Bundesfinanzhof: Umsatzsteuerpflicht trotz Finanzierungsleasing(?)

Entscheidung vom 6. April 2016, Az. V R 12/15

Tobias Schneider

Tobias Schneider - Die Wertung des Bundesfinanzhofs in der oben genannten Entscheidung stellt ein weiteres Beispiel für die restriktive Interpretation der Steuerbefreiungen für Finanzumsätze durch die Rechtsprechung dar. Diese Auffassung vertritt der Autor und begründet sie in der nachfolgenden Urteilsrezension.

Die zutreffende umsatzsteuerrechtliche Analyse von komplexen Leasing-Vertragsbeziehungen ist regelmäßig keine einfache Aufgabe. Eine Schwierigkeit hierbei ist das Wechselspiel des Umsatzsteuerrechts zwischen rechtlicher und wirtschaftlicher Wertung im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung.

Häufig entscheidet aber das Analyseergebnis über "Wohl oder Wehe", sprich über Umsatzsteuerfreiheit oder Umsatzsteuerpflicht, Vorsteuerabzug oder über ähnlich schwerwiegende wirtschaftlich maßgebliche Faktoren. Deshalb ist es bei Leasing-Transaktionen stets erforderlich, die umsatzsteuerrechtlichen Folgen zu prüfen, um ein "teures Erwachen" im Nachhinein zu vermeiden. Auch eine jüngere Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. April 2016 (Aktenzeichen: V R 12/15) dokumentiert die Wichtigkeit und zugleich die Schwierigkeit der umsatzsteuerrechtlichen Vertragsanalyse.

Das Urteil

Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) hatte von der Firma "I" elektronische Informationssysteme erworben und sofort wieder an diese zurückverleast (Saleand-Lease-Back). Die Systeme befanden sich zum Zeitpunkt der Eigentumsverschaffung bei einem Dritten. Zur Eigentumsübertragung hat die I den Herausgabeanspruch an die GbR abgetreten. Umsatzsteuerrechtlich wurde dieser Vorgang zwischen den Parteien als umsatzsteuerpflichtige Lieferung der Systeme im Jahr 2006 abgewickelt.

Auf Basis der Leasing-Vereinbarung, welche zusammen mit dem Kaufvertrag abgeschlossen wurde, sollte die I die Gefahr des zufälligen Untergangs, des vorzeitigen Verschleißes, des Diebstahls, des Verlusts et cetera tragen. Der GbR standen damit die Leasing-Raten quasi unabhängig vom Zustand der verleasten Systeme zu. Darüber hinaus hatte die GbR ein Andienungsrecht am Ende der Leasing-Laufzeit und die I eine entsprechende Ankaufsverpflichtung, wobei die Ausübungspreise bereits feststanden. Ein Ankaufsrecht an den Leasing-Gegenständen hatte I nicht. Während der Dauer des Leasing-Vertrags hatte die I umfängliche Nutzungsrechte. Die GbR war lediglich berechtigt, die Systeme nach Absprache mit der I zu besichtigen.

Ebenfalls mit Abschluss des Kaufvertrags und des Leasing-Vertrags wurde ein Darlehensvertrag zwischen der I als Darlehensgeberin und der GbR als Darlehensnehmerin vereinbart. Der Vertrag sah ein verzinsliches Darlehen vor, dessen Höhe etwa zwei Drittel des Gesamtkaufpreises für das elektronische Informationssystem ausmachte. Im Ergebnis finanzierte die I den Ankauf durch die GbR somit zu zwei Dritteln, während die GbR ein Drittel des erforderlichen Kapitals selbst aufbringen musste.

Der Abschluss der Verträge und die Eigentumsübertragung erfolgten Ende 2006. Sowohl der Leasing-Vertrag als auch der Darlehensvertrag hatten eine Laufzeit von 48 Monaten, beginnend 2007. Die GbR hatte der I eine Rechnung über die monatlichen Leasing-Raten zuzüglich Umsatzsteuer ausgestellt. Die Rechnung umfasste die gesamte Laufzeit. Die monatlich offen ausgewiesene Umsatzsteuer betrug 4 465,00 Euro.

