Gestiegene Eigenkapitalanforderungen für weniger bedeutende Institute

LSI-SREP-Bescheide und Allgemeinverfügung zum Zinsänderungsrisiko

Prof. Dr. Konrad Wimmer, Executive Partner, msgGillardon AG

Die Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA für den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evaluation Process/ SREP) verpflichten die deutsche Aufsicht, branchenweit eine bankindividuelle Eigenkapitalanforderung zu verhängen. Die EBA-Leitlinien werden als verbindliche Kapitalanforderung in Deutschland nun auch auf weniger bedeutende Institute übertragen. Dieser Beitrag verdeutlicht, wie der SREP-Zuschlag und die Eigenkapitalzielkennziffer für direkt national beaufsichtigte Institute ermittelt werden.

Im Zuge des SREP muss die Aufsicht eine Risikobewertung des Instituts vornehmen und die notwendige Kapital- und Liquiditätsausstattung überprüfen. Anschließend wird für jedes Institut die insgesamt angemessene Eigenmittelausstattung (bestehend aus Eigenmittelanforderungen nach Säule 1 zuzüglich SREP-Zuschlag) festgesetzt. Diese Vorgehensweise wird als Säule-1-Plus-Ansatz1) bezeichnet. Dieser Ansatz soll die wesentlichen Risiken, die nicht in der Säule 1 über die Capital Requirements Regulation (CRR) erfasst werden, einem aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalzuschlag zuführen. Bislang fanden sie ausschließlich in der Säule 2 (Mindestanforderungen an das Risikomanagement, kurz: MaRisk) Berücksichtigung. Die Zuschläge erhöhen die bisherige Gesamtkapitalquote in Höhe von 8 Prozent, das heißt die aufsichtsrechtlichen Mindestkapitalanforderungen nach Artikel 92 CRR steigen beispielsweise um 2,5 Prozent auf 10,5 Prozent (neue verbindliche Gesamtkapitalquote). Zur Umsetzung der EBA-Leitlinien hatte die deutsche Bankenaufsicht (BaFin) im Juli 2016 an zahlreiche der als weniger bedeutend eingestuften Institute, sogenannte Less Significant Instituts (LSI), die LSI-SREP-Bescheide versandt mit dem maßgeblichen SREP-Eigenkapitalzuschlag.

Zusätzliche Eigenmittelanforderungen

Formaljuristisch handelt es sich um die "Anordnung zusätzlicher Eigenmittelanforderungen im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (SREP) gemäß § 10 Abs. 3 S. 1 und 2 KWG in Verbindung mit § 6 b KWG unter Berücksichtigung der Vorgaben gemäß den EBA-Leitlinien EBA/GL/2014/13 vom 19. Dezember 2014". Der Eigenkapitalzuschlag setzt sich additiv aus zwei verschiedenen Zuschlägen, im Folgenden unter a) und b) beschrieben, zusammen.

a) Im besonderen Fokus der Aufsicht steht die Eigenkapitalunterlegung des Zinsänderungsrisikos im Anlagebuch, das von der Aufsicht bislang über den Baseler Zinsschock gemessen wird.2) In den Zinsschock einzubeziehen sind alle zinstragenden Positionen des Anlagebuchs, also insbesondere auch derivative, optionale und "variable" Geschäfte.

Die nach Artikel 124 Abs. 5 Bankenrichtlinie (2006/48/EG, BankenRL) vorzugebende plötzliche und unerwartete Zinsänderung für Positionen in Euro bezieht sich auf eine Parallelverschiebung der Zinsstrukturkurve um 200 Basispunkte nach oben (Szenario 1) und 200 Basispunkte nach unten (Szenario 2). Sofern der durch den Zinsschock im Anlagebuch ausgelöste Rückgang im ökonomischen Eigenkapital 20 Prozent der regulatorischen Eigenmittel übersteigt, spricht die Aufsicht von einem "Institut mit erhöhtem Zinsänderungsrisiko". Maßnahmen nach Artikel 124 Abs. 5 BankenRL hat die Bankenaufsicht allerdings nur ergriffen, wenn das erweiterte Prüfkriterium verletzt wurde: Eine Verletzung lag vor, wenn die Eigenkapitalanforderung nach CRR (Säule 1) zuzüglich der negativen Barwertveränderung aus dem Zinsschock 95 Prozent der aufsichtsrechtlichen Eigenmittel überschritt.

Für den Eigenkapitalzuschlag für das Zinsänderungsrisiko legt die Aufsicht eine Matrix zugrunde (siehe Tabelle 1). Die Risikoprofilnote ist den Instituten beispielsweise aus ihrem jeweiligen aufsichtlichen Jahresgespräch bekannt. Der Zuschlag auf die Eigenkapitalquote ergibt sich, indem die zinsschockbedingte negative Barwertänderung des Anlagebuchs in Relation zum Gesamtrisiko im Sinne der Säule-1-Meldung gesetzt wird.3)

Die Aufsicht betont in ihren Bescheiden, dass die Kalibrierung der Matrix in etwa die Hälfte der Zinsschockwirkung berücksichtigt. Dies wird damit begründet, dass der standardisierte Zinsschock auch einen Stressanteil beinhaltet. Da es nicht möglich ist, diesen exakt zu quantifizieren, wird offensichtlich aus Vereinfachungsgründen die Hälfte angesetzt. Die Zuschlagsdefinition führt dazu, dass ein hoher Gesamtrisikowert4) im Vergleich zu einem geringen Gesamtrisikowert die zusätzliche Kapitalanforderung für Zinsänderungsrisiken dämpft.

b) Die Aufsicht ermittelt anhand einer weiteren Matrix (siehe Tabelle 2) einen zusätzlichen Eigenkapitalquotenzuschlag für weitere wesentliche Risiken,5) die nicht schon in der Säule 1 (CRR) berücksichtigt sind. Die Risikoprofilnoten beziehen sich auf die Qualität des Internal Adequacy Assessment Process (ICAAP) und die Internal Governance (IG), wobei jeweils die schlechtere der beiden Einzelnoten maßgeblich ist.

Unter Gesamtrisiko versteht die Aufsicht die einfache Summe aller Risiken aus dem ICAAP des Instituts, also ohne die Berücksichtigung von Diversifikationseffekten. Konkret geht es um die Angaben im Meldebogen zur Erfassung der Risiken und Limite (RSK, Zeile 30) im Meldewesen zur Risikotragfähigkeit (RTF-Meldewesen). Die oben geäußerte Kritik, dass ein hoher Risikowert im Vergleich zu einem geringen Risikowert dämpfend auf die zusätzliche Kapitalanforderung wirkt, ist an dieser Stelle zu wiederholen.

Maßgeblich für beide Zuschläge waren die Meldungen per 31. Dezember 2015. Die betroffenen Institute müssen ihre Eigenkapitalmeldungen zum nächsten vorgegebenen Meldezeitpunkt adjustieren.

Neue Eigenmittelzielkennziffer

Zeitgleich mit den LSI-SREP-Bescheiden versandte die Aufsicht ein Schreiben zur bankaufsichtlichen Eigenmittelzielkennziffer. Diese Anforderung soll die Eigenmittelausstattung dokumentieren, die das Institut aus Sicht der Aufsicht langfristig anstreben muss, um Stresssituationen zu überstehen (Stresspufferzuschlag). Dazu wird die zu a) und b) beschriebene SREP-Eigenkapitalanforderung erhöht um eine weitere Eigenkapitalanforderung. Diese soll Stresseffekte aus der Niedrigzinsumfrage 2015 (NZU) bezogen auf die Szenarien zum Zinsänderungsrisiko (plus/ minus 200 Basispunkte Zinsschock), zum zweiten Szenario des Kreditrisikostresstests und zum Marktrisiko abdecken.

Die Auswirkung auf die Gewinn- und Verlustrechnung wird wiederum - analog zum oben dargestellten Vorgehen für das Zinsänderungsrisiko - in Relation zum Gesamtrisiko gesetzt (siehe Tabelle 3, Seite 74).

Gesamtwirkung der LSI-SREP-Bescheide

Die Säule-1-Plus-Anforderungen aus a) und b) entsprechen einer harten Eigenkapitalanforderung. Deren Nichteinhaltung bewirkt unmittelbar aufsichtsrechtliche Sanktionen nach § 45 Abs. 1 Kreditwesengesetz (KWG). Demgegenüber dient der Stresspuffer, der in die Eigenmittelzielkennziffer einfließt, zur Abfederung von Verlusten im Stressfall. Dessen Unterschreitung ruft keine automatischen bankaufsichtlichen Maßnahmen hervor, führt jedoch zur Erhöhung der Aufsichtsintensität. Der Stresspufferzuschlag kann mit dem Basel-III-Kapitalerhaltungspuffer6) verrechnet werden, er tritt nicht additiv hinzu. Die Säule-1-Plus-Anforderung wird auf die Eigenmittelanforderungen nach Artikel 92 der CRR proportional übertragen. Demnach gelten die in Tabelle 4, Seite 74, dargestellten Eigenmittelanforderungen.

Die Eigenkapitalanforderung lässt sich an einem einfachen Beispiel darstellen: Unterstellt man einen Stresskapitalpuffer in Höhe von 1,6 Prozent, so ergibt sich insgesamt die in der Abbildung, Seite 76, skizzierte Auswirkung.

Zusammenfassend sollten Institute, die noch keinen LSI-SREP-Bescheid erhalten haben, nochmals überprüfen, welche Risiken tatsächlich als wesentlich in der Säule 2 einzustufen sind, da die Aufsicht wie dargestellt dafür ebenfalls eine harte Eigenkapitalanforderung im Sinne der Säule 1 stellt. In diesem Zusammenhang ist zu hinterfragen, ob das Vertriebsrisiko (Geschäftsrisiko)7) tatsächlich als eigenständige wesentliche Risikoart dargestellt wird. Stattdessen kann es zielführender sein, diesem zweifelsfrei bestehenden Risiko dadurch Rechnung zu tragen, dass der Plangewinn8) entsprechend mit einem nachprüfbaren Abschlag versehen wird. Überdies sollten Institute prüfen, inwieweit Entlastungspotenziale in der Risikotragfähigkeit identifiziert werden können - zum Beispiel durch risikoartenspezifische Parametrisierung.

Allgemeinverfügung zu Zinsänderungsrisiken

Angesichts der großen Zahl an LSI konnte die deutsche Aufsicht noch nicht allen Instituten die neue Kapitalanforderung übermitteln. Um daraus möglicherweise resultierende Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, unterliegen alle Institute ohne LSI-SREP-Bescheid automatisch der Allgemeinverfügung "Anordnung von Eigenmittelanforderungen für Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch"9) .

Die Pflicht für einen Zuschlag gemäß dieser Allgemeinverfügung entfällt, wenn das Institut den LSI-SREP-Bescheid erhält beziehungsweise dieser rechtswirksam wird. Die Allgemeinverfügung ermittelt den Eigenkapitalzuschlag ebenfalls anhand des standardisierten Zinsschocks (oben als Zuschlag a) bezeichnet) und der Daten in Tabelle 5.

Diese Darstellung verdeutlicht, dass keine institutsindividuellen Risikoprofilnoten einfließen. Vielmehr orientieren sich die Zuschlagsfaktoren der Allgemeinverfügung - worauf die BaFin im Anschreiben hinweist - an den Werten der mittleren Risikoprofilnoten für die Qualität des Managements von Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch der LSI-SREP-Bescheide.

Weiter können im Unterschied zum LSI-SREP-Bescheid freie Vorsorgereserven nach § 340 f HGB oder § 26 a KWG (alte Fassung) vollständig angerechnet werden. Nur soweit die freien Vorsorgereserven hierfür nicht ausreichen, erhöht sich durch den Eigenmittelzuschlag die einzuhaltende Gesamtkapitalquote. Als Bezugsgröße werden jedoch in der Allgemeinverfügung die RWA (risikogewichtete Aktiva nach Säule 1 CRR) herangezogen im Unterschied zum Säule-1-Gesamtrisiko im LSI-SREP-Bescheid.

Die Vorgehensweise in den LSI-SREP-Bescheiden einerseits und in der Allgemeinverfügung andererseits unterscheidet sich also im Detail. Dementsprechend weisen die Eigenkapitalzuschläge ceteris paribus eine unterschiedliche Höhe auf. Damit können Wettbewerbsverzerrungen bestehen. Diese sind aber deutlich abgemildert im Vergleich zu der Situation, dass Institute ohne LSI-SREP-Bescheid keiner Allgemeinverfügung unterliegen würden. Letztere ist ohnehin nur als relativ kurz befristete Übergangslösung gedacht. Der individuelle Eigenkapitalzuschlag ist erstmals zum nächsten Meldestichtag des aufsichtsrechtlichen Zinsschocks per 31. Dezember 2016 zu ermitteln. Er erhöht die Gesamtkapitalquote analog zu den oben vorgestellten LSI-SREP-Bescheiden.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der EBA-SREP nunmehr auch die nicht der EZB-Aufsicht unterliegenden deutschen Institute (LSI) erreicht hat. Sowohl die LSI-SREP-Bescheide als auch die ersatzweise greifende Allgemeinverfügung erhöhen die bestehenden Eigenmittelanforderungen nach Artikel 92 CRR. Die LSI-SREP-Bescheide einerseits und die Allgemeinverfügung führen jedoch regelmäßig zu einem unterschiedlich hohen Anstieg der verbindlich einzuhaltenden Gesamtkapitalquote. Letztere ist daher auch bei der mehrjährig angelegten Kapitalplanung nach MaRisk zu berücksichtigen.

1) Vgl. Wimmer, K. (2015): EBA-SREP und die Folgen für die MaRisk, in: FLF 1/2015, S. 17-21.

2) Vgl. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (2011): Rundschreiben 11/2011 (BA) - Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch.

3) Im Gegensatz zur ursprünglichen Information der Deutschen Bundesbank, vgl. dazu Vortrag von Sören Wieck "SREP-Kapitalfestsetzung - Methodik für weniger bedeutende Institute", Deutsche Bundesbank, 4.5.2016. Dort wurde nur auf das Teilrisiko im Sinne der risikogewichteten Aktiva (RWA) abgestellt.

4) Gemessen anhand der COREP-Meldegröße CO2.00 010.

5) Ausgenommen davon ist das Zinsänderungsrisiko im Anlagebuch, das bereits unter a) erfasst wird.

6) Vgl. § 10c Kreditwesengesetz.

7) Vgl. dazu Wimmer, K. (2016): Geschäfts-/Vertriebsrisiko: Definition und Überblick, in: FLF 1/2016, S. 6-11.

8) Dies unterstellt, das Institut verwendet den Going-Concern-Ansatz bei der Darstellung der Risikotragfähigkeit nach MaRisk und übernimmt den vorsichtig ermittelten Plangewinn in die Risikodeckungsmasse.

9) Vgl. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (2016): Geschäftszeichen BA 55-FR 2232-2016/0001 vom 23.12.2016.

DER AUTOR: Prof. Dr. Konrad Wimmer, Ismaning,ist Executive Partner für Strategische Steuerung bei der msgGillardon AG. Er war Professor für Bank-, Investitions- und Finanzwirtschaft an der Hochschule Neu-Ulm.E-Mail: konrad.wimmer[at]msg-gillardon[dot]de
Prof. Dr. Konrad Wimmer , Executive Partner Research & Strategische Themen , msg for banking ag, Frankfurt am Main

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