration zwischen Altplattformen und neuen Technologien und die Aktivierung von Drittanbieter-Apps.

Welches Potenzial haben Händler-Apps mit Bezahlfunktion? Sind solche Apps, bei denen sich der Kunde für jeden Händler eigens registrieren muss, nur eine Übergangserscheinung?

Von den 27 Prozent der Befragten, die angaben, in den letzten sechs Monaten mobile Bezahlmethoden verwendet zu haben, hatte die Hälfte Gegenstände oder Apps online über mobile Geräte gekauft. Das ist ein Vorbote des Potenzials von Apps im Allgemeinen. Mobile-Commerce-Apps nehmen stark zu und ermöglichen mehr mobile Transaktionen, einschließlich solcher, die innerhalb der App selbst durchgeführt werden. Darauf zu bauen, dass solche "In-App-Käufe eines Tages die Transaktionen in Läden überholen werden, ist durchaus nicht abwegig.

Während das M-Payment-Ökosystem rasant Form annimmt, wird der Bereich der In-App-Käufe, für online oder über Mobiltelefone getätigte Käufe, in Zukunft am stärksten wachsen. Mobile Apps, mit denen Händler Karteninhabern anbieten können, innerhalb der App zu bezahlen, nehmen stark zu. So bietet zum Beispiel der Taxiservice Uber seinen Kunden eine mobile App an, mit der sie ein Fahrzeug finden und dann sofort innerhalb der App bezahlen können. Die wachsende Nutzung dieser alternativen In-App-Lösungen spiegelt eine Bevölkerung wider, die immer mehr damit vertraut ist, online einzukaufen, und für Zahlungen zunehmend mobile Geräte verwendet.

Während es tatsächlich nur ein kurzfristiges Phänomen ist, von Kunden zu verlangen, sich für mehr als ein paar ihrer Lieblingsapps anzumelden, unterstreicht der Wandel hin zu nahtlosen Zahlungen innerhalb mobiler Apps, wie wichtig es ist, dass Kartenanbieter ihre Top-of-Wallet-Strategien verfeinern. Anders gesagt müssen sie herausfinden, wie man Verbraucher ermutigt, ihre Karte in jeder heruntergeladenen App, in der mobile Zahlungen möglich sind, zu belasten und sie dazu zu bringen, immer diese Karte zu verwenden, wenn sie etwas kaufen.

Für einen Kartenanbieter ist es von großem Wert, wenn seine Karte die Standardkarte bei M-Payment-Lösungen ist, denn üblicherweise wird bei solchen Apps jedes Mal, wenn der Dienst eine Zahlung veranlasst, die Standardkarte benutzt - es sei denn, der Verbraucher entscheidet sich aktiv dafür, eine andere Karte zu wählen.

Da mobile Bezahllösungen an Dynamik gewinnen, könnten viele App-Anbieter aufhören, neue Nutzer aufzufordern, eine Karte anzugeben, und stattdessen die Option anbieten, mit der auf dem Gerät eingetragenen Standardkarte zu bezahlen. Natürlich könnte ein Verbraucher sich entscheiden, bei jedem Kauf eine andere Karte zu benutzen, allerdings ist das wenig wahrscheinlich.

Welche Einsatzbereiche versprechen aktuell das größte Potenzial beim Bezahlen mit dem Smartphone – E-Commerce, stationärer PoS, Automaten?

In der Studie wurden die Verbraucher gefragt, wie wahrscheinlich es in verschiedenen Szenarien wäre, dass sie ihr Smartphone benutzen würden, um mobil zu bezahlen.

Die drei Hauptszenarien, in denen über ein Drittel der Befragten mit "wahrscheinlich oder "sehr wahrscheinlich antwortete, bezogen sich auf die Bereiche: Supermarkt, Kaufhaus, Parken.

Dies unterstreicht den Aspekt der Bequemlichkeit. In diesen Szenarien sind Zahlungen eine Notwendigkeit, doch ist es die Aktivität vor und nach der Zahlung, die als wichtiger erachtet wird. Wenn also M-Payments das Versprechen des reibungslosen Bezahlens (das heißt die Zeit zu verkürzen, die zum Bezahlen nötig ist) erfüllen, dann lassen sich die Verbraucher in eine Ära der langfristigen Attraktivität im gesamten Bereich der M-Payments führen.

Können P2P-Transaktionen den Durchbruch bringen?