Die I zahlte im weiteren Verlauf jedoch lediglich eine Leasing-Rate. Nach etwa einem Jahr des Zahlungsverzugs kündigte die GbR den Vertrag mit I und machte ihr Recht auf die offenen Leasing-Raten zuzüglich Umsatzsteuer und den Restwert der Leasing-Gegenstände gegenüber I geltend. Kurze Zeit darauf setzte das Amtsgericht am 23. Januar 2008 einen vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der I ein und eröffnete mit Beschluss vom 2. Juli 2008 das Insolvenzverfahren. Die GbR nahm die elektronischen Systeme im Jahr 2010 in Besitz und führte sie mit relativ geringem Ertrag einer Verwertung zu.

Für 2007 erklärte die GbR einen umsatzsteuerpflichtigen Umsatz in Höhe der bezahlten Leasing-Rate für einen Monat und machte in relativ geringem Umfang Vorsteuerabzüge geltend (die Vorsteuer aus der Lieferung der Informationssysteme an die GbR war wohl bereits im Jahr 2006 geltend gemacht worden; dieser Vorsteuerabzug spielte im Laufe des Verfahrens keine erkennbare Rolle).

Das Finanzamt wich von der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2007 ab und setzte eine deutlich höhere Umsatzsteuernachzahlung fest. Die Systeme - so das Finanzamt - seien nicht von der I an die GbR geliefert worden. Vielmehr sei die Verfügungsmacht an den Systemen bei der I verblieben, weshalb keine Lieferung vorgelegen habe. Die Leasing-Raten seien somit kein Entgelt für eine umsatzsteuerpflichtige Überlassung der Systeme, sondern eine umsatzsteuerfreie Kreditgewährung zwischen der GbR und der I. Folgerichtig versagte das Finanzamt aufgrund des vorsteuerschädlichen Ausgangsumsatzes (umsatzsteuerfreie Darlehensgewährung) den von der GbR geltend gemachten Vorsteuerabzug.

Das Finanzamt erkannte ferner in der ausgewiesenen Umsatzsteuer für jeden Monat des Jahres 2007, in dem die Dauerrechnung bestand hatte und eine Zahlungspflicht vorsah, einen Steuerausweis im Sinne von § 14c UStG, woraus sich eine signifikante Erhöhung der geschuldeten Umsatzsteuer ergab. (Zur Erläuterung: Nach § 14c UStG wird eine rechtlich nicht entstandene Umsatzsteuer dennoch aufgrund des Ausweises in einer Rechnung geschuldet, um fiskalischen Schäden durch das Ausstellen von Rechnungen mit fälschlichem Umsatzsteuerausweis vorzubeugen.)

Die GbR wehrte sich gegen die Steuerfestsetzung für 2007, was sie zunächst vor das Finanzgericht und dann vor den BFH brachte. Der BFH äußerte sich nun am 6. April 2016, wie bereits zuvor das Finanzgericht, dahingehend, dass Kauf-, Darlehens-, und Leasing-Vertrag im vorliegenden Fall miteinander sehr eng verbunden sind, und dadurch eine einheitliche Betrachtung und umsatzsteuerrechtliche Wertung geboten sei.

Ebenfalls wie bereits zuvor das Finanzgericht bestätigte der BFH die Auffassung der Finanzverwaltung, die zivilrechtliche Eigentumsübertragung von I auf die GbR Ende 2006 sei keine Lieferung im Sinne des Umsatzsteuerrechts gewesen: "Substanz, Wert und Ertrag" an den Informationssystemen seien im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung nicht auf die GbR mit der Eigentumsübertragung übergegangen; dies wäre jedoch Voraussetzung für eine umsatzsteuerpflichtige Lieferung.

BFH und Finanzgericht stellten hierbei maßgeblich darauf ab, dass

- die I die Informationssysteme trotz Eigentumsübertragung auf die GbR weiterhin frei disponieren konnte,

- es der GbR erkennbar nicht darum gegangen sei, die Systeme zu erwerben, sondern über die Leasing-Raten Einnahmen beziehungsweise Gewinn zu erzielen,

- die Gefahr der Verschlechterung der Leasing-Gegenstände bei I verblieb.

Wirtschaftlich sei somit eine ähnliche Konstellation wie bei einer Sicherungsübereignung gegeben. Außerdem sei bei normalem (störungsfreiem) Vertragsverlauf zur Überzeugung des Gerichts mit einer Ausübung des Andienungsrechts durch die GbR am Ende der Leasing-Dauer zu rechnen gewesen.

Während das Finanzgericht jedoch der Auffassung des Finanzamts im Hinblick auf eine Würdigung als steuerfreie Darlehensgewährung von der GbR an die I zugestimmt hatte, weicht der BFH in einem entscheidenden Punkt hiervon ab: Er erkennt in der Leistung der GbR keine steuerfreie Darlehensgewährung. Vielmehr habe der Schwerpunkt der Leistung in der Mitwirkung der GbR bei einer bilanziellen Gestaltung bestanden. Die Transaktion habe dazu gedient, trotz der handelsrechtlichen Bilanzierungsverbote für immaterielle Vermögensgegenstände die selbst entwickelte Software, Patente und Knowhow der I bilanzieren zu können, indem man diese an die GbR veräußert. Auf diese Weise habe die I mehr Eigenkapital ausweisen, höhere Gewinne ausschütten und eine bessere Bonität darstellen können. Diese Mitwirkung an einer bilanziellen Gestaltung sei der Schwerpunkt der umsatzsteuerrechtlichen Leistung der GbR. Das Finanzgericht habe bei seiner Schlussfolgerung einer umsatzsteuerfreien Kreditgewährung nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Kaufpreis überwiegend als Darlehen von der I an die GbR geflossen ist. Der Schwerpunkt der Leistung liege daher nicht in einer Kreditgewährung, sondern bei der Mitwirkung an der besagten bilanziellen Gestaltung.

Mangels Kreditgewährung kommt der BFH sodann zu dem Ergebnis, dass die Mitwirkung an einer bilanziellen Gestaltung eine umsatzsteuerpflichtige Leistung darstellt. Durch den Verweis auf den zugrunde liegenden Vertrag in der Rechnung sei auch die Leistung in tatsächlicher Hinsicht zutreffend in der Rechnung bezeichnet, weshalb ein unberechtigter Steuerausweis nach § 14c UStG nicht vorliege.

Nachdem die GbR allerdings trotzdem, wenn und soweit Leistungen oder Teilleistungen im Jahr 2007 erbracht worden wären, Umsatzsteuer schulden würde, hat der BFH das Verfahren zur Klärung dieser Frage an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Dass der BFH seiner Wertung eine Gesamtbetrachtung der Verträge zugrunde legt, kann per se nicht überraschen. Verträge, die miteinander stehen und fallen, dürfen (und müssen) umsatzsteuerrechtlich in einer Gesamtbetrachtung gewürdigt werden. Der BFH hatte eine solche Gesamtbetrachtung bereits in einer früheren Entscheidung auch dann für geboten gehalten, wenn Verträge zwar nicht am gleichen Tag abgeschlossen wurden, jedoch sich aus der Interessenlage der Parteien ergibt, dass der eine Vertrag nicht ohne den anderen abgeschlossen worden wäre. Auch das Abstellen auf einen störungsfreien Vertragsverlauf der Transaktion entspricht den gängigen Grundsätzen bei der umsatzsteuerrechtlichen Analyse von Verträgen.1)

