Wenn höfliches Gesäusel auf sachliche Orientierung trifft

Kulturelle Intelligenz im Management setzt die Regeln

Dr. Hanne Seelmann-Holzmann Quelle: Dr. Seelmann Consultants

Interkulturelle Teams prägen heutzutage das Bild in den Unternehmen - egal ob multinationaler Konzern oder regionaler Handwerksbetrieb. Das globale Dorf, in dem sich alle Bewohner den westlichen Werten unterordnen werden, existiert nicht. Welche Werte und Regeln gelten daher in den Unternehmen? Wie wollen die Mitarbeiter geführt werden? Und wie wird interkulturelle Kompetenz messbar? Der Beitrag zeigt, wie Unternehmen Kulturintelligenz für den geschäftlichen Erfolg trainieren können. (Red.)

Aus vielen Gründen sind die Belegschaften in Deutschland bunt. Große Unternehmen verweisen darauf, dass unter ihren Mitarbeitern bis zu 100 Nationen vertreten sind. Die internationale Zusammenarbeit führt Menschen aus anderen Kulturkreisen mittlerweile bis in die tiefste Provinz zu unseren leistungsstarken Hidden Champions. Und auch die berufliche Integration von Zuwanderern wird die Multi-Kulturalität in Handwerksoder Dienstleistungsbetrieben weiter erhöhen.

Das Management der Unternehmen muss diese Tatsache in verschiedener Hinsicht berücksichtigen. Es gilt die Herausforderung zu bewältigen, dass Menschen mit zum Teil sehr unterschiedlichen Werten und Überzeugungen erfolgreich zusammenarbeiten. Nur dann können sich die oft beschworenen Synergieeffekte in multikulturellen Teams entfalten. Führungskräfte und Mitarbeiter benötigen dazu interkulturelle Kompetenz. Mehr als das: Sie benötigen kulturelle Intelligenz. Aber was ist das eigentlich?

Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit lässt sich am besten an einer Fußballmannschaft erklären. Im Kern geht es darum, dass ein Trainer die Kompetenzen seiner Spieler kennt und diese dann am richtigen Platz einsetzt. Die Spieler wiederum ordnen sich den Anweisungen des Trainers unter und akzeptieren die Spielregeln.

Darin liegt die erste Aufgabe im Management einer internationalen oder interkulturellen Arbeitsgruppe: Wer definiert die Inhalte der Spielregeln? Welche Werte und Überzeugungen drücken sich in diesen Spielregeln aus? Sind alle Mitarbeiter gleichermaßen bereit, sich an vorgegebene Regeln zu halten?

Konkret heißt das: Welchen Führungsstil wünschen sich die Mitarbeiter? Möchten sie in flachen Hierarchien selbstständig arbeiten, eher gefördert denn geführt werden? Oder erwarten sie einen eher patriarchalen Vorgesetzten, der ihnen sagt, was sie zu tun haben und ihre Arbeitsergebnisse kontinuierlich überwacht? Schätzen sie einen strukturierten Ablaufplan oder möchten sie das weitere Vorgehen eher situativ und kontextuell entscheiden? Werten sie das Interesse des Kollegen an ihrem Privatleben als Neugierde oder als Interesse? Umgekehrt: Werten Mitarbeiter aus anderen Kulturkreisen die Zurückhaltung ihrer deutschen Kollegen als Respekt vor der Privatsphäre oder als Ausdruck von Desinteresse? Schätzen wirklich alle Menschen auf der Welt ein offenes und klares Wort?

Kulturelle Brille bestimmt An-Sichten

Die individuelle Beantwortung all dieser Fragen ist ein Zeugnis der jeweiligen kulturellen Prägungen, der kulturellen Codes. Diese Grundkodierung bestimmt dann die jeweilige Perspektive und Gefühle einer Person. Sie bestimmt, ob die Person etwas als richtig oder falsch, als zielführend oder logisch betrachtet. Und wenn sie dies nicht tut, empfindet sie Unzufriedenheit, Ärger, Frustration und Wut.

