Digitale Wirtschaftsauskünfte erleichtern Kreditvergabe an KMU

Objektives Risikomanagement in Echtzeit

Tobias Weber

Tobias Weber Geht es um Geschäfte zwischen Unternehmen, bestimmen autonome Machine-to-Machine-Systeme zunehmend die Entscheidungsprozesse. Bei der Beschaffung und Verarbeitung von Wirtschaftsinformationen profitiert das B2B-Risikomanagement 4.0 von volldigitalen Prozessen. Schnelligkeit und Objektivität sowie passgenaue Prognosen und kalkulierbare Geschäftsrisiken sind die Vorteile, auf die der Autor in diesem Beitrag eingeht.

Bereits vor der Auftragsbestätigung sollten sich Risikomanager sämtlicher Risiken bewusst sein, um Geschäftspotenziale voll ausschöpfen und richtige Entscheidungen treffen zu können. Ad hoc verfügbare Informationen und reibungslos in bestehende IT-Prozesse integrierbare Daten und Bewertungen ermöglichen dabei sofortige Entscheidungen über Konditionen und Geschäftsabschlüsse. Auch wenn Ausfälle bei der Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) verhältnismäßig selten vorkommen, ist der jeweilige Ausfall in der Regel signifikant größer als zum Beispiel bei der Kreditvergabe an Privatpersonen. Unternehmen sollten daher ihr B2B-Risikomanagement genauso effektiv und effizient gestalten, wie dies traditionell im B2C der Fall ist. Und selbst wenn der B2B-Bestand überwiegend "gute" Adressen beinhaltet, lohnt es sich, bei diesen genauer hinzuschauen, um risikorelevante Veränderungen frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls handeln zu können.

Im Leasing und Factoring spielt die automatisierte Angebotsabgabe eine zunehmend wichtige Rolle. Durch die Integration von digitalen Wirtschaftsauskünften in den Angebotsabgabeprozessen lassen sich passgenaue Konditionen anbieten und die Annahmepolitik effektiv in das Risikomanagement integrieren.

Digital statt manuell

Die Schufa Holding AG kann aktuell zu 5,2 Millionen registerlich geführten Unternehmen, aber ebenso zu Kleingewerbetreibenden, Selbstständigen und Freiberuflern valide, trennscharfe Bonitätsinformationen liefern. Daneben verfügt sie über bonitätsrelevante Informationen zu 66,4 Millionen Privatpersonen. Diese werden von den derzeit rund 9 000 Vertragspartnern aus Branchen wie Kreditwirtschaft, Handel und E-Commerce tagesaktuell eingemeldet. Hierbei wird nach dem sogenannten Gegenseitigkeitsprinzip vorgegangen; das heißt, die Vertragspartner sind gleichzeitig Einmelder und Empfänger der Daten. Dies garantiert die Korrektheit und Aktualität der Informationen und damit die hohe Qualität des Datenbestands. Ein weiterer wichtiger Vorteil dieser Vorgehensweise: Jede Einmeldung ist zugleich eine Validierung einer Information.

Während Wirtschaftsauskünfte traditionell meist erst aufwendig manuell und telefonisch recherchiert werden und sich dabei meist auf subjektive Eigenaussagen der betreffenden Unternehmen stützen, stellt die Schufa objektive digitale Informationen in Echtzeit bereit. Die Basis dafür bildet ihr umfangreiches Netzwerk, über das Unternehmensinformationen tagesaktuell eingeliefert werden. Dies ermöglicht anfragenden Unternehmen sofortige und zugleich sichere Entscheidungen über Geschäftsabschlüsse. Denn wer Informationen im Rahmen eines Antragsprozesses anfragt, hat oft nur wenige Sekunden Zeit für die Datenbeschaffung und -auswertung, denn er braucht die Daten unmittelbar, um sie mit anderen Quellen abzugleichen, wie zum Beispiel den Angaben des Antragstellers.

Optimaler Gini-Koeffizient

Als KMU gilt bei der Schufa ein Unternehmen, das bis zu 20 Mitarbeiter beschäftigt und bis zu fünf Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaftet. 90 Prozent der deutschen Unternehmen beschäftigen weniger als 20 Mitarbeiter. In diesem Fall hat das private Finanzverhalten von Managern beziehungsweise Inhabern einen starken Einfluss auf die finanzielle Situation des Unternehmens. Daher muss eine aussagekräftige Bonitätsbeurteilung von Geschäftspartnern vor allem bei KMU die Menschen hinter dem Unternehmen mit einbeziehen.

Darum kombiniert die Schufa Unternehmensdaten mit Informationen aus ihrer umfassenden Personendatenbank. Durch die Integration von Bonitätsinformationen zur Unternehmensführung in die Bonitätsbewertung des Unternehmens entstehen sogenannte "Wirtschaftsauskünfte mit Menschenkenntnis", die gerade beim Risikomanagement im KMU-Segment den maßgeblichen Vorteil bringen.

Ein Maß, um die Güte einer Prognose zu bestimmen, stellt der sogenannte Gini1) -Koeffizient dar. Dieser erlaubt eine Aussage darüber, wie hoch die Prognosequalität eines Ratingsystems ist; im Falle von Wirtschaftsauskünften also das Ausfallrisiko von Unternehmen. Die Auskünfte der Schufa erreichen einen Gini-Koeffizienten von 64,5 Prozent.

Zum Vergleich: Gini-Koeffizienten von Unternehmensratingmodellen liegen häufig im Bereich einer Trennschärfe von 45 bis 60 Prozent. Je höher der Gini-Koeffizient, desto größer der Anteil an Unternehmen, die eindeutig positiven oder eindeutig negativen Risiken zugeordnet werden können. Die schwer zu beurteilenden mittleren Risiken nehmen gleichzeitig stark ab.

Modularer Aufbau

Bonitätsindex, Zahlungserfahrungen und Kreditlimit sind die entscheidenden Faktoren für einen Geschäftsabschluss. Der Umfang der zugrunde liegenden Wirtschaftsauskünfte sollte sich dabei nach der Höhe des Risikos und dem individuellen Informationsbedarf richten. Sie sollten daher modular aufgebaut sein, um sie an die konkrete Entscheidungssituation anpassen zu können. Bei kleinen und mittleren Risiken etwa genügt oft eine komprimierte Auskunft mit den wesentlichen Bonitäts-, Identitäts- und Kommunikationsinformationen zu einem Antragsteller, zum Beispiel bei Kleingewerbetreibenden und Freiberuflern. Eine Kurzauskunft liefert diese Informationen übersichtlich aufbereitet und in Echtzeit. Diese Stammdaten und der Bonitätsindex ermöglichen im Tagesgeschäft schnelle Entscheidungen.

Zur Bewertung von kleinen und mittelständischen Unternehmen sollten zur sicheren Einschätzung eines Geschäftsrisikos weitere Informationen Berücksichtigung finden. Eine digitale Kompaktauskunft zeigt, wie ein Unternehmen in Gesellschafterstrukturen eingebunden ist, welche finanziellen Verflechtungen vorliegen und in welchem Wirtschaftszweig das Unternehmen operiert. So kann ein Unternehmen sich zum Beispiel ganz auf seine Zielgruppe konzentrieren und Anfragen aus für das Unternehmen irrelevanten Branchen schon im Anfrageprozess herausfiltern. Inhalte der Kompaktauskunft sind unter anderem:

- Bonitätsinformationen inklusive Bonitätsindex,

- Informationen zur Muttergesellschaft,

- Gesellschafter und Kapital,

- zur ersten Führungsebene,

- zu Verflechtungen,

- Insolvenz- und Inkassoinformationen sowie

- zu Geschäftszahlen.

Während Verflechtungsinformationen beispielsweise bis dato unbekannte Hinweise auf eine Zugehörigkeit zu einem Großkonzern geben können, sind Informationen zu Umsatz und Mitarbeitern ebenfalls relevant, vor allem bei der Steuerung von Prozessen im Antragsgeschäft. Ähnlich wie beim Filtern nach Wirtschaftszweigen kann ein Unternehmen auch auf Basis der Unternehmensgröße beurteilen, ob es einen Kunden annehmen möchte oder ob sich dieser beispielsweise als zu klein für ein bestimmtes KMU-Produkt erweist.

Wer bei mittleren und großen Geschäftsrisiken auf Nummer sicher gehen will, erhält mit der digitalen Vollauskunft einen strukturierten 360-Grad-Blick auf ein Unternehmen. Sie eröffnet ein vollumfängliches Bild der Strukturen, in die der potenzielle Geschäftspartner eingebettet ist und liefert Einblicke in dessen Finanzlage und Bonität. Die Vollauskunft bietet Informationen zu Niederlassungen, Beteiligungsstrukturen und der Unternehmenschronologie bis hin zu kompletten Jahresabschlüssen und vertraglichen Verpflichtungen sowie weiteren Registerbekanntmachungen und somit ein um fassendes Informationsspektrum mit Aussagen über die Effektivität und Profitabilität des Unternehmens.

Auch "gute Adressen" im Bestand sollte man durch kontinuierliches Monitoring überwachen. So bleibt das Risikomanagement immer auf dem neuesten Stand, und auf eventuelle Veränderungen bei Geschäftspartnern kann dank dieses Frühwarnindikators rechtzeitig reagiert werden. Der Nachmeldeservice liefert zu Unternehmen, zu denen bereits eine Auskunft bezogen wurde, automatisiert aktualisierte Informationen, sobald diese bekannt werden.

Trennscharfe Prognosen

Durch digitale Wirtschaftsauskünfte profitieren Unternehmen von einer validen Grundlage für die Kalkulation von Geschäftsrisiken in Echtzeit. Die Vorteile liegen vor allem in der Objektivität, der gesicherten Datenqualität und nicht zuletzt der schnellen Verfügbarkeit von Informationen.

Durch die Kombination von Unternehmens- und Personeninformationen sind gerade im KMU-Segment trennscharfe Prognosen möglich.

1) Statistisches Maß nach Corrado Gini.

DER AUTOR: Tobias Weber, Wiesbaden,ist Abteilungsleiter Produktmanagement im Center of Competence B2B bei der Schufa Holding AG. Er verantwortet insbesondere die Entwicklung und Steuerung bedarfsgerechter Produkte und Lösungen für den B2B-Markt.E-Mail: presse[at]schufa[dot]de
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