Fehlen einer Ankaufsoption

Die umsatzsteuerrechtliche Zuordnung der Verfügungsmacht am Leasing-Gegenstand ist dem Leasing-Nehmer zuzurechnen, wenn die abgezinste Summe der vereinbarten Leasing-Raten praktisch dem Verkehrswert des Leasing-Gegenstands entspricht und - so der Europäische Gerichtshof (EuGH) - der Leasing-Nehmer über wesentliche Elemente des Eigentums an dem Leasing-Gegenstand verfügt. Dies sind insbesondere die mit dem rechtlichen Eigentum verbundenen Chancen und Risiken, die zum überwiegenden Teil auf ihn übertragen werden müssen.2) Dabei sind als Chancen und Risiken auch Erwägungen zur verbleibenden wirtschaftlichen Nutzungsdauer der verleasten Systeme am Ende der vereinbarten Leasing-Dauer und zur denkbaren Aussicht auf Wertsteigerungen einzubeziehen. Diese Erwägung wurde jedoch in der aktuellen Entscheidung nicht vorgenommen. Für eine systematische Analyse eines Leasings ist es in der Praxis dennoch geboten, diese Faktoren zu berücksichtigen.

Eine nennenswerte Hürde bei der umsatzsteuerlichen Zuordnung (Verfügungsmacht) der Systeme zur GbR wird man insbesondere in dem Fehlen des Ankaufsrechts der I am Ende der Laufzeit der Leasing-Phase sehen. Der Mobilien-Leasing-Erlass (Vollamortisierungsleasing) der deutschen Finanzverwaltung hatte ein bloßes Andienungsrecht nicht für ausreichend gehalten, um dem Leasing-Nehmer wirtschaftliches Eigentum am Leasing-Gegenstand zurechnen zu können, es sei denn, dass die Leasing-Dauer < 40 Prozent oder > 90 Prozent der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer betrug. Der BFH bestätigt jedoch das Finanzgericht dahingehend, dass es als gegeben angenommen werden konnte, dass die GbR ihr Andienungsrecht ausgeübt hätte.

Diese Aussage ist nicht hinreichend durch den Sachverhalt gestützt. Es fehlt an Feststellungen zum Wert der verleasten Systeme und zur Vorteilhaftigkeit des Andienungsrechts. Wenn das Andienungsrecht als "wirtschaftliches Muss" ausgestaltet war, weil es einen vorteilhaften Ausübungspreis vorsah, wird man, wie es die Gerichte taten, unterstellen dürfen, dass dieses auch ausgeübt werden wird. Das Gegenteil könnte jedoch dann der Fall sein, wenn der Ausübungspreis "moderat" gestaltet war, jedoch die verleasten Systeme Wertsteigerungspotenzial oder zumindest ein Potenzial zur Bildung von stillen Reserven hatten. Für den entschiedenen Fall mag es rückblickend angesichts der recht geringen Verwertungserlöse und der Insolvenz der I recht klar erscheinen, dass mit Wertsteigerungen bei den Leasing-Gegenständen nicht zu rechnen gewesen ist. Dies könnte allerdings ebenso gut ein Trugschluss sein.

Die umsatzsteuerrechtliche Frage, ob eine Lieferung stattgefunden hat, muss jedoch rechtssicher im Vorhinein zu entscheiden sein. Ferner lässt die Argumentation des BFH erkennen, dass die Systeme auch selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände umfasst haben, wodurch eine Wertsteigerung dieser Entwicklungsergebnisse nicht als ausgeschlossen erscheint. Daher sei die Frage erlaubt: Wie hätte man denn das Geschehen beurteilt, wenn die Verwertung der Systeme einschließlich der selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgüter der I (die es nach der Begründung des BFH wohl gegeben hat) durch die GbR ein signifikanter Gewinn erzielt worden wäre? In dem entschiedenen Fall hatte der Leasing-Geber jedenfalls diese Chance auf Wertsteigerungen an dem Leasing-Gegenstand, weil er sein Andienungsrecht nicht ausüben musste, sondern die Systeme hätte behalten und anderweitig nutzen oder veräußern können.

