Kartenmarkt Österreich

"M-Payment in Österreich - der Rollout hat begonnen" Ewald Judt im Gespräch mit Rainer Schamberger

Bild 15

Im Juni 2015 haben die Banken in Österreich in Linz ein Pilotprojekt "Bankomatkarte mobil" gestartet, bei dem alle Mobilfunkgesellschaften und alle Banken des Landes an Bord sind. Anfang Oktober hat nun der landesweite Rollout begonnen. Die nötige NFC-Infrastruktur im Land ist bereits ordentlich - namentlich im Lebensmittelhandel sind bereits 75 Prozent aller Terminals NFC-fähig. Dank Paypass ist die Lösung auch international einsatzfähig. Einziger Haken: Weil Apple den Zugang zum Secure Element nicht für andere geöffnet hat, funktioniert die Anwendung nur auf Endgeräten mit Android. Red.

Karten Ende Juni wurde in Österreich ein Feldtest "Bankomatkarte mobil" gestartet? Wo fand er statt, welche Banken und welche NFC-fähige Händler nahmen teil? Und wie viele Monate soll der Test dauern, um ausreichend Erkenntnisse für einen österreichweiten Rollout zu gewinnen?

Am 22. Juni 2015 begann in Linz, Oberösterreich, diese neue Etappe im österreichischen Zahlungsleben. Gemeinsam mit dem innerstädtischen Einkaufszentrum Passage Linz und dem Linzer City Ring startete der Feldtest zur "Bankomatkarte mobil", von den Banken vor Ort unterstützt. Er hat bis Ende September gedauert, also gute drei Monate. Mit dem vierten Quartal 2015 haben die Banken jetzt mit der breiten Ausrollung in ganz Österreich begonnen.

Karten Was hat die österreichischen Banken bewogen, hier mit ihren Bankomatkarten einen ersten Schritt zu setzen?

Einerseits war es ihnen wichtig, gerade bei den rasanten technologischen Änderungen unserer Zeit am Ball zu bleiben und ihren Kunden zeitgemäße Services anzubieten und andererseits die beliebte Zahlungsmethode der Bankomatkarte auch auf dem Device der Zukunft - dem Smartphone - anbieten zu können.

Karten Wie kam es zum Start dieses Projekts? Welche Rolle spielt die Payment Services Austria GmbH bei dem M-Payment-Projekt?

Da die Payment Services Austria als Dienstleister alle österreichischen Banken bündelt, war es naheliegend, diese neue Technologie anzubieten. Als zentrale Drehscheibe wurde dafür der sogenannte Mobile Business Service Manager (MBSM) mit dem Technologieunternehmen RISE etabliert, der unter anderem auch die Verbindungen von den Banken zu allen großen österreichischen Mobilfunkunternehmen herstellt.

Des Weiteren kann die bereits vorhandene NFC-Infrastruktur im Handel 1:1 verwendet werden. Die Lösung ist weltweit überall dort einsetzbar, wo Maestro-Paypass akzeptiert wird. Somit ist die PSA der Enabler für Kooperationen der relevanten Industrie-Stakeholder, die dadurch Mehrwert für den Endkunden schaffen können.

Karten Wie wird der neue Service "Bankomatkarte mobil" den Bankkunden kommuniziert?

Zum Kick-off gab es eine Pressekonferenz und sehr breite mediale Berichterstattung. Gleichzeitig haben die Banken im Raum Linz begonnen, ihren Kunden diesen Service aktiv anzubieten. Ab dem breiten Rollout werden die Banken vermehrt mit Öffentlichkeitsarbeit auf das neue Produkt aufmerksam machen. Wir haben dafür den bereits bekannten und beliebten Werbespot des Vorjahres abgewandelt. Und auch einige große Händler interessieren sich schon dafür, aktiv auf diese neue Zahlungsmöglichkeit an ihren Terminals hinzuweisen. Die Website www.bankomatkarte-mobil.at und Video-Tutorials sorgen zusätzlich für Multichannel-Information für alle Interessierten.

Karten Was muss ein Bankomatkarteninhaber tun, wenn er an einer "Bankomatkarte mobil" auf seinem Smartphone interessiert ist?

Der Kunde benötigt ein Smartphone mit Android ab Version 4.1 und NFC-Funktionalität. Er lädt aus dem Google Play Store die App für die "Bankomatkarte mobil" auf das Smartphone. Diese führt nach Installation automatisch einen Eignungstest des Smartphones durch.

Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, der Kunde die "Bankomatkarte mobil" bei der Hausbank bestellt und durch seinen Mobilfunkbetreiber seine SIM-Karte auf eine NFC fähige SIM-Karte getauscht hat (diese Weiterleitung erfolgt automatisch), wird er direkt in der App informiert, dass die Karte zur Aktivierung zur Verfügung steht. Jetzt kann die Personalisierung am Smartphone (durch einmalige Eingabe des Aktivierungscodes zur Authentifizierung des Karteninhabers) in weniger als 25 Sekunden durchgeführt werden und die Karte ist sofort einsetzbar. Die Daten werden dabei wie in einem Safe auf dem "Secure Element" der SIM-Karte gespeichert.

Karten Warum nutzt Bankomatkarte Mobil die SIM-Karte statt Secure Element und Tokenization wie bei Apple Pay?

Österreich ist im Zahlungsverkehr eines der weltweit sichersten Länder. Dies wurde im Wesentlichen durch die Einführung der Chip-Technologie und der entsprechenden Präventionsmaßnahmen erreicht. Ob nun dieser Chip auf einer Plastikkarte, auf einer Uhr oder auf einer SIM-Karte gespeichert ist, ist letztendlich egal. Die SIM-Karte als Träger des Secure Elements für diese sogenannten Credentials ist im Moment, insbesondere bei Projekten von nationaler Bedeutung, am geeignetsten.

Karten Wie setzt ein Kunde sein als "Bankomatkarte mobil" agierendes Smartphone zum Zahlen ein?

Genauso, wie er es schon bei der kontaktlosen Bankomatkarte gelernt hat: Sobald die Kasse den zu zahlenden Betrag anzeigt, muss er das Smartphone in 2 bis maximal 4 cm Abstand zur NFC-Antenne des Terminals halten. Nach einem Vibrieren wird auf dem Display des Mobiltelefons der bezahlte Betrag angezeigt. Übrigens bietet die App mit der Funktion "Kartenverlauf" auch die Möglichkeit an, die letzten 10 Transaktionen mit der "Bankomatkarte mobil" einzusehen. Angezeigt werden Datum und Betrag der Kauftransaktion.

Karten Welche Rolle spielen die österreichischen Mobilfunkbetreiber? Welchen Ertrag lukrieren sie?

Es ist weltweit zum ersten Mal gelungen, alle Banken mit allen großen Mobilfunkbetreibern über die dem Endkunden vertraute Zahlungsmethode der Bankomatkarte zu vereinen. Dies bringt die Chance mit sich, eine möglichst breite nationale Penetration zu erreichen und dadurch für den Endkunden eine Konsistenz zu erzielen. Die Mobilfunkunternehmen stellen hierbei den Speicherplatz für den oben erwähnten Chip zur Verfügung.

Karten Ist mit dieser Vorgangsweise dem Kiss-Prinzip, eine neue technologische Anwendung möglichst einfach zu machen, Genüge getan?

Gerade beim Bezahlen wird "short and simple" immer wichtiger, die Sicherheit hatte jedoch bei der Umsetzung immer höchste Priorität. Deshalb haben die Entwickler darauf großen Wert gelegt. Wie schnell der Zahlungsvorgang dann tatsächlich ist, kann aber auch der Kunde mitentscheiden. Denn er bestimmt selbst, ob er die Karte immer aktiviert hat oder vor jeder Zahlung die App öffnen und einen m-PIN eingeben möchte, falls ihm das lieber ist. Das Gros der bisherigen Nutzer hat die Karte immer aktiviert.

Karten Welche Vorkehrungen wurden in Sachen Sicherheit getroffen?

Jede mit der mobilen Bankomatkarte durchgeführte Transaktion ist, wie oben bereits kurz erwähnt, eine Chip-basierte Transaktion und erfüllt damit die höchsten Sicherheitsanforderungen. Es gelten also dieselben strengen Sicherheitskriterien und -anforderungen wie bei der herkömmlichen Bankomatkarte.

Karten Da derzeit alle Bankomatkarten zum Zahlungssystem Maestro gehören, ist für den internationalen Einsatz die Paypass-Lösung erforderlich. Ist das bereits im Feldtest umgesetzt, sodass diese „Bankomatkarten mobil” schon im Ausland eingesetzt werden können?

Genau, alle Nutzer der "Bankomatkarte mobil" können sofort weltweit an allen Paypass-Terminals bezahlen. Damit ist eine nationale Lösung global verwendbar vom ersten Tag an.

Karten Wie viele kunden- und händlerseitige Nutzer gab es bei dem Pilotprojekt?

Wir sprechen hier von einem wesentlichen Zukunftsprojekt, das man über einen längeren Zeitraum betrachten muss. Im Rahmen des Feldtests Linz hatten wir etwa 1 000 Nutzer an Bord und schon während dieser Zeit gab es weitere Anfragen aus ganz Österreich.

Man muss jedoch berücksichtigen, dass Österreich ein sehr bargelddominiertes Land ist. Wir haben 20 Jahre gebraucht, um 12 Prozent Kartenzahlungen im Vergleich zu 88 Prozent Bargeldzahlungen zu erzielen. Jetzt geht es darum, dem Kunden diese neuen Technologien als Wahlmöglichkeit anzubieten.

Karten Haben Sie schon erste Rückmeldungen aus dem Feldtest Linz, wie die "Bankomatkarte mobil" bei den Bankkunden ankommt?

Die Resonanz war sehr positiv und über ein Gewinnspiel wurde laufend das Feedback der Konsumenten - das ebenfalls durchwegs sehr positiv war - abgefragt. Man sieht also, dass dieser Service voll im Trend der Zeit liegt.

Kartten Seit wann läuft der österreichweite Rollout?

Anfang Oktober haben die ersten österreichischen Banken begonnen, ihren Kunden die "Bankomatkarte mobil" auf breiter Basis und in ganz Österreich anzubieten. Bis Jahresende werden sukzessive alle Banken diesen neuen Service österreichweit ausrollen. 2016 wird die "Bankomatkarte mobil" in Österreich ein richtiger Schwerpunkt.

Karten Werden an diesem Rollout alle österreichischen Banken teilnehmen? Wird somit jeder Inhaber einer Bankomatkarte diese Funktion nutzen können?

Ja, es ist gelungen alle österreichischen Banken an Bord zu holen.

Somit kann dann jeder Kunde der über ein geeignetes Smartphone (Android-Version 4.1 oder höher) verfügt, die Funktion nutzen.

Karten Ab wann können die Inhaber anderer Smartphones den Service nutzen?

Mit Apple sind wir gerade in Diskussion, jedoch hat Apple den Zugang zu ihrem Secure Element für andere nicht geöffnet.

Des Weiteren hat Apple ein Geschäftsmodell, das vorwiegend auf Kreditkartennutzung abzielt und auch im Lichte der euro päischen Regulierung so nicht einsetzbar sein wird.

Karten Können wie bei Wallet-Lösungen künftig auch andere Zahlungskarten im Smartphone gespeichert werden, sodass der Konsument beim Zahlen wählen kann?

Ja, wir arbeiten gerade intensiv an der Integration von Kreditkarten.

Karten Zur Nutzung der "Bankomatkarte mobil" ist ein dichtes Netz an NFC-fähigen PoS-Terminals erforderlich. Wie viele solcher Terminals gibt es?

Diese österreichische Entwicklung ist für die Bankkunden weltweit einsetzbar und verlangt dem Handel keinerlei Änderungen ab, wenn er bereits NFC-fähige Terminals hat. In Österreich gibt es heute schon mehr als 30 000 Kontaktlos-Terminals im Feld. Insbesondere der Lebensmittelhandel hat bereits mehr als 75 Prozent aller Kassen umgestellt. Ab 2016 wird jede neue Kasse diese Funktion innehaben.

Karten Welche Acquirer sind bei der Platzierung von NFC-fähigen Terminals in Österreich aktiv? Gibt es Zusagen dieser Acquirer, ab wann alle PoS-Terminals NFC-fähig sein werden?

Bis 2020 sollen alle Terminals in Österreich Kontaktlos-Zahlungen abwickeln können, davon gehen die Acquirer und Kartengesellschaften aus. Sehr aktiv sind jedenfalls Paylife, Card Complete oder Hobex.

Karten Die NFC-Nutzung wird durch die "Bankomatkarte mobil" ab deren österreichweitem Rollout sicher zunehmen. Sie ist aber schon derzeit durch die Bankomatkarte als solche möglich. Schließlich bieten 6 Millionen Bankomatkarten bereits diese Funktion. Welchen Anteil haben die NFC-Transaktionen derzeit in Prozent aller Bankomatkarten-Transaktionen am PoS?

Hier verzeichnen wir einen stetigen Anstieg. Allein im ersten Halbjahr 2015 wurde bereits 13,8 Millionen Mal kontaktlos bezahlt. Das entspricht schon 7,2 Prozent aller PoS-Transaktionen. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es erst 3,9 Millionen Transaktionen. Somit hat sich das kontaktlose Zahlen innerhalb eines Jahres beinahe vervierfacht.

Karten Konnten Sie feststellen, dass durch die NFC-Technologie mehr Klein- und Kleinstbeträge mit der Bankomatkarte und im Feldtest mobil bezahlt wurden?

Die Statistiken zeigen deutlich, dass seit der Einführung der NFC-Technologie die Transaktionen generell zugenommen haben - verglichen mit den Steigerungswerten der Jahre davor. Kunden, die für das kontaktlose Zahlen ein Smartphone nutzen, zahlen auch vermehrt Beträge über 25 Euro, da auch da der Zahlungsvorgang mit einem Smartphone wesentlich schneller geht als mit gesteckter Karte.

Karten Welche Steigerungsraten erwarten Sie angesichts des Rollouts der "Bankomatkarte mobil" bei NFC-Transaktionen in den kommenden Jahren?

Wie bereits erwähnt, handelt es sich dabei um ein Projekt, das über einen längeren Zeitraum betrachtet werden muss. Wir gehen aber davon aus, dass sich in den nächsten Jahren die Transaktionen um gut 10 Prozent steigern werden.

Karten In welchem Ausmaß wird die "Bankomatkarte mobil" die Bankomatkarte bei PoS-Transaktionen ersetzen?

Nun hat eben die österreichweite Ausrollung begonnen. Wie bei allen neuen Zahlungsmethoden wird es eine Weile dauern, bis sie breit im Markt und in den Köpfen der Menschen sind. Aber die Convenience der "Bankomatkarte mobil" ist schon bestechend. Dazu kommt die große Beliebtheit von Smartphones hierzulande.

Und gerade für die Sorgen ältere Menschen bietet der Service Vorteile: Kein Stecken und damit kein Vergessen der Karte im Terminal mehr, keine Brille mehr nötig, um das Kleingeld aus der Börse zu suchen. Für die junge Generation ist das Smartphone ohnehin schon der "Alleskönner", da wird es schneller gehen.

Karten Besteht die mancherorts geäußerte Befürchtung, dass mit Zunahme der bargeldlosen Zahlung - sei es mit der Bankomatkarte, der mobilen Bankomatkarte oder einer anderen Zahlungskarte des Konsumenten - der "gläserne Mensch" vervollständigt wird und mit all den vorliegenden Daten Missbrauch getrieben wird, zu Recht?

Vertrauen spielt immer eine große Rolle, wenn es um persönliche Daten geht. Und auch der Datenschutz wird besonders auf der legislativen Ebene immer mehr ausgebaut. Eines bleibt sicher unbestritten: Immer mehr Lebens- und Wirtschaftsbereiche sind von der Digitalisierung geprägt. Die Menschen brauchen also die Kompetenz für den Umgang mit digitalen Daten und müssen drauf vertrauen können, dass ihre Daten nur dort weiterverwendet werden, wo sie selbst persönlich zugestimmt haben, wie etwa bei den großen Kundenbindungsprogrammen der Lebensmittelketten.

Gerade die Banken sind gleich durch mehrere gesetzliche Regelungen zur Verschwiegenheit verpflichtet. Des Weiteren muss man immer wieder erklären und erwähnen, dass bei einem Zahlungsvorgang mit der Bankomatkarte - sei es mit der physischen oder mit der mobilen - keine sicherheitsrelevanten oder personenbezogenen Daten übertragen werden.

Karten Bei einem weiteren Anstieg der Zahlungen mit Bankomatkarten und "Bankomatkarten mobil" und mit einer ebenso anzunehmenden Zunahme der Kreditkartenzahlungen ist ein weiterer Rückgang der Barzahlungen zu erwarten. Wann erwarten Sie die bargeldlose Gesellschaft, die schon vor Jahrzehnten propagierte "Cashless Society"?

Zahlungen mit Bankomatkarte sind wesentlich bequemer und weniger zeitaufwendig als Bargeldzahlungen, das gilt noch mehr mit der Entwicklung von kontaktlosem Zahlen. Wir leben in einer digitalen Welt und wir wollen und können uns auch nicht davor verschließen.

Trotzdem ist Bargeld ein wichtiger Teil unserer Kultur. Gerade als Wertaufbewahrung wird Bargeld auch Bestandteil unserer Gesellschaft bleiben. Die Bürger sollen immer selber entscheiden, aber eines ist klar: Mehr Kartenzahlung ist eine Win-Win-Win-Situation für Handel, Konsumenten und die Volkswirtschaft. Und für den Kunden ist es eine innovative Möglichkeit, auch neuartige Zahlungsmethoden zu wählen.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X