Kartendienstleister

"Wir wollen mutiger und schneller werden" Interview mit Carlos Gómez-Sáez

Carlos Gómez-Sáez,CEO von VR Payment
Quelle: VR Payment

Zum Jahreswechsel hat die Card Process ein Transformationsprojekt abgeschlossen, um eine stärkere Marktund Kundenorientierung zu erreichen. Denn der Kartendienstleister der genossenschaftlichen Finanzgruppe liegt sowohl auf der Issuing-Seite als auch im Händlergeschäft hinter seiner "natürlichen Marktdurchdringung" zurück, so Carlos Gómez-Sáez. Das liegt auch an einem Nachholbedarf in Sachen Mut und Schnelligkeit im Aufgreifen technologischer Innovationen sowie bei der technischen Kompetenz. Nur so können die Handlungsfähigkeit und die breite Angebotspalette geschaffen werden, die die Banken einfordern - zu wettbewerbsfähigen Preisen. Denn im Zweifel müsse man jede einzelne Bank von den Vorteilen eines Verbunddienstleisters überzeugen. Red.

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Sie sind jetzt etwas über ein Jahr bei Card Process an Bord. Wie ist das Unternehmen aus Ihrer Sicht aufgestellt?

Card Process ist akzeptierter Dienstleister für das Kartengeschäft der genossenschaftlichen Finanzgruppe. Derzeit sind wir, wie andere Unternehmen in diesem Geschäft, als Dienstleister für die genossenschaftlichen Primärbanken im Kartengeschäft mit mehreren Herausforderungen konfrontiert. Wir sehen den Kosten- und Erlösdruck; insbesondere die sinkenden Interchange-Erträge sind eine große Herausforderung. Gleichzeitig bewegen wir uns in einem anspruchsvollen Wettbewerbsumfeld.

Die Card Process muss sich für all diese Herausforderungen in der Summe noch schlagkräftiger aufstellen. Das wird strukturelle und organisatorische Folgen haben, aber auch Konsequenzen für kulturelle Aspekte im genossenschaftlichen Verbund. Konkret erwarte ich Auswirkungen auf etablierte Priorisierungen und strategische Überlegungen, insbesondere bei der Frage nach dem Produkt- und Leistungsangebot sowie den Märkten, die adressiert werden. Hier hat sich das Umfeld verändert, und deshalb besteht Handlungsbedarf.

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Was sind Ihre größten Baustellen?

Das eine ist das Thema Geschwindigkeit. Denn der Wettbewerb in der Payment-Industrie zeichnet sich vor allem durch Schnelligkeit sowie den Mut aus, Dinge auszuprobieren, die dann gegebenenfalls auch wieder aufgegeben werden. Hier hat die Card Process heute noch nicht die notwendige Agilität.

Der zweite Punkt ist die ausgeprägte technologische Kompetenz des Wettbewerbs, insbesondere der Fintechs, die mit sehr innovativen Medien und Entwicklungsverfahren arbeiten und konsequent alles der User Experience (Anwenderfreundlichkeit) unterordnen. Auch hier liegen wir im Vergleich zurück.

Die Card Process muss deshalb schneller und mutiger werden, was das Angehen von Produktideen und Produktentwicklung angeht. Dazu braucht sie die entsprechend hohe technologische Kompetenz, um mit den Wettbewerbern mitzuhalten. Die Primärbanken brauchen kurzfristig in diesem wichtigen Geschäftsfeld die Sicherheit ihrer Handlungs- und Angebotsfähigkeit, die wichtigen Themen an die Rampe zu stellen.

Was für Maßnahmen haben Sie dazu getroffen und/oder geplant?

Zum Jahreswechsel haben wir unser Transformationsprojekt abgeschlossen, mit der wir unsere Aufbauorganisation verändert haben. Sie lehnt sich nun an ein Target Operation Model an, das stark markt- und kundenorientiert ist. Die Prozesse in der Abstimmung zwischen den einzelnen Fachbereichen wurden verschlankt, um mehr Geschwindigkeit zu bekommen.

Mut ist eine Frage der Kultur. Und die lässt sich nicht auf Kommando verändern, sondern muss sich entwickeln. Das versuchen wir im Unternehmen, indem wir die Mitarbeiter ermuntern und sie auffordern, noch stärker als bisher ihre Meinung kundzutun und sich einzubringen. Mir ist jedoch bewusst, dass dies seine Zeit braucht.

Was die technologische Kompetenz betrifft, sind wir dabei, den Markt zu sondieren, welche Möglichkeiten bestehen, Kompetenz und Know-how von draußen ins Unternehmen zu holen.

Mut zum Ausprobieren müssen Sie dann ja auch noch den Genossenschaftsbanken schmackhaft machen. Erwarten Sie hier Widerstände? Oder reicht das Vertrauen in die Kompetenz der Card Process aus, dass man Ihnen an dieser Stelle folgt?

Bei der Vielzahl der Banken in der genossenschaftlichen Finanzgruppe ist es nicht überraschend, dass neue Angebote auch hinterfragt werden. Dies macht gerade die Stärke des Verbundes aus. Ich bin fest davon überzeugt, dass der genossenschaftliche Verbund, der sich aktuell mit dem Thema Payment professionell beschäftigt und dabei einen hohen Qualitätsanspruch zeigt, im Ergebnis zu Lösungen kommt, die sowohl dem Verbundgedanken entsprechen als auch in jeder Hinsicht wettbewerbsgerecht sind. Wenn diese Lösungen in der Primärstufe platziert werden und diese dann Zugkraft gewinnen, dann glaube ich, werden auch die Primärbanken ein Stück mutiger.

Beim Stichwort Innovationen kommt auch Paydirekt ins Spiel. Ist das aus Sicht von Card Process eine Art Kannibalisierung Ihres Geschäfts?

Bei Paydirekt handelt es sich um eine kontobasierte E-Commerce-Payment-Lösung. Insofern ist Card Process weniger involviert. Wir partizipieren jedoch insofern, als wir über unsere technische PSP-Lösung die Abwicklung für Händler - sprich die Anbindung von Webshop zum Paydirekt-System - zur Verfügung stellen.

Generell hat sich die Frage der Kannibalisierung mittlerweile überholt (und zwar für alle Bezahlmethoden), weil sich das Nutzerverhalten kontinuierlich verändert. Insofern stellt sich nicht die Frage, ein etabliertes Payment-Verfahren zu schützen, sondern den Wandel zu antizipieren und auf dieser Basis zukunftsfähige Produkt- und Leistungsangebote zu entwickeln. Die Aufgabe von Verantwortlichen für den bargeldlosen Zahlungsverkehr in der genossenschaftlichen Finanzgruppe ist es deshalb nicht, möglicherweise aus prinzipiellen Gründen an alten Strukturen festzuhalten, sondern im Rahmen unseres Auftrags und unserer Möglichkeiten dem Verbund die Teilnahme an innovativen Ansätzen zu ermöglichen und gleichzeitig auch die etablierten Verfahren, soweit sie sich unverändert als marktgängig erweisen, in eine nächste Lebensphase zu überführen.

Was können Sie in Sachen Kostendruck tun? Reicht das Volumen der genossenschaftlichen Finanzgruppe aus, um die nötigen Skaleneffekte zu erzielen?

Da besteht aktuell noch Aufholpotenzial, das müssen wir selbstkritisch anerkennen. Was die Marktdurchdringung angeht, liegen wir sowohl auf der Retailseite, also im Issuing, als auch auf der Händler-Seite hinter unserer natürlichen Marktdurchdringung. Letztes Jahr haben wir deshalb eine große Wachstumsinitiative sowohl auf der Emittenten- als auch auf der Akzeptanzseite gestartet. Wir sind entschlossen, gemeinsam mit unseren Partnern im Verbund, anzugreifen und uns die Marktanteile zurückzuholen. Über diese Marktanteile werden wir auch einen deutlichen Economies-of-Scale-Beitrag zur Verfügung stellen können.

Darüber hinaus sind wir innerhalb der genossenschaftlichen Finanzgruppe mit allen unseren Verbundpartnern (Rechenzentrale, Zentralbanken, BVR, DG Verlag) in verbundweiter Projektarbeit dabei, Effizienzpotenziale und weitere Kostensynergien zu identifizieren und entsprechend umzusetzen.

Wie viele Banken gehen denn fremd?

Im technischen Kreditkarten-Processing gibt es noch einige Institute, die mit anderen Dienstleistern zusammenarbeiten. Hier sind wir aber schon ziemlich weit. An dieser Stelle besteht die Herausforderung darin, das Produkt Kreditkarte stärker an den Kunden zu bringen. Unsere Aufgabe ist es, moderne und attraktive Produkte an zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören die Integration der Kreditkarte in die Banking-App, das kontaktlose Bezahlen, Statement-Informationen auf dem Smartphone, Wallet-Lösungen oder Virtualisierung von Karten. Das kann auch mit Kooperationen funktionieren - beispielsweise mit Fintechs oder Mobilfunkunternehmen.

Auf der Akzeptanzseite fahren die meisten derjenigen, die mit externen Unternehmen arbeiten, eine Zwei-Partner-Strategie. Nur einige wenige Banken arbeiten exklusiv mit uns. Wenn man sich anschaut, wie viele Acquiring-Verträge und Terminals bei Wettbewerbern liegen, zeigt sich an dieser Stelle vielleicht am deutlichsten der Handlungsbedarf des Verbundes. Dies erfordert allerdings eine gemeinsame Anstrengung, in der wir uns diese Portfolios jetzt zurückholen wollen.

Wie wollen Sie das konkret erreichen?

Erstens durch eine marktkonforme und zukunftsfähige Leistungspalette. Wir haben im vergangenen Jahr eine Vielzahl von Produktfeatures eingebaut, um uns wettbewerbsfähiger aufzustellen. So wurde beispielsweise die E-Commerce-Plattform komplett runderneuert, die gemeinsam mit Paydirekt an den Start gebracht wurde.

Zum Zweiten konnte mit der Reorganisation eine stärkere Markt- und Kundenorientierung erreicht werden, bei der die User-Experience stärker im Vordergrund steht und letztlich zur Messlatte unserer Bemühungen wird. Damit können Anforderungen der Kunden zielgerichteter und schneller umgesetzt werden.

Wie lassen sich die von Ihnen genannten Maßnahmen angesichts des wachsenden Kostendrucks umsetzen? Die Banken erwarten ja sicher auch von der Card Process, einen Beitrag zur Kompensation der sinkenden Interchange-Erträge zu leisten?

Natürlich. Der Interchange-Druck ist groß. Es wäre naiv zu glauben, die Banken könnten das allein kompensieren. Insofern geht es darum, an der Kosten- und der Ertragsseite zu arbeiten. Von den Primärbanken besteht die Erwartung zu deutlichen Preiszugeständnissen der Card Process. Wir brauchen deshalb die konzertierte Aktion, von der ich bereits gesprochen habe. Zusammengefasst: Die Handlungsfähigkeit muss deutlich erhöht werden, die Geschwindigkeit muss stimmen und wir brauchen ein breiteres Produkt- und Leistungsangebot, um die Angebotsfähigkeit nachhaltig zu erhöhen. Dazu muss die Marktbearbeitung stärker fokussiert werden. Wenn wir das alles erreichen, lässt sich dadurch auch das Volumen steigern und somit günstigere Grenzkosten erreichen.

Wir wissen, dass wir auf der preislichen Seite wettbewerbsfähig sein müssen. Abweichungen vom Marktpreis werden letztlich nur dann durchsetzbar sein, wenn der dahinterstehende Mehrwert in Bezug auf Service und Qualität dies rechtfertigt. Dieses Argument gilt für unsere Kunden im Verbund, also die Primärbanken, natürlich ebenso wie für Kunden außerhalb des Verbundes. Wir müssen im Zweifel jede einzelne Bank vom Mehrwert eines Verbunddienstleisters überzeugen. Die Vorteile der regionalen Marktbearbeitung, gepaart mit der Bündelung von Skaleneffekten und einer verbundfokussierten Servicestruktur sind wichtige Gesichtspunkte, auch im Payment Bereich eine Infrastruktur als Verbunddienstleister aufrechtzuerhalten. Das gesamte Produkt- und Leistungsangebot für ganz kleine ebenso wie für große Banken abzudecken, ist nicht trivial.

Bei den Kartenprodukten geht der Trend zu einer individuellen Kartenkonfiguration. Mit welchem Aufwand ist das für einen Dienstleister verbunden?

Ich kann mir vorstellen, dass ein Endkunde in seiner Banking-App gewisse Funktionen aktivieren oder deaktivieren kann. Damit beschäftigen wir uns sehr intensiv und schauen, wie ein solcher Schalter in der gesamten Wertschöpfungskette End-to-End eingebaut werden kann - vom Kernbankensystem über die Autorisierungs- und Abrechnungssysteme bis hin zur App. Technisch ist das durchaus machbar. Insofern stellt sich für uns aktuell die Frage, welches aus Kundensicht die richtigen Schalter sind.

Glauben Sie, dass das mobile Bezahlen in naher Zukunft die Karte verdrängen wird?

Verdrängen nicht. Es wird eine Koexistenz geben und wir werden sicher über eine Reihe von Jahren eine Dualität von Trägermedien haben. Wie schnell die Entwicklung voranschreitet, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. So hat es dem Thema mobiles Bezahlen einen enormen Schub gegeben, dass Apple die NFC-Schnittstelle ins i-Phone eingebaut hat. Wenn Apple nun diese NFC-Schnittstelle, die heute nur über das Betriebssystem angesprochen werden kann, freigeben würde, würde das noch einmal eine Beschleunigung mit sich bringen. Die Kartenorganisationen sind mit der Tokenisierung auf diesen Zug aufgesprungen. Generell stellt sich bei dem Thema nicht die Frage nach dem Ob, sondern dem Wann und Wie. Unsere Aufgabe ist es, diese Entwicklung zu antizipieren. Das Herausfordernde für die Card Process ist dabei, dass die genossenschaftlichen Primärbanken auf der Kundenseite eine breite Altersstruktur bedienen. Damit können wir uns nicht auf eine vergleichsweise homogene Zielgruppe konzentrieren wie es etwa Numbers 26 tut. Deshalb müssen wir tradierte ebenso wie innovative Produkte im Angebot haben.

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