Mangels Ankaufsrecht der I "hinkt" ebenso der Vergleich des Finanzgerichts, welchem der BFH gefolgt ist, mit einer bloßen Sicherungsübereignung. Denn bei einer Sicherungsübereignung hat es der Sicherungsnehmer in der Hand, durch Erfüllung seiner Vertragspflichten eine Verwertung des Sicherungsguts zu vermeiden. Es bedarf keiner Ausübung einer Option des Sicherungsgebers, damit er das Eigentum am Sicherungsgut zurückerhält und ein übersteigender Verwertungserlös - mag er auch selten sein - würde bei der Verwertung des Sicherungsguts dem Sicherungsgeber zustehen.

Dafür, dass in dem entschiedenen Fall die GbR nicht mit Wertsteigerungen in immateriellen Wirtschaftsgütern gerechnet hat, spricht allerdings der Umstand, dass die I mit den Leasing-Gegenständen mehr oder minder tun und lassen konnte, was sie wollte. Bei vermutetem Wertsteigerungspotenzial hätten die Parteien wohl insgesamt insoweit einen erhöhten Regelungsbedarf gesehen. Dies spricht dafür, dass BFH und Finanzgericht recht daran taten, dem fehlenden Ankaufsrecht keine entscheidende Bedeutung beizumessen. Dennoch erscheint dieser Aspekt als nicht ausreichend beleuchtet.

Das Fehlen eines Ankaufsrechts wird nicht bei jeder Art eines Leasing-Gegenstands gleich zu betrachten sein. Vielmehr wird die Vorteilhaftigkeit eines Andienungsrechts sowie eine etwaige Aussicht auf Wertsteigerung gegebenenfalls bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung zu berücksichtigen sein. Trotz fehlender Feststellungen wäre die Zuordnung der Verfügungsmacht an den Systemen in dem entschiedenen Fall insoweit zutreffend, wenn das Andienungsrecht als "wirtschaftliches Muss" aus Sicht der GbR ausgestaltet war.

Keine steuerfreie Kreditgewährung

Der BFH ist der Auffassung des Finanzgerichts und des Finanzamts nicht gefolgt und hat in der Leistung der GbR eine umsatzsteuerpflichtige Mitwirkung an einer bilanziellen Gestaltung erkannt. Er begründet dies maßgeblich mit dem Argument, dass die Gewährung des Darlehens, mit dessen Hilfe die GbR den Ankauf zu etwa zwei Dritteln finanziert hat, dem Finanzierungsleasing den Charakter der Darlehensgewährung nehme. Es stehe - so der BFH sinngemäß - nicht die Finanzierungsfunktion, sondern die bilanzielle Gestaltung im Vordergrund der Leistung. Dies ist eine schwierige Wertung.

Gegenläufige Leistungen, wie etwa gegenläufige Darlehensgewährungen, sind umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich anzuerkennen. Die Umsatzsteuer fußt in erster Linie auf den zivilrechtlichen Vereinbarungen und erkennt diese an. Etwas anderes mag in Fällen von missbräuchlichen Gestaltungen gelten. Allerdings sollte das gegenseitige Gewähren von Finanzierungsleistungen nicht per se als missbräuchlich anzusehen sein. Das gilt auch dann, wenn die zugrunde liegenden Vereinbarungen miteinander eng verknüpft sind beziehungsweise miteinander stehen und fallen. Es fragt sich, ob dies der BFH bei der Begründung seiner Entscheidung, es läge keine steuerfreie Kreditgewährung vor, ausreichend bedacht hat. Damit nämlich der Finanzierungscharakter bei der Erforschung des Wesens der Transaktion überhaupt in den Hintergrund treten kann, bedarf es einer saldierenden Betrachtung des "Leasing-Darlehens" von der GbR an die I und des Darlehens von der I an die GbR.

Damit eine solche saldierende Betrachtung gerechtfertigt sein könnte, muss die Darlehensgewährung von der I an die GbR umsatzsteuerrechtlich negiert werden. Es ist unklar, ob dies der BFH so gesehen hat. Wird das Darlehen, welches die I an die GbR gewährt hat, hingegen umsatzsteuerrechtlich als Leistungsbeziehung anerkannt, ist die saldierende Betrachtung, auf welcher die Wertung des BFH fußt, inkonsistent. Die Finanzierungsleistung in Form des "Leasing-Darlehens" erhält keinen anderen Gehalt, nur weil eine gegenläufige Finanzierungsleistung gewährt wird. Negiert man hingegen für umsatzsteuerrechtliche Zwecke das Darlehen der I an die GbR, stellt sich die Frage einer Begründung hierfür. Sieht man in der fehlenden umsatzsteuerrechtlichen Lieferung und damit in dem fehlenden umsatzsteuerlichen Entgelt die Begründung, so drängt sich die Frage auf, weshalb in der verbleibenden Finanzierung in Höhe von etwa einem Drittel des vereinbarten Kaufpreises keine steuerfreie Kreditgewährung liegen soll.

Auch im Rahmen einer saldierenden Betrachtung von Kaufpreis und Darlehensgewährung ist immerhin etwa ein Drittel (= 320 000 Euro) tatsächlich an die I geflossen. Insoweit kam es demzufolge zu einem Geschäft mit einem Finanzierungscharakter. Es ist von daher schwer zu beurteilen, ob nun dieser "Darlehenseffekt" oder die Aufstockung der Buchwerte wesentlich für die Leistung der GbR waren. Folgt man dem BFH, stellt sich das Abgrenzungsproblem zwischen einer "steuerfreien Kreditgewährung" und einer "steuerpflichtigen Mitwirkung an einer bilanziellen Gestaltung". Diese Grenze hat der BFH nicht ausdrücklich definiert. Vieles spricht aber dafür, dass die Entscheidung ab weichend ausgefallen wäre, wenn die GbR den Erwerb überwiegend aus selbst aufgebrachten Mitteln finanziert hätte.

Letztlich bleibt in der Entscheidung des BFH auch unbeleuchtet, ob der vereinbarte Kaufpreis über die Systeme realistisch bemessen war. Sollte bereits der zwischen der GbR und der I vereinbarte Kaufpreis überhöht gewesen sein, käme dem Saldo der gegenläufigen Darlehensgewährungen wirtschaftlich ein erhöhtes Gewicht zu. Dies würde im Hinblick auf die Frage der Steuerpflicht unter Umständen zu einer anderen Wertung führen müssen.

Entstehung der Steuer

Das Finanzgericht hat nun zu entscheiden, ob die Mitwirkung an einer bilanziellen Gestaltung bereits im Jahr 2006 erbracht wurde oder ob Teilleistungen vorliegen, was für eine monatliche Leistungserbringung entsprechend der monatlichen Abrechnung sprechen würde. Die bilanzielle Aufstockung von Buchwerten erfolgte (wenn sie denn ihre Anerkennung in den Büchern der I fand) im Jahr 2006. Dies könnte dafür sprechen, dass die Leistung bereits 2006 als erbracht gelten muss.

Andererseits haben GbR und I einen abweichenden Zahlungsmodus und einen Leistungszeitraum von 48 Monaten vereinbart, dessen Beginn allerdings erst im Jahr 2007 lag. Vieles spricht dafür, Teilleistungen entsprechend dem vereinbarten Zahlungsmodus anzunehmen, da auch die Aufrechterhaltung der bilanziellen Gestaltung Teil der Leistung sein muss. Die Entscheidung des Finanzgerichts bleibt insoweit und im Hinblick auf die Frage, wann die GbR aufgrund der Insolvenz der I, die Umsatzsteuer berichtigen darf, abzuwarten.

Keine § 14c UStG Steuer

Der BFH verneint das Vorliegen einer Steuer im Sinne von § 14c (2) UStG und begründet dies damit, dass durch den Verweis auf den Leasing-Vertrag die Leistung zutreffend bezeichnet sei. Dies ist zu begrüßen. Es ist insoweit in der Praxis wichtig, in der Rechnung die zugrunde liegenden Verträge genau zu benennen, damit der Verweis auf diese anerkannt wird. Ohne Verweis auf den Vertrag hätte der BFH in dem entschiedenen Fall vermutlich eine Steuerschuld nach § 14c UStG bejaht. Die Leistungsbeschreibung "Leasing von Systemen" (oder ähnliche Formulierungen), bezeichnet schlicht eine gänzlich andere Leistung als die nach Auffassung des BFH tatsächlich erbrachte ("Mitwirkung bei einer bilanziellen Gestaltung"). Daher wäre ohne den Vertragsverweis Raum für eine Steuer nach § 14c (2) UStG aufgrund einer irreführenden Leistungsbeschreibung verblieben.

