Vom Finanzdienstleister zum Mobilitätsanbieter

Warum Captives heute mehr als nur Finanzierungen können müssen

Jörn Kerl Quelle: MAN FS

Die Anforderungen an digitale Mobilitätslösungen an Captives steigen. Für die jüngere Generation, die mit den neuen Medien aufgewachsen ist, sollen Angebote und Vertragsdetails jederzeit online verfügbar sein, die Handhabung intuitiv und die Abwicklung komplett papierlos erfolgen. Wie stellt sich MAN Financial Services darauf ein? Welche Entwicklungspfade nutzt das Unternehmen? Darüber informiert dieser Beitrag. (Red.)

Die Welt der Finanzdienstleistungen befindet sich mitten in einem Wandlungsprozess. Definierten sich Captives eines Nutzfahrzeugherstellers früher vor allem darüber, den Kunden wettbewerbsfähige und attraktive Finanzierungs- und Leasing-Angebote zu offerieren, so reicht dies in der heutigen Zeit nicht mehr aus. Die Geschäftswelten der Kunden haben sich verändert und mit ihnen auch die Ansprüche, die sie an ihren Finanzdienstleister stellen. Der Ruf nach einem Partner an ihrer Seite, der ihnen darüber hinaus auf ihre jeweiligen Bedürfnisse zugeschnittene Mobilitätskonzepte anbietet, mit denen sie sich im immer härter werdenden Wettbewerb von ihrer Konkurrenz abheben können, wird immer lauter.

Denn viele der Unternehmen agieren nicht mehr nur regional oder national, sondern vertreiben ihre Waren auf der ganzen Welt. Und gerade in diesem globalen Geschäftsumfeld ist derjenige erfolgreich, der sich nicht mit vielen einzelnen Anbietern und Vertragsarten, unterschiedlichen Abrechnungssystemen und unnötigem Papierkram herum ärgern muss, sondern seinen Fuhrpark unkompliziert von unterwegs aus managen kann.

Speziell im oftmals sehr tagesaktuellen, kurzfristigen Mietgeschäft hat MAN Financial Services (MAN FS) in der Vergangenheit das Spektrum um einige mobilitätsunterstützende Produkte erweitert: Support-Lösungen wie Reifencare, Mautservice, Telematik-Lösungen, Reifenverschleiß, 24-Stunden-Pannenservice, Ersatzfahrzeuge, Schadenmanagement sowie Wartungs- und Reparaturverträge werden nicht nur sehr stark angefragt, sondern auch vorzugsweise als Rundum-Sorglos-Paket dazu gebucht. Damit kann der Kunde auch spontane Fahrzeugausfälle seiner Flotte kompensieren und so die Einhaltung seiner Liefertermine sicherstellen. Denn Zuverlässigkeit ist in der neuen, mobilen Geschäftswelt weiterhin ein wichtiges Gut.

Gerade die Nutzfahrzeugbranche ist viel über Ländergrenzen hinweg unterwegs und benötigt dafür Mobilitätskonzepte, die ihnen ihr Leben erleichtern. So wünschen sich laut einer aktuellen Studie von Dataforce zum Thema Tankkarten im Fuhrpark1) die Kunden in diesem Bereich durchaus Unterstützung (siehe Abbildung 1, Seite 160). Genauere Nachfragen zeigten vor allem den Wunsch nach günstigeren Preisen, der Erweiterung des Tankstellennetzes sowie einer sorgfältigen Bearbeitung von Servicefällen (siehe Abbildung 2, Seite 161).

Aus diesem Antrieb heraus hat der Mutterkonzern Volkswagen Financial Services Anfang des Jahres 51 Prozent am Tank- und Servicekarten-Abwickler Log-Pay Transport Services übernommen. Damit kann zum einen das Netz an Akzeptanzstellen vergrößert werden, an denen die Lkw-Fahrer mit der Konzerntankkarte, der MAN Card, tanken können. Zum anderen weitet MAN FS bis Sommer 2017 den Mautservice für die eigene Tankkarte aus und stellt diese Dienstleistung in 18 europäischen Ländern bereit.

Mobilität durch Generationenwechsel

Dass der Bedarf an Mobilitätsunterstützung bei den Kunden groß ist, zeigen auch die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Erhebung, die MAN FS im vergangenen Jahr mit Studenten des Instituts für Marktorientierte Unternehmensführung von der Ludwig-Maximilians-Universität, München, durchgeführt hat. Dabei wurde der vorherrschende Mangel an Park- und Rastplätzen für die Fernfahrer auf deutschen Autobahnen als eines der zentralen Themen genannt, welches die Kunden umtreibt. Da MAN FS seine Geschäftsstrategie am Kundennutzen ausrichtet, hat das Unternehmen eine eigene Projektgruppe aufgesetzt, die sich im Nachgang dieser Studie mit der Problematik beschäftigt und nach Lösungen und möglichen Geschäftsmodellen forscht.

Generell lässt sich feststellen, dass in Firmen, in denen der Generationenwechsel bereits vollzogen wurde, die Nachfrage nach Mobilitätslösungen groß ist. Denn viele aus der jüngeren Generation sind mit den neuen Medien aufgewachsen, denken meist sehr global und fordern daher auch die Digitalisierung der Geschäftsfelder ein. Die Produkte und Vertragsdetails sollen jederzeit online verfügbar sein, die Handhabung intuitiver und die Abwicklung ohne viel lästigen Papierkram vonstattengehen.