"Wissen die eigentlich, was sie uns zumuten?" Diese Frage brachte ein Mitarbeiter während eines Firmenworkshops auf. Er erläuterte seine Frage mit einer Geschichte. Er fände es nervig ohne Ende, dass er Mails nach Asien nicht kurz und knapp (sachlich orientiert) schreiben, sondern immer in ein "höfliches Gesäusel" einbetten solle. Und wenn er vor Ort sei, treibe ihn diese ständige Fürsorge und der dauernde soziale Kontakt mit den asiatischen Kollegen zum Wahnsinn.

Ein anderer deutscher Mitarbeiter beschied einem singapurischen Kollegen, er lebe in einem Hühnerstall, als dieser ihm stolz vom Erwerb einer Eigentumswohnung in einem Wohnblock berichtete. Er, der Deutsche, habe ein freistehendes Wohnhaus mit Garten in München. Er verstünde also nicht, warum der singapurische Kollege auch noch stolz auf seine neue Unterkunft sei. Wer sich jetzt die Augen reibt ob der mangelnden Sensibilität oder Höflichkeit der deutschen Mitarbeiter, der ist mitten drin in der Aufzählung dessen, was kulturelle Intelligenz bedeutet.

Soft Skills als Schlüsselkompetenz

Es betrifft die Ebene der Soft Skills der Führungskräfte und Mitarbeiter. Und diese Soft Skills sind - anders als in Managementkreisen manchmal geäußert - keine Skills für Softies, sondern die Schlüsselkompetenz für eine erfolgreiche internationale oder interkulturelle Arbeit. Elemente wie Aufgeschlossenheit und Neugier, Empathievermögen, Ambiguitäts- oder Frustrationstoleranz, aktives Zuhören sowie die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel sind wichtige Voraussetzungen, damit ein Mensch interkulturelle Kompetenz ausbilden kann.

Kulturintelligenz geht jedoch darüber hinaus. Sie bedeutet, dass interkulturelle Kompetenz auch zielführend in der konkreten Führungsoder Managementaufgabe angewandt werden kann. Der Vorgesetzte weiß also nicht nur, wie seine anderskulturellen Mitarbeiter oder Kooperationspartner ticken, sondern er weiß zusätzlich, was sie in der konkreten Arbeitssituation benötigen, damit sie sich wohl und anerkannt fühlen. Er weiß, was sein afrikanischer, südamerikanischer oder asiatischer Kunde von ihm erwartet, wie er vorgehen muss, um zum Geschäftsabschluss zu kommen.

Die Unterstützung ist deshalb keine einmalige Maßnahme, zum Beispiel in Form von interkulturellem Training, sondern eine Prozessbegleitung, die auf verschiedenen Stufen der Aufgaben von Führungskräften und Mitarbeitern in der täglichen Arbeit ansetzt. Zur Kulturintelligenz gehören drei Elemente: kulturelle Codes, interkulturelle Kompetenz und kulturelle Diversität (siehe Abbildung).

- Kulturelle Codes sind Informationen über die Werte und Normen, Denk- und Handlungsmuster einer bestimmten Kultur.

- Interkulturelle Kompetenz beschreibt, wie dieses Wissen über die fremde Kultur im Vergleich zur eigenen Kultur dann in der praktischen, betrieblichen Arbeit konkret berücksichtigt wird - zum Beispiel in Verhandlungsstrategien, in der Mitarbeiterführung, in der Konzeption von Marketinginstrumenten oder dem eigenen Verhalten in schwierigen interkulturellen Situationen.

- Kulturelle Diversität zeigt, wie man auf der organisatorischen Ebene die kulturelle Vielfalt in Abteilungen, Arbeitsgruppen oder Projektteams nutzen kann, um unternehmerische Ziele zu erreichen.1)

Es menschelt in der Zusammenarbeit

Das gilt für gleichkulturelle Teams und mehr noch für interkulturelle Arbeitsgruppen. Und bei all dem wird klar, dass neben den kognitiven Fähigkeiten (= dem Wissen über die Struktur eigener und fremder kultureller Codes) sehr stark emotionale Fähigkeiten beteiligt sind. Mit einem Satz: Bestimmte Menschen mit bestimmten Persönlichkeitseigenschaften werden Kulturintelligenz nicht haben oder entwickeln können.

