Vertriebssteuerung von Finanzdienstleistern als Schlüssel zum Erfolg

Sales Excellence als zentraler Wettbewerbsvorteil

Christian Glaser Quelle: Würth-Gruppe

Kunden wollen mit dem Kauf eines Produkts oder einer Finanzdienstleistung Wünsche erfüllt oder Probleme gelöst bekommen. Dieses emotionale Verkaufen bedeutet für den Vertrieb einen Paradigmenwechsel. Der Vertriebsmitarbeiter wird zum lösungsorientierten Berater. Dass dabei das Zielgruppen-Denken ausgedient und zunehmend durch ein zielgenaueres Buyer-Persona-Konzept ersetzt wird, beschreibt der Beitrag. Zudem geht es um die Rolle der Digitalisierung und Bedeutung von Social Media im Vertrieb. (Red.)

Finanzdienstleister im Allgemeinen und Leasing-Gesellschaften im Speziellen müssen vor allem eines: ihre Produkte und Dienstleistungen verkaufen. Und das Ganze so, dass am Ende möglichst viel Geld übrig bleibt. Der Vertrieb ist und bleibt auch weiterhin der Grundbaustein des unternehmerischen Erfolgs. Wenn der Vertrieb funktioniert, steht das Unternehmen im Normalfall ebenfalls gut da. Das klingt allerdings banaler, als es eigentlich ist. Denn Vertriebssteuerung und -optimierung sind sehr vielschichtig. Erfolgreich sind insbesondere die Institute, die das Thema Vertrieb strategisch angehen. Erfahrungen und das reine Verlassen auf Bauchentscheidungen reichen schon lange nicht mehr aus.1)

Konzept der Buyer Personas

Viele Finanzdienstleister stehen heutzutage vor großen Herausforderungen. So ersetzen Buyer Personas die klassischen Zielgruppen, und der Fokus vom reinen Verkaufen verschiebt sich immer mehr in Richtung Beziehungsmanagement. Doch Gegenbewegungen postulieren allerdings, dass die Konzentration auf Einmalgeschäfte lukrativer sei als der mühsame und kostenintensive Beziehungsaufbau. Auch wenn es in bestimmten Bereichen, etwa für Lebensversicherungen et cetera, dafür gewisse Ansatzpunkte gibt, kann über die grundsätzliche Aussage trefflich gestritten werden. Denn während der Push-Verkauf und das klassische Hardselling, also der klare und uneingeschränkte Fokus darauf, den Kunden zum Vertragsabschluss zu drängen, nicht mehr oder nur noch sehr begrenzt en vogue sind, haben sich für den Verkauf viele Ausprägungsformen herausgebildet.

Das vom US-amerikanischen Marketing- und Vertriebsstrategen David Meerman Scott definierte Buyer-Persona-Konzept hilft dabei, seine Wunschkunden präzise zu definieren und bildet regelmäßig den ersten Schritt im Lead Management2) . So kennt sicherlich jeder Vertriebsmitarbeiter die Situation, dass die Geschäftsleitung fordert: "Wir brauchen mehr Umsatz" und adressiert an den Vertrieb "Ihr müsst die Anzahl eurer Neuabschlüsse um 30 Prozent und die Anzahl der Neukunden um 25 Prozent erhöhen". Der Vertrieb wiederum fordert vom Marketing "Wir benötigen mehr Leads". Und genau dabei entsteht das Problem: Wie soll denn nun ein solcher Lead genau aussehen?

Während früher Zielgruppen in aller Munde waren, sind es heute die Buyer Personas. Eine Zielgruppe ist ein recht grobes Raster, das dabei hilft, eine grundsätzliche Ordnung in die Vielfalt an möglichen Käufern zu bringen. So kann beispielsweise nach Business-to-Business (B2B) und Business-to-Consumer (B2C), Branchen, Unternehmensgrößen oder Regionen unterschieden werden. Das Konzept der Buyer Persona hingegen ist deutlich individueller und feingliedriger. Es beschäftigt sich mit dem typischen Käufer als Individuum, mit seinen Bedürfnissen, Eigenarten und dem Grund, warum er ein Produkt oder einen Service überhaupt erwerben möchte.

Um einen ganzheitlichen Blick auf die unterschiedlichen Buyer Personas zu erhalten, hat sich bewährt, eine Mischung aus "jungen Wilden" und "alten Hasen" aus den Bereichen Vertrieb und Marketing zu finden. Bei der Erstellung von Buyer Personas sollten allerdings klare Fragen und Dimensionen, wie beispielsweise in Abbildung 1 dargestellt, berücksichtigt werden. Bei spontanen Bauchentscheidungen entsteht sonst schnell die Gefahr, dass man in Klischees abdriftet.

Emotionaler Verkauf

Kunden kaufen keine Produkte. Kunden möchten vielmehr ihre Bedürfnisse befriedigt, ein gutes Gefühl, Probleme gelöst und Wünsche erfüllt bekommen. Diese gestiegene Bedeutung des emotionalen Verkaufens stellt einen Paradigmenwechsel im Vertrieb dar. Denn jahrzehntelang war es gang und gäbe, dass lediglich anhand des Produktnutzens oder der Serviceeigenschaften verkauft wurde. Der Kunde mit all seinen unterschiedlichen Sorgen, Nöten und Erwartungen wurde nicht in den Mittelpunkt gestellt. Dabei zeigen neurowissenschaftliche Untersuchungen, dass etwa 70 bis 90 Prozent aller Kaufentscheidungen unterbewusst und auf emotionaler Basis getroffen werden.

ie meisten Emotionen wie beispielsweise Freude, Angst, Begeisterung, Stolz, Neid et cetera laufen unterbewusst ab und sind deshalb besonders schwer zu steuern. Je häufiger solche Impulse ausgelöst werden, umso eher wird daraus ein generelles, tiefgründiges Gefühl.

Als Weiterentwicklung des emotionalen Verkaufens wurde der limbische Vertrieb ausgerufen, bei dem gezielt Erkenntnisse aus der Hirnforschung und dem Neuromarketing auf den Vertriebsprozess übertragen werden. Im Neuromarketing ist es wichtig, dass immer die Kundenperspektive eingenommen wird und nicht die Verkaufsperspektive. In den Vordergrund rückt das Verkaufserlebnis des Kunden. Beim limbischen Verkauf geht es nicht primär um den Verhandlungsprozess, sondern vielmehr um den Kunden und dass dieser überzeugt ist, dass es sich bei dem Produkt beziehungsweise der Dienstleistung um eine gute Wahl handelt, die "preiswert", das heißt, ihren Preis tatsächlich wert ist.

Digitalisierung im Vertrieb

Neben "Big Data" sind aktuell die Buzzwörter "Digital Business" und "Digitale Transformation" in aller Munde, wenn es um die Digitalisierung des Geschäftsmodells von Finanzdienstleistern geht. Denn durch die Digitalisierung können zum einen nach innen effizientere Prozesse gestaltet werden und zum anderen nach außen neue Geschäftsmodelle aufgebaut werden. Speziell die Digitalisierung der Kontaktpunkte, der sogenannten Touchpoints, zum Kunden nimmt eine zentrale Rolle ein, da die meisten Kunden ohnehin bereits digital agieren.

Aufgrund der Digitalisierung kommt es im Vertrieb zu einschneidenden Änderungen. So sind die Kunden häufig sehr gut informiert. Deshalb ist es nicht mehr zuvorderst Aufgabe des Außendienstmitarbeiters, ihnen Neues und die besonderen Merkmale des Produkts oder Services zu erklären. Denn häufig hat sich der Kunde über das Internet bereits vorab intensiv informiert und dabei Anbieter, Angebote und Preise verglichen. Themen wie Lead Management und die Abstimmung von Inbound3) - und Outbound4) -Marketing werden damit zu entscheidenden Wettbewerbsvorteilen.

Deshalb kann der Vertriebsmitarbeiter für den Kunden immer erst dann einen wirklichen Mehrwert bieten, wenn er sich als lösungsorientierter Berater für die kundenspezifischen Probleme etabliert. Um eine solche Beratungsfunktion auch kompetent ausüben zu können, bedarf es auf Unternehmensseite einer gezielten Führung. Sie muss die Vertriebsmitarbeiter befähigen, eigenständig, flexibel und am Kunden orientiert zu agieren. Neben gezielten Schulungsmaßnahmen zum Aufbau von Kernfähigkeiten helfen auch technische Hilfsmittel wie Smartphones, mobile Customer-Relationship-Management- (CRM) und Datenanalysen.

Fintechs oder auch Insurtechs5) zeichnen düstere Zukunftsprognosen für die etablierten, klassischen Geschäftsmodelle. Dies mag in einigen Bereichen sicherlich zutreffen, denn es wurde oftmals schlichtweg versäumt, frühzeitig die Weichen in Richtung Digitalisierung zu stellen. Auf der anderen Seite sollten die Unternehmen allerdings nicht vergessen, auch zukünftig ganz konsequent ihren eigenen Weg zu gehen. Die erfolgreichen Unternehmen wie Google, Amazon, Apple oder Ebay kopieren zu wollen, wäre fatal.

Persönlichkeit der Verkäufer

Trotz aller Prozesse und Schnittstellen im Vertrieb, die laufend mit Softwarelösungen versucht werden zu optimieren, kommt der Verkäuferpersönlichkeit eine zentrale Rolle zu. Denn es reicht eben nicht nur, aus den zahlreichen Kundendaten bestimmte Kunden-, Trend- und Bedürfnisprofile zu erstellen, um passgenaue Angebote zu entwickeln. Vielmehr ist zumeist die größte Herausforderung in der Vertriebssteuerung, die einzelnen Außendienst- beziehungsweise Vertriebsmitarbeiter in die Strategie einzubinden und dafür zu sorgen, dass die Strategie tagtäglich gelebt wird.

Weiterhin gilt es, eine ausgewogene Balance zwischen sogenannten Huntern (Jägern) und Farmern in der Vertriebsmannschaft zu finden. Während die Hunter ihre Stärken in der Neukundenakquisition haben, sind die Farmer in der Kundenbetreuung und -bindung stärker. Es gibt dabei keine Idealmischung. Vielmehr sollte, ausgehend vom Geschäftsmodell und den Kunden, ein optimales Verhältnis ausgelotet werden. Die meisten Finanzdienstleister dürften wