"Wir glauben an die Kraft der Digitalisierung - und dazu braucht es gute Regeln"

Ein Online-Anbieter schafft Factoring-Lösungen für kleine Unternehmen

Dr. Matthias Knecht und Dr. Christian Grobe, Gründer der Billie GmbH, Berlin (v.l.) Quelle: Carolin Weinkopf

Seit Mai 2017 agiert das Fintech-Unternehmen Billie GmbH, Berlin, mit einem vollautomatisierten Prozess am Factoring-Markt. Für die Unternehmensgründer Dr. Christian Grobe und Dr. Matthias Knecht ist es bereits das zweite Start-up, das sie führen. Mit kleinen Losgrößen adressieren sie vorrangig kleine und kleinste Unternehmen und sehen sich damit als Ergänzung zu den bisherigen Factoring-Anbietern. Über die Kraft der Digitalisierung, wesentliche Unterschiede zu den klassischen Unternehmen und ihre weiteren Projektvorhaben sprachen sie mit der FLF-Redaktion.

Ein Neukunde benötigt im Schnitt sieben Minuten, um sich bei der Billie GmbH zu registrieren - online versteht sich. Im Anschluss kann er sofort die ersten Rechnungen für das Factoring einreichen mit einem monatlichen Finanzierungsrahmen von bis zu 200 000 Euro. "Vom Erstkontakt bis zum Vertragsabschluss brauchen einige der großen Anbieter schon mal bis zu vier Monate", berichtet Dr. Matthias Knecht, einer der Billie-Gründer, der im Unternehmen Risikomanagement, IT, Recht und Investor Relations verantwortet. "Wir brauchen, wenn es gut geht, weniger als einen Tag." Das klappt allerdings nur, da der Prozess end-to-end komplett digitalisiert ist. Unterlagen oder weitere Belege in Papierform gehören somit der Vergangenheit an.

Die Online-Plattform billie.io greift dabei auf zahlreiche Online-Auskunfteien und Informationsquellen wie beispielsweise das Handelsregister zu und nimmt im Hintergrund Plausibilitätsprüfungen vor. Das erleichtert zugleich die Eingabe für den Neukunden: Wenige Angaben zu Person, Firma und Rechtsform genügen, und das System zieht sich zahlreiche weitere Daten, die dann vom Anmelder bestätigt oder korrigiert werden müssen. Das Billie-Team mit derzeit etwa 25 Mitarbeitern greift nur dann manuell ein, wenn es erforderlich ist. Aspekte des Risikomanagements, der Betrugsprävention und weitere gesetzliche Anforderungen werden dennoch zwingend berücksichtigt. "Der Finanzbereich ist halt nicht wie Pizza oder Schuhe verkaufen. Wir handeln und beschäftigen uns mit dem Geld anderer, und da ist die Fehlertoleranz geringer", sagt Dr. Christian Grobe, weiterer Billie-Gründer und im Unternehmen verantwortlich für Marketing, Vertrieb, Finanzen und Public Relations.

Die Prüfungen erfolgen auf unterschiedlichen Ebenen: beim Kunden, der die Forderung abtritt, beim Debitoren, der hinter der Forderung steht, und für die Rechnung selbst, ob sie beispielsweise einredebehaftet ist oder ob die Leistung überhaupt erbracht wurde. Die größte Prüfung gilt dem Kunden - Angaben zu Stammdaten wie Rechtsform, Unternehmensgröße, Branche, Managementwechsel und insbesondere Kontoumsätzen ergeben einen Scorewert. Daraus wiederum errechnet Billie eine bestimmte Ausfallwahrscheinlichkeit für das Adressrisiko, zusammen mit verschiedensten Anhaltspunkten für eine Betrugsprävention ermitteln sie das Gesamtrisiko.

Die Unternehmer Grobe und Knecht sehen sich als "Tech-Enthusiasten und konservative Banker". Zum Geschäftsmodell eines Factoring-Fintechs gehört für sie daher wie selbstverständlich eine Zulassung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Diese haben sie in gerade einmal 90 Tagen erhalten, wie sie stolz berichten. "Innerhalb kürzester Zeit die BaFin-Lizenz zu erwerben, war ein ganz klares Vertrauenssymbol am Markt", bestätigt der promovierte Betriebswirt Knecht. Diesen Prozess hat das Unternehmen ohne externe Berater selbst gemeistert. Für Volkswirt und Politikwissenschaftler Grobe liegt der positive Aspekt der Regulierung darin: "Es zwingt uns, sehr früh, extrem professionell zu sein. Regulatorik ist daher ein sehr wichtiger Teil unseres Businessmodells." Die Fintechs, die sich bisher ohne Lizenz auf den Weg gemacht haben, werden letztendlich nicht langfristig bestehen können, glaubt Grobe. Die BaFin sorge für ein "Level Playing Field" - gleiche Regeln für gleiches Geschäft. Wenn ein Institut zehn oder 30 Millionen Euro Factoring-Volumen macht, dann sei das jedoch in keiner Weise systemrelevant.