Während nur 28 Prozent der Befragten sagten, sie würden "wahrscheinlich oder "sehr wahrscheinlich ihr Smartphone benutzen, um Personen mobil zu bezahlen (Freunde, Familie, Handwerker), werden P2P-Transaktionen noch immer als wichtiger Teil des Trends zu M-Payments betrachtet und können dabei helfen, diese Zahlungen weiter anzukurbeln.

P2P wird für das Bankwesen und insbesondere für den Zahlungsverkehr tiefgreifende Änderungen bringen, wie in einigen europäischen Ländern bereits geschehen. Da Verbraucher immer vertrauter damit werden, online zu bezahlen, ohne tatsächlich Geld zu sehen, werden sie sich auch sicherer fühlen, M-Payments zu nutzen - nicht nur mit ihren Kontakten, sondern auch mit Einzelhändlern. Noch einmal: Für die Bank wird der Schlüssel dazu sein, eine einzelne Anwendung anzubieten, die es Menschen erlaubt, M-Payments zu leisten und sich außerdem mit ihrem Bankkonto zu verbinden.

Verbraucher vertrauen ihrem Finanzinstitut weitaus mehr, wenn es um den Schutz ihrer persönlichen Informationen geht, als irgendeinem anderen Unternehmen. Außerdem verlagern sich die regulatorischen Rahmenbedingungen und werden eine bedeutende Rolle dabei spielen, P2P-Innovationen voranzutreiben.

2014 prüfte die Europäische Bankenaufsichtsbehörde den Zahlungsverkehrssektor, um zu verstehen, wodurch Innovationen ausgebremst werden. Als Haupthindernis wurde der Zugang zu Bankkonten ausgemacht. Die Zahlungsdiensterichtlinie II (PSD II) wurde 2015 abgefasst und wird ab 2016 stufenweise umgesetzt, wobei der Kontozugriff (XS2A) einer der ersten Schwerpunkte sein wird.

Was bedeutet das Aus für Yapital für den Markt mobiler Zahlungen in Deutschland?

Sobald eine neue Lösung wie M-Payments auf dem Markt zur Verfügung steht, gibt es viele neue Anbieter, die unterschiedliche Anwendungen anbieten. In diesen Situationen gibt es im Allgemeinen tendenziell mehr Anbieter als es Bedarf gibt, weswegen einige der frühen Anbieter aus dem Markt ausscheiden. Der deutsche Markt für M-Payments hat ein gutes Wachstumspotenzial und Verbraucher stehen neuen Zahlungsmethoden, die ihnen ein positives Erlebnis beim Bezahlen bieten, aufgeschlossen gegenüber.

M-Payments werden auf dem deutschen Markt stetig wachsen und den herkömmlichen kartenbasierten Zahlungen Marktanteile abnehmen. Erfolgreich werden diejenigen M-Payment-Anbieter sein, die ein nahtloses Kundenerlebnis bieten und dafür sorgen können, dass die Bedürfnisse des Verbrauchers im Zentrum der Lösung bleiben.

Viele Verbraucher misstrauen dem Mobile Payment, weil sie fürchten, dass beim Verlust ihres Telefons ihre Daten gestohlen werden könnten oder dass sie dann nicht mehr bezahlen können. Sind hier "Wearables" wie zum Beispiel Uhren eine Alternative, mit der die Branche solchen Bedenken begegnen kann? Wenn ja: Wer müsste sie ausgeben?

Auf kurze Sicht sehen wir nicht, dass Wearables für sich allein genommen eine Lösung sein können. Wearables können Zahlungen ermöglichen, allerdings müssen sie weiterhin mit einer Zahlungsmethode verbunden sein - beispielsweise einem Mobiltelefon. Falls jemand sein Mobiltelefon verliert, kann er allein mit seinem Wearable keine Zahlung tätigen. Auf dem Mobiltelefon gibt es eine digitale Geldbörse, die mit einer Debit- oder Kreditkarte verbunden ist, also leistet im Hintergrund immer die Karte die Zahlung, auch wenn sie dabei physisch nicht in Erscheinung tritt. Geht ein Mobiltelefon verloren, kann die digitale Geldbörse vom Kartenhalter über Fernzugriff gesperrt und mit der physischen Karte weiterhin bezahlt werden.

Auch hier wird deutlich, dass der Sicherheit eine wesentliche Bedeutung bei M-Payments zukommt. Innerhalb einer M-Payment-Lösung gibt es ein hohes Maß an Sicherheit und unsere Studie hat ergeben, dass Sicherheit für Verbraucher ein Hauptanliegen ist. Verbraucher müssen über Sicherheit informiert werden, damit Sie sich wohl und sicher fühlen, wenn sie mobil bezahlen.

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