Kultureller Wandel innerhalb der Unternehmen

Diese Veränderung der strategischen Ausrichtung - weg von den reinen Finanzdienstleistungen, hin zu umfassenden Mobilitätskonzepten - erfordert zudem ein Umdenken bezüglich der angewendeten Methoden und Arbeitsprozesse innerhalb des eigenen Unternehmens. Der kulturelle Wandel ist für die Zukunftsfähigkeit wichtig und muss von den Mitarbeitern mitgetragen werden.

So setzt MAN FS seit einigen Monaten die sogenannte Scrum-Methode ein, bei der es darum geht, "out of the Box" - also außerhalb der gewohnten Pfade - zu denken und in einem dynamischen Prozess das Problem aus anderen Blickwinkeln zu betrachten. Durch die Verteilung von kleinen Arbeitspaketen und den regelmäßigen Austausch mit Kollegen aus anderen Fachbereichen ist es einfacher, zu neuen Lösungsansätzen zu gelangen.

Darüber hinaus hat MAN FS das Glück, mit seiner Muttergesellschaft Volkswagen Financial Services AG einen starken Partner zu haben, der sich bereits seit Jahren mit dem Thema Mobilität, Digitalisierung und Zukunftsfähigkeit intensiv auseinandersetzt. Diese Analysen münden unter anderem in die konzernweite Strategie "Route 2025", die die Förderung und den Ausbau von Mobilitätskonzepten als einen wesentlichen Eckpfeiler abbildet.

Externe Expertise einholen

Dabei ist es nicht zwingend notwendig, alles intern zu entwickeln und anzubieten. Es gibt Bereiche, in denen Start-ups und Fintechs schon viel weiter sind, dazu von der Firmenstruktur noch kleiner und weniger hierarchisch, sodass sie viel flexibler und schneller auf die Marktanforderungen und -trends reagieren können. So arbeitet MAN FS beispielsweise in der Rechnungsabwicklung mit einem Unternehmen zusammen, welches auf digitale Rechnungsstellung spezialisiert ist. Ziel ist es, weniger Papierrechnungen zu verschicken und diese dem Kunden stattdessen digital zur Verfügung zu stellen.

Der Kunde kann sich dafür in ein spezielles System einloggen, seine sämtlichen Rechnungen von überall auf einen Blick sehen, sie downloaden und archivieren. Die Einführung der digitalen Rechnungen war verbunden mit einer kleinen Aktion: Der Kundenanreiz für die Umstellung lag darin, dass für jede vermiedene Papierrechnung ein Baum nachgepflanzt wird.

Unter dem Motto "Umstellen und Aufforsten" hat MAN FS zusammen mit dem Weltwald Freising eine Baumpflanzaktion organsiert, um die Nachhaltigkeit des Projekts hervorzuheben. Je mehr Kunden umstellen, desto mehr Bäume werden gepflanzt. Zugleich lässt sich dadurch Mobilität fördern.

1) Vgl. Dataforce (2017): "Tankkarten im Fuhrpark: Konzentration auf große Anbieter mit gutem Service".

DER AUTOR: Jörn Kerl, München,ist Geschäftsführer und Sprecher der Geschäftsführung der MAN Financial Services GmbH.E-Mail: joern.kerl[at]vwfs[dot]com
Tankkarten-Analyse Die regelmäßige Analyse für das Segment Tankkarten belegt einige Bewegung im Markt. Das Marktforschungsinstitut Dataforce hat 28 570 Fuhrparkleiter unter anderem dazu befragt, ob und wie viele Tankkarten sie einsetzen, über welche Anbieter und welche Rolle Service und Zusatzleistungen bei der Auswahl spielen. Demnach nutzen 73 Prozent der Unternehmen mit einer Flotte von fünf oder mehr Fahrzeugen Tankkarten. Gegenüber der Befragung aus dem Jahr 2014 ist dies ein Plus von 1,8 Prozentpunkten. In größeren Flotten kommen dabei Tankkarten häufiger zum Einsatz.Die Ergebnisse verdeutlichen außerdem, dass relativ wenige Fuhrparkleiter mit ihrem Tankkartenanbieter absolut zufrieden sind und gleichzeitig die Anzahl an Tankkarten reduzieren. Um als Anbieter seinen Marktanteil behaupten zu können, wird somit guter Service zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor.Im Vergleich zur Tankkartenstudie vom März 2015 haben zwischenzeitlich knapp 10 Prozent der Unternehmen eine Karte weniger im Einsatz. Wer in den großen Flotten einen ausgeprägten Marktanteil in einem umkämpften Umfeld erreichen beziehungsweise halten möchte, sollte zudem ein offenes Ohr für seine Kundschaft haben: Der Bedarf von Unternehmen mit 50 und mehr Fahrzeugen, Wünsche an den Tankkartenanbieter zu äußern, ist im Vergleich zu den Zahlen der kleinen und mittleren Flotten bis zu dreimal so hoch.Nur knapp die Hälfte der befragten Unternehmen ist absolut zufrieden mit dem jeweiligen Tankkartenanbieter, mehr als 10 Prozent hingegen sind unzufrieden. Hauptärgernis ist der schlechte Service beziehungsweise die schlechte Erreichbarkeit bei Servicefällen, gefolgt von fehlender persönlicher Betreuung. kegQuelle: Dataforce 2017

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