Vorteile der BaFin-Zulassung

Die BaFin-Regulierung bringe zwar erhebliche Compliance-Kosten mit sich. Im Unternehmen haben die beiden Billie-Gründer verschiedene Hüte auf; es braucht eine eigene Rechtsabteilung, einen Datenschutzbeauftragten, einen Geldwäschebeauftragten, eine Interne Revision et cetera. Das stemmen die Unternehmer alles selbst - "inhouse", wie sie sagen.

Auf der anderen Seite verbinden sie mit der BaFin-Zulassung erhebliche Vorteile. Ein Grund für eine eigene Lizenz ist das Profitabilitätsargument. "Wir haben keine Partnerbank, die uns die Marge klaut, weil sie natürlich mitverdienen will", weiß Knecht. "Das heißt, wir sind deutlich profitabler als andere Spieler am Markt ohne BaFin-Zulassung." Ein weiterer Pluspunkt liegt darin, dass das Unternehmen schneller und flexibler am Markt agieren kann. Diese Erfahrung bringen Grobe und Knecht aus ihrer vorherigen Unternehmensgründung Zencap, einer Online-Plattform für Firmenkredite, mit. Das Unternehmen agierte ohne eigene Banklizenz, sondern hat sich dafür einer Partnerbank bedient. "Das hat geklappt, aber eine Integration mit einem externen Spieler, der den Lizenzschirm über einen ausbreitet, ist immer eine hohe Hürde", berichtet Knecht. Für eine technische Integration müssen Prozesse von Lizenzinhaber und Lizenznutzer aufeinander abgestimmt werden, was das Handling erheblich verlangsamt. Spätestens bei der Einführung neuer Produkte hemmen diese Ineffizienzen erheblich.

Drei Jahre haben die beiden Unternehmer die Geschicke von Zencap geleitet, bevor das Unternehmen an Funding Circle verkauft wurde. Als der "Platzhirsch aus Großbritannien" auf den deutschen Markt drängte, stand die Frage, "ob man konkurriert - Fintech gegen Fintech - oder ob man eher nach Gemeinsamkeiten sucht, um sich gegen die etablierte Industrie durchsetzen zu können". Grobe und Knecht haben sich dann - wie sie bekräftigen - "schweren Herzens" dafür entschieden, den Weg des Verkaufs zu gehen. "Für das Team war es die langfristig bessere Lösung. Uns war klar, wenn wir verkaufen, werden wir sehr viel von unserem Einfluss und unserer Gestaltungskraft verlieren." Somit stand mit der Entscheidung für den Verkauf fest, dass beide etwas Neues aufbauen wollten. Bei ihrem ersten Fintech-Unter nehmen wollten sie sich zunächst auf diese eine Geschäftsidee - die Unternehmenskredite - konzentrieren, um die begrenzten Ressourcen sinnvoll einzusetzen und nicht den Faden zu verlieren. Mit dem Verkauf von Zencap war der Weg frei für etwas Neues.

Dass sie von Anfang an auch Factoring im Blick hatten - schon zu Zencap-Zeiten -, ergab sich aus den enormen Außenständen der deutschen Wirtschaft. Die Unternehmen begleichen zwar in der Regel ihre Rechnungen, lassen sich dabei aber schon mal bis zu drei Wochen länger Zeit als der Zahlungstermin gewährt, berichten die Fintech-Macher. Das bringt insbesondere kleinere Unternehmen in erhebliche Liquiditätsnot. "Der Markt ist unheimlich spannend", resümieren die Unternehmensgründer. Das potenzielle Marktvolumen geben sie mit etwa 30 Milliarden Euro für das kleinere Unternehmenssegment an. Diese Einschätzung beruht auf dem klassischen Factoring-Volumen von jährlich 210 bis 220 Milliarden Euro Gesamtmarkt in Deutschland.