Durch den Verweis auf den Vertrag erledigt sich dieses Problem. Dies ist eine eher großzügige Sichtweise des BFH, die sich Unternehmen in der Praxis zunutze machen sollten. Gerade wenn eine Leistung vielschichtig und facettenreich ist, sollte die Rechnung stets auf die zugrunde liegenden Vereinbarungen verweisen. Damit lassen sich Probleme im Hinblick auf Ungenauigkeiten bei der Leistungsbeschreibung (sowohl im Hinblick auf Rechnungsanforderungen als auch im Hinblick auf § 14c UStG) vermeiden.

Abgrenzungsproblematik

BFH und Finanzgericht sahen die umsatzsteuerrechtliche Verfügungsmacht im Rahmen einer Sale-and-Lease-Back-Transaktion auch ohne Ankaufsrecht beim Leasing-Nehmer. Hierbei haben beide in dem entschiedenen Fall stark auf die vermutete Interessenlage der Vertragsparteien und erstaunlich wenig auf die wirtschaftliche Nutzungsdauer, die Vorteilhaftigkeit der Ausübung des Andienungsrechts und die Frage der Chance auf Wertsteigerungen abgestellt. Die Beleuchtung der Sachlage auch anhand dieser Kriterien hätte sicherlich der Nachvollziehbarkeit der Entscheidung gut getan. Die Gründe für die Sichtweise der Gerichte überzeugen aus diesem Grund für den entschiedenen Fall im Hinblick auf die Verfügungsmacht an den Leasing-Gegenständen nur bedingt. Es wird in der Praxis weiterhin wichtig bleiben, die Faktoren der verbleibenden wirtschaftlichen Nutzungsdauer, das Fehlen von Kaufrechten sowie ein et waiges Wertsteigerungspotenzial im Rahmen der Gesamtwürdigung der Zuordnung eines Leasing-Gegenstands in die Betrachtung einzubeziehen, um beliebige Ergebnisse zu vermeiden.

Die Wertung des BFH eines Finanzierungsleasings als umsatzsteuerpflichtige Leistung des Leasing-Gebers ("Mitwirkung bei einer bilanziellen Gestaltung") ist ein weiteres Beispiel für die restriktive Interpretation der Steuerbefreiungen für Finanzumsätze durch die Rechtsprechung. Obgleich sich dies für den entschiedenen Fall zugunsten des Unternehmens ausgewirkt hat, ist eine systematische Einordnung der Entscheidung insoweit eher schwierig. Die Wertung des BFH scheint auf einer unzureichenden Feststellungslage zu fußen und nicht frei von Wertungswidersprüchen zu sein. Obgleich die Entscheidung insoweit als wenig überzeugend erscheint, werden die Unternehmen in der Praxis auf eine etwaige Abgrenzungsproblematik zwischen einer steuerfreien Finanzierungsleistung und einer steuerpflichtigen Bilanzgestaltungsleistung zu achten haben.

1) BFH, Urteil vom 9. Februar 2006 - V R 22/03 -, BFHE 213, 83, BStBl II 2006, 727, Rn. 22.

2) EuGH, Urteil vom 16.2.2012, C-118/11, Rn. 40.

DER AUTOR: Tobias Schneider, Stuttgart,ist Partner im Geschäftsbereich Steuerrecht bei CMS. Er berät Unternehmen in Fragen des Umsatzsteuerrechts und unterstützt sie in Betriebsprüfungssituationen.E-Mail: t.schneider[at]cms-hs[dot]com
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