Für das Management ergeben sich daraus Aufgaben auf verschiedenen Ebenen: Im ersten Schritt müssen die Mitarbeiter die Möglichkeit erhalten, Informationen über die Bedeutung, Inhalte und Wirkung kultureller Prägungen zu bekommen. Dabei bieten sich Firmenveranstaltungen an, die jedoch weit über die Ebene der Vermittlung von "Dos and Don'ts" gehen müssen.

Zum Zweiten kann sich dies nicht auf einmalige Maßnahmen beschränken. Ähnlich wie im Qualitätsmanagement ist die Unterstützung als Prozess zu implementieren. Alle Unternehmensbereiche sind beteiligt. Es genügt nicht, den Verkäufern entsprechende Informationen über die anderskulturellen Kunden zu geben. Diese Informationen benötigen ebenfalls ein Prozessmanager, ein Entwickler oder die Mitarbeiter im Backoffice bei der Auftragsabwicklung. Nur so können alle an einem Strang ziehen. Kulturintelligenz schafft eine gemeinsame Wissensbasis, um unternehmensweit eine koordinierte Strategie zu verankern und damit zielgerichtetes Arbeiten zu ermöglichen.

Drittens ist es Aufgabe der Führungskräfte herauszufinden, ob vor allem Mitarbeiter in Schlüsselpositionen wirklich über Kulturintelligenz verfügen (können). Doch wie misst man zum Beispiel interkulturelle Kompetenz oder die Fähigkeit dazu? Sicher nicht mit den schein-wissenschaftlichen Methoden, wie sie manchmal angeboten werden. Es gibt einen viel einfacheren Weg: Beobachten, wie sich die Mitarbeiter in der eigenen Kultur - und da vor allem in Krisensituationen - verhalten. Das ist der beste Indikator, wie sie sich dann gegenüber anderskulturellen Kollegen, Kooperationspartnern oder Kunden verhalten werden.

Man kann die Aufgaben von heute nicht mit den Werkzeugen von gestern lösen und dann darauf hoffen, dass man morgen noch erfolgreich ist. Die vielfältigen Auswirkungen der Globalisierung sind alltäglich in den Unternehmen. Mitarbeiter im Ein- oder Verkauf sind weltweit tätig. Die Abnehmer der Produkte stammen aus unterschiedlichen Ländern. Arbeitsgruppen in der Produktion ebenso wie im Engineering sind mittlerweile multikulturell.

Neue Bedingungen - neue Aufgaben

Diversität ist immer Chance und Risiko zugleich. Nur wenn es gelingt, andere kulturelle Codes als gleichberechtigt zu akzeptieren und einen gemeinsamen Nenner in der Zusammenarbeit zu finden, werden die Unternehmen die Chancen nutzen können. Kulturintelligenz ist dazu ein entscheidendes Werkzeug. Das globale Dorf, in dem sich alle den westlichen Werten unterordnen werden, taugt nur als Märchen. Kulturelle Überzeugungen verdampfen nicht wie Nescafé.

1) Vgl. dazu ausführlich: Seelmann-Holzmann, Hanne: "Cultural Intelligence. Die Erfolgsformel für Wachstum in einer multipolaren Wirtschaftswelt", 2010.

DIE AUTORIN: Dr. Hanne Seelmann-Holzmann, Heroldsberg,ist Expertin für interkulturelle Kompetenz und hat sich auf den Kulturvergleich Europa versus Asien spezialisiert. Die Soziologin und Wirtschaftswissenschaftlerin berät deutsche Unternehmen zu interkultureller Ausrichtung, strategischer Aufstellung in asiatischen Märkten oder vor der Entsendung eigener Mitarbeiter nach Asien.E-Mail: info[at]seelmann-consultants[dot]de

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