Ergänzung im Factoring-Markt

Im Gegensatz zu den klassischen Factoring-Anbietern im Markt hat Fintech Billie relativ kleine und Kleinstunternehmen in Deutschland im Blick. Als Zielgruppe werden vorrangig Unternehmen mit 100 000 bis zehn Millionen Euro Jahresumsatz angesprochen, wobei die meisten Unternehmen aktuell unter fünf Millionen Euro liegen. Für dieses Unternehmenssegment gebe es laut Billie-Unternehmern derzeit kein Factoring-Produkt am Markt. Auch die Banken haben ihre spezialisierten Produkte eher für die großen Kunden, die sich über Anleihen finanzieren oder verschiedene Factoring-Formen nutzen können. Die Palette an Strukturierungsmöglichkeiten ist groß. Hingegen kann der Kleinunternehmer zumeist nur auf sein Kontokorrent zurückgreifen. Online-Factoring hingegen ist einfach und flexibel nutzbar.

Für die großen Factoring-Anbieter wäre dieses Volumen "nicht spannend genug", für sie zählten vielmehr die Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 20 oder sogar 50 Millionen Euro. Dies sei den zumeist papierbasierten Prüfprozessen der Großen geschuldet, kleinere Losgrößen wären nicht profitabel genug. Die großen Player sind somit keineswegs Wettbewerber, vielmehr versteht sich Billie eher als Ergänzung der bisherigen Marktanbieter. Der durchschnittliche Rechnungsbetrag, der für Factoring bei Billie eingereicht wird, liegt zumeist zwischen 6 000 und 10 000 Euro - das Unternehmen hat jedoch auch schon einzelne Rechnungen oberhalb von 200 000 Euro finanziert.

Hinsichtlich der Branchen und der Kunden zeichnet sich ein "weiter Schnitt" ab. Das Segment ist ähnlich zum früheren Unternehmen Zencap und reicht von Dienstleistern wie Werbeagenturen, Webdesignern, Computerspezialisten bis hin zu produzierenden Unternehmen wie Metallbauer für Balkongeländer oder Türschlösser. Billie deckt eine komplette Bandbreite ab, die auch Logistikunternehmen einschließt. Wesentliches Kriterium: Die Unternehmen müssen im Business-to-business-Umfeld agieren. Fast alle Rechtsformen sind dabei zugelassen, einen Ausschluss sieht Billie allerdings für Vereine, Genossenschaften oder BGB-Gesellschaften.

Im Gegensatz zu anderen Startups im Factoring-Markt zählt die Billie GmbH etwa 85 Prozent Kapitalgesellschaften zu ihren Rechnungseinreichern, Einzelunternehmer oder Freelancer sind eher die Ausnahme. Zudem müssen die Unternehmen einen Mindestumsatz von 50 000 Euro jährlich aufweisen und mindestens ein Jahr lang am Markt agieren mit Firmensitz in Deutschland. Auf der Seite der Debitoren ist die Verteilung der Unternehmen und Branchen eine ähnliche. Dennoch sind auch sehr große Unternehmen oder Kommunen darunter.

Diese und weitere Kriterien publiziert Billie transparent auf der unternehmenseigenen Website. Ohnehin legt das Unternehmen großen Wert auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Die Website ist klar strukturiert, übersichtlich aufgebaut und gibt Auskunft über das Unternehmen, den Prozess und die angebotenen Produkte. Potenzielle Kunden erreicht Billie über Online-Kanäle wie Facebook, Google oder Bing. Doch auch auf ganz traditionellen Wegen wie Werbebriefen per Post erfolgt die Kundenansprache, ebenso über Partnerschaften.

Im Herbst 2016 gegründet hat Billie seine Online-Plattform zum Mai 2017 marktreif entwickelt und ist seither live. Im ersten Geschäftsjahr 2017 konnten knapp zehn Millionen Euro Factoring-Volumen generiert werden. Für 2018 strebt das Start-up ein Volumen im zweistelligen Millionenbereich an. Dennoch geht es momentan weniger um das Volumen. "Derzeit halten wir bewusst Volumen zurück, um unsere Prozesse zu testen, damit alles reibungslos funktioniert", erläutert Grobe. Demnach agiere im aktuellen Geschäftsjahr das Unternehmen "noch gar nicht so sehr volumengetrieben, sondern eher prozessoptimierungsgetrieben. Ab 2019 nehmen wir die Skalierung in den Blick, bis 2020 ist für uns die entscheidende Zeit, um zu sehen, ob das Modell richtig skaliert."

Finanzierungsbasis gesichert

Die Finanzierung hingegen sei kein Engpass für weiteres Wachstum. Billie konnte aktuell eine neue Finanzierungsrunde mit zehn Millionen Euro abschließen. "Das ist für deutsche Verhältnisse extrem hoch und zeigt, dass unsere Investoren großes Vertrauen in uns setzen", bekräftigt Finanzverantwortlicher Grobe. Mit Targo Commercial Finance (Targo CF) konnte daneben ein wichtiger Finanzierungspartner für die angekauften Forderungen gewonnen werden. Der Kontakt stammt noch aus der Funding-Circle-Zeit. Die Geschäftspartner haben schnell gemerkt, dass auf beiden Seiten ein gleiches Verständnis von Professionalität und Einstellung zur Regulatorik besteht. Und beide Unternehmen profitieren von diesem Austausch. "Wir begegnen uns auf Augenhöhe, schließlich wollen wir nicht mit Targo CF konkurrieren und Targo CF will kein zweites Billie eröffnen", sagt Grobe. Die Innovationskraft von Billie gepaart mit der langjährigen Expertise von Targo CF im Forderungsverkauf lassen intelligente und werthaltige Lösungen entstehen.

Für Billie war zudem selbstverständlich, sich im Deutschen Factoring-Verband (DFV) zu organisieren. Das hat den Gründern bei ihrem ersten Unternehmen gefehlt - ein schlagkräftiger Verband, an den man sich wenden kann, der juristische Expertise hat und die Interessen der Branche gebündelt vortragen kann.

Wenngleich Billie als Fintech eher die Ausnahme im DFV ist - Voraussetzung ist eine BaFin-Zulassung -, ist der Austausch für klassische Anbieter und Start-ups nützlich. "Andere Unternehmen im Factoring-Verband finden uns interessant, weil wir ein altes Geschäftsmodell komplett anders machen als bisher. Wir lernen aus dem Gedächtnisbestand der Factoring-Industrie der letzten 30 oder 40 Jahre, und von uns kann man die digitale Perspektive lernen." Billie hat die digitale Brille auf, da kommt es schon mal zu unterschiedlichen Auffassungen, was Risikoeinschätzung und Risikoappetit angeht. Die Diskussionen beurteilt Grobe als "sehr wertvoll". "Billie ist zumeist risikofreudiger, es geht uns nicht um Risikovermeidung, sondern darum, ein Risiko so zu wählen, dass man nicht unbedingt signifikant Geld damit verliert, aber eben im ersten Schritt auch nicht verdient." Vielmehr geht es darum, die digitalen Risikoprozesse aufzubauen. Der ein oder andere Ausfall sei dabei einkalkuliert und hilft, die Algorithmen zu trainieren.

Am Anfang steht der Prozess

Die große Kunst sehen Grobe und Knecht darin, am Anfang nicht einfach nur auf das Volumen zu schauen. "Für uns ist es insbesondere wichtig, die Bonität des Kunden richtig einzuschätzen." Und darauf legen die Unternehmensgründer bereits bei der Registrierung großen Wert.

Die Stärken der klassischen Anbieter liegen hingegen darin, dass sie viel mehr Komplexität gewohnt sind. Es geht um "Sterneküche gegen Hausmannskost". Während die Sterneküche viele Köche braucht, ausgewählte Produkte und komplexe Prozesse mit einer ausgefeilten Lieferkette, kann die solide Hausmannskost mit weniger Aufwand betrieben werden. "Sie brauchen weniger Köche, gute, aber einfache Zutaten, und die Zubereitung ist nicht so verkünstelt und komplex." Daher konzentrieren sich die Factoring-Unternehmen auf unterschiedliche Zielgruppen - die großen Mittelständler bis hin zu Dax-Konzernen mit komplexen Strukturen und Anforderungen auf der einen Seite, der kleine Mittelständler, der seine Liquidität sichern möchte, auf der anderen. Zwar gab es auch einige Versuche der großen Anbieter, das kleine Segment zu bedienen, allerdings lässt sich mit den althergebrachten Prozessen keine Digitalisierung erreichen, dies ist nur bis zu einem bestimmten Grad an Komplexität möglich. Dennoch sei das Potenzial für Digitalisierung groß.

