Gesetzmäßigkeit einer Widerrufsinformation

Anmerkung zu dem Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16. November 2015 - 6 U 171/15 -

Dr. Christoph Godefroid, Düsseldorf, ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Godefroid & Pielorz 

Nennt eine Widerrufsinformation lediglich einen Teil der Pflichtinformationen, deren Erhalt Voraussetzung für den Lauf der Widerrufsfrist ist, so ist dies nicht zu beanstanden. Der Bundesgerichtshof hat die in dem hier behandelten Beschluss vertretene Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart bereits unter anderem mit Beschluss vom 22. November 2016 bestätigt. Der Beitrag befasst sich neben dieser Problematik außerdem mit den zutreffenden Ausführungen des OLG Stuttgart zur Unerheblichkeit überflüssiger Hinweise sowie der Bestimmbarkeit des Zeitpunkts des Vertragsschlusses für die Frage der Ordnungsgemäßheit einer Widerrufsbelehrung.

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat mit seinem Beschluss vom 16. November 2015 - 6 U 171/15-1) klargestellt, dass die vom Darlehensgeber verwendete Widerrufsinformation jedenfalls den gesetzlichen Anforderungen genügte. Das Gericht hat insbesondere die Gesetzmäßigkeit der nur beispielhaften Aufführung der Pflichtangaben, der Darstellung des Beginns der Widerrufsfrist sowie eines Hinweises auf die Verpflichtung des Darlehensnehmers zum Ersatz von Aufwendungen des Darlehensgebers gegenüber öffentlichen Stellen festgestellt.

In dem vom OLG Stuttgart entschiedenen Fall hat die Darlehensnehmerin (Klägerin) im Juni 2014 den Widerruf eines im April 2011 geschlossenen Immobiliardarlehensvertrages erklärt und zur Begründung angeführt, die im Darlehensvertrag enthaltene Widerrufsinformation sei aus verschiedenen Gründen zu beanstanden. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat demgegenüber die Klägerin zunächst mit einem Hinweisbeschluss vom 16. November 2015 darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigte, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen. Nach einer hiergegen gerichteten weiteren Stellungnahme der Klägerin hat der Senat dann die Berufung mit einem Beschluss vom 21. Dezember 2015 zurückgewiesen und sich zur Begründung auf den vorangegangenen Hinweisbeschluss bezogen.

Darstellung der Pflichtangaben

Der Senat hat unter anderem zutreffend darauf hingewiesen, dass entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung die Widerrufsinformation nicht etwa deswegen in relevanter Weise unvollständig war, weil sie lediglich einen Teil der Pflichtinformationen, deren Erhalt durch den Verbraucher Voraussetzung für den Lauf der Widerrufsfrist ist, beispielhaft benannte. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Widerrufsinformation insoweit der Musterinformation nach Anlage 6 zu Artikel 247 § 6 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) a. F. entsprach.2)

Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), nach der zum Beispiel die Wendung, die Widerrufsfrist beginne "nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erhalten hat" nicht zu beanstanden ist, weil sie für sich klar und verständlich über den Beginn der Widerrufsfrist informiert. Insoweit ist von dem verständigen Verbraucher zu erwarten, dass er sich über den Inhalt dieser Pflichtangaben und deren Erhalt selbst Gewissheit verschafft. Die Formulierung wird auch nicht dadurch unrichtig, dass die Bank in der Belehrung die Pflichtangaben anhand von Beispielen (zum Beispiel in einem Klammerzusatz) erläutert.3) Dies gilt auch dann, wenn die von der Bank aufgeführten Beispiele nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen, weil sie für den abgeschlossenen Darlehensvertrag nicht einschlägig sind (zum Beispiel die Angabe der für die Bank zuständigen Aufsichtsbehörde in einem Immobiliardarlehensvertrag). In der Angabe solcher zusätzlicher (an sich überflüssiger) Pflichtangaben sei allerdings das Angebot der Bank zu sehen, das Anlaufen der Widerrufsfrist von der zusätzlichen Erteilung dieser Angaben abhängig zu machen. Die Widerrufsfrist laufe erst dann an, wenn der Darlehensnehmer diese weiteren Pflichtangaben auch tatsächlich erhalten habe.4)

Information zum Fristbeginn

Das Stuttgarter Oberlandesgericht hat sich auch mit der von der Klägerin geäußerten Beanstandung befasst, im Rahmen der von der Beklagten verwendeten Widerrufsinformation sei der Beginn des Fristlaufs insoweit nicht eindeutig ausgedrückt, als dieser an den Zeitpunkt des Vertragsschlusses anknüpft, ohne dass dieser für den Darlehensnehmer konkret bestimmbar wäre. Das OLG Stuttgart stellt demgegenüber zutreffend fest, dass die Anknüpfung des Beginns der Widerrufsfrist an den Vertragsschluss auf der Bestimmung des § 495 Absatz 2 Nr. 2 a BGB a. F. beruhte, in der es ausdrücklich heißt, dass die Widerrufsfrist auch nicht "vor Vertragsschluss" beginne.

In welcher Weise über diesen Teilaspekt des Beginns der Widerrufsfrist zu informieren ist, jedenfalls informiert werden dürfe, werde wiederum durch den Wortlaut der Musterinformation nach Anlage 6 zu Artikel 247 § 6 EGBGB a. F. zum Ausdruck gebracht. Darin heißt es, dass die Frist "nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben [...] erhalten hat", beginne. Wenn (schon) der Gesetzgeber in seiner Musterbelehrung eine Information des Verbrauchers über einen Teilaspekt des Beginns der Widerrufsfrist in dieser abstrakten Art und Weise vorgesehen habe, könne es nicht fehlerhaft sein, dass der Unternehmer die identische Formulierung verwendet. Dass die Bestimmung des Zeitpunktes des Vertragsschlusses im Einzelfall nicht einfach sei, habe der Gesetzgeber in Kauf genommen.5)

"Überflüssige" Hinweise

Die Beklagte hatte in ihrer Widerrufsinformation unter der Rubrik "Widerrufsfolgen" am Ende darüber informiert, dass "der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber auch die Aufwendungen zu ersetzen hat, die der Darlehensgeber gegenüber öffentlichen Stellen erbracht hat und nicht zurückverlangen kann". Das OLG Stuttgart weist darauf hin, dass diese Angabe der Regelung in § 495 Absatz 2 Nr. 3 BGB a. F. entsprach, mit welcher Artikel 14 Absatz 3 b letzter Satz der Verbraucherkreditrichtlinie (2008/48/EG) umgesetzt wurde. Nach Artikel 14 Absatz 3 b letzter Satz der Verbraucherkreditrichtlinie hat der Kreditgeber im Fall des Widerrufs keinen Anspruch auf weitere vom Verbraucher zu leistende Entschädigungen mit Ausnahme von Entschädigungen für Entgelte, die der Kreditgeber an Behörden entrichtet hat und nicht zurückverlangen kann.

Vor dem Hintergrund dieser Vorgabe habe § 495 Absatz 2 Nr. 3 BGB a. F. klar gestellt, dass dem Darlehensgeber zusätzlich zu den in § 346 BGB a. F. vorgesehenen Ansprüchen ein Anspruch auf Ersatz seiner an öffentliche Stellen geleisteten Aufwendungen wie etwa Notarkosten zusteht, soweit der Darlehensgeber keinen Erstattungsanspruch gegen die öffentliche Stelle geltend machen kann.

Indem die Beklagte die Regelung aus § 495 Absatz 2 Nr. 3 BGB a. F. übernahm, habe sie - ohne entsprechende Verpflichtung hierzu - lediglich über das informiert, was sich aus dem Gesetz ohnehin ergibt. Die Information sei also weder falsch noch für den Verbraucher missverständlich, weil sich aus dem Wortlaut ergibt, unter welchen Voraussetzungen der Erstattungsanspruch anfällt.6)

Die Klägerin hatte beanstandet, die Beklagte verwende die vorstehend zitierte Formulierung über den Ersatz von Aufwendungen auch in Fällen, in denen sie als Darlehensgeber tatsächlich keine solchen Aufwendungen erbracht habe. Hierzu hat sich die Klägerin auf den Gestaltungshinweis 7 der Anlage 6 zu Artikel 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a. F. bezogen, nach dessen Formulierung der Hinweis auf die zu ersetzenden Aufwendungen, die der Darlehensgeber gegenüber öffentlichen Stellen erbracht hat und nicht zurückverlangen kann, zu erfolgen habe, wenn sich der Darlehensgeber die Geltendmachung eines solchen Anspruchs vorbehalten würde.

Der 6. Zivilsenat des OLG Stuttgart hat hierzu offen gelassen, ob zur Herbeiführung der Gesetzlichkeitsfiktion nach diesem Gestaltungshinweis der dortige Text nur aufgenommen werden durfte, soweit der Darlehensgeber tatsächlich bereits Aufwendungen gegenüber öffentlichen Stellen erbracht habe. Maßstab für die etwaige Fehlerhaftigkeit sei § 495 Absatz 2 Nr. 3 EGBGB a. F. Mit dieser Bestimmung aber stehe die Klausel in Einklang und sei selbst dann nicht fehlerhaft, wenn die Information im konkreten Fall mangels tatsächlich angefallener Aufwendungen überflüssig wäre. Die Information sei auch in diesem Fall nicht geeignet, beim Verbraucher Missverständnisse zu erwecken.7) Auch diese Feststellung des Gerichts ist zutreffend.

Die Ausführungen des OLG Stuttgart geben zudem einen deutlichen Hinweis darauf, dass keineswegs jede Formulierung in einer Widerrufsbelehrung oder Widerrufsinformation, die nicht unbedingt erforderlich ist und daher als "überflüssig" gekennzeichnet werden könnte, deshalb etwa missverständlich und irreführend wäre und die Widerrufsbelehrung oder Widerrufsinformation als fehlerhaft erscheinen ließe. Dies wird durch die Feststellung in dem vorstehend angesprochenen Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. November 2016 verdeutlicht: Die Angabe an sich überflüssiger Pflichtangaben in einer Widerrufsbelehrung oder Widerrufsinformation führt nicht dazu, dass etwa die Belehrung über den Fristbeginn fehlerhaft wäre.

In gleicher Weise zu beurteilen sind beispielsweise die Fälle, in denen die Widerrufsbelehrung oder Widerrufsinformation auch Formulierungen zu einem Restkreditversicherungsvertrag als mit dem Verbraucherdarlehensvertrag verbundenem Vertrag enthält und mit diesem Wortlaut auch verwendet wird, wenn der Darlehensnehmer nicht von der ihm vorgestellten Möglichkeit des Abschlusses einer Restkreditversicherung Gebrauch gemacht hat. Dem Darlehensnehmer ist regelmäßig bekannt, ob er eine Restkreditversicherung abgeschlossen hat oder dies nicht der Fall ist. Er erkennt also ohne weiteres, ob die in der Widerrufsbelehrung beziehungsweise der Widerrufsinformation enthaltenen Hinweise für ihn von Bedeutung sind oder dies im Einzelfall nicht der Fall ist.

1) Vgl. Rechtsportal Open Jur e. 88 V., abrufbar unter: www.openjur.de/u/892455.html

2) Vgl. juris Rn. 35 - 37.

3) Vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 25.10.2016 - XI ZR 6/16, juris; BGH, Urteil vom 22.11.2016 - XI ZR 434/15; Grüneberg, WM 2017, 7.

4) Vgl. BGH-Urteil vom 22.11.2016 - XI ZR 434/15.

5) Vgl. juris Rn. 38 f.

6) Vgl. juris Rn. 41.

7) Vgl. juris Rn. 41.

DER AUTOR: Dr. Christoph Godefroid, Düsseldorf, ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Godefroid & Pielorz. Zu seinen Schwerpunkten zählen das Bankund Finanzrecht, Kapitalmarktrecht, Gesellschaftsrecht, M & A, Vertriebsrecht/ Vertriebskartellrecht sowie Prozessführung und Schiedsgerichtsbarkeit.E-Mail: christoph.godefroid[at]godefroidpielorz[dot]de
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