Gerade bei den Banken sehen Grobe und Knecht enorme Ineffizienzen. Aus ihrer gemeinsamen Beratungszeit bei McKinsey konnten sie beobachten, wie "Banken zu wahnsinnig großen Konzernen herangereift sind mit Prozessen, die nicht mehr in das 21. Jahrhundert passen". Aus ihrer Sicht wird "die Universalbank zwar nicht sofort ersetzt - so weit sind wir noch nicht, aber bestimmte Einzelsegmente aus dem Spektrum kann man sich mit Sicherheit vornehmen und darauf etwas Neues aufbauen". Genau das war der Antrieb der beiden für ihr erstes gemeinsames Start-up im Jahr 2013. Beide standen vor der Frage, ob sie in der Beratung weiter aufsteigen wollen, nach dem Projektleiter nun Partner werden. Schließich haben sie sich für einen unternehmerischen Neuanfang entschieden. Während Knecht im Unternehmertum eine Lebenseinstellung und einen Charakterzug sieht, hatte Grobe nie geplant, ein Unternehmer zu werden: "Unternehmertum muss man gar nicht so sehr im Blut haben", meint er. "Es ist vielmehr die Grundeinstellung, offen und mutig zu sein." Der Perfektionismus und die Angst vor Experimenten der Deutschen sei aus seiner Sicht die größte Hürde, um Unternehmertum in der Breite zu verankern.

IT-Projekte erfordern eine andere DNA

Die Erfahrungen als Unternehmensberater und aus ihrem ersten Start-up halfen den heutigen Unternehmern, das Fintech Billie dorthin zu führen, wo es heute steht. Sie haben IT-Projekte großer Banken scheitern gesehen - trotz enormer finanzieller Mittel und zahlreicher Berater. Es erfordere eine "andere DNA, wie man IT-Projekte heute managt und zum Erfolg führt". Eine IT-Programmierung mit Wasserfallmodellen sei überholt, so Knecht. Vielmehr lasse sich in einem kleinen Unternehmen wie der Billie GmbH mit agilen Projektstrukturen durch regelmäßiges Entwickeln und Testen in kürzester Zeit ein Produkt erstellen. Dabei ist entscheidend, dass die Programmierer verstehen, was sie dort tun. "Mit einem Lasten- und Pflichtenheft ist es dabei nicht getan", ergänzt Grobe. "Business- und IT-Seite müssen heutzutage sehr eng zusammenarbeiten, sie brauchen ganz andere Modi, um im Unternehmen intern zu arbeiten, als das früher der Fall war." Das Billie-Team komme daher zumeist aus dem Tech-, Engineering-, Datenoder Risikobereich und kann die Anforderungen qualifiziert umsetzen.

Und auch, was die Expansion angeht, haben die Billie-Gründer aus früheren Erfahrungen gelernt. Wenngleich Zencap eine "absolute Erfolgsgeschichte" für beide Gründer war, haben sie dort "zu schnell expandiert, zu schnell Mitarbeiter eingestellt, zu wenig auf qualifizierte Mitarbeiter gesetzt". Bereits zwei Monate nach Unternehmensgründung haben sie den Schritt ins Ausland gewagt. "Das hat sehr viel Stress auf die IT-Infrastruktur gegeben, sodass wir unser Produkt nicht konzentriert weiterentwickeln konnten, weil wir die Länderkomplexitäten unterschätzt hatten." Daher fokussieren sich Grobe und Knecht vorerst auf den deutschen Markt, um die Prozesse vollständig automatisiert und digital aufbauen zu können. Dennoch ist eine Expansion ins Ausland ganz klar Teil der Strategie. "Bis Mitte 2018 werden wir uns den deutschen Markt ansehen, welche Optimierungspotenziale es dort gibt. Wenngleich viele Banken auf uns zukommen, um mit uns in die Kooperation zu gehen, dürfen wir uns davon nicht zu sehr verlocken lassen."

Fintechs als Exoten

Zudem stehen weitere Projekte in Deutschland an: Als Mitglied im Fintech-Rat, den das Bundesfinanzministerium erstmals im März 2017 einberufen hat, setzt sich Billie für "gute Rahmenbedingungen in Deutschland für Fintech-Start-ups" ein. Dabei kommt der Politikwissenschaftler Grobe durch, der seine Verantwortung wahrnehmen möchte und die Politik in Sachen Fintechs berät und auf Probleme oder mögliche Missstände hinweist. Immerhin nennen es Politiker "Safari, wenn sie Fintechs besichtigen". Das zeige, wie exotisch diese Unternehmen nach wie vor gesehen werden. Es gehe um einen "stabilen regulatorischen Rahmen, dass man erwartbar Fintech-Geschäft machen kann".

Alles in allem sieht sich Billie als "extrem begeistert von Automatisierungen und technologischen Lösungen, wir haben keine Angst, dass tausend Jobs wegdigitalisiert werden", resümiert Grobe. "Vielmehr glauben wir an die Kraft der Digitalisierung, aber nicht naiv und blind, sondern uns ist sehr bewusst, dass es gute Regeln braucht, um das erfolgreich zu gestalten. Dieses Spannungsfeld zeichnet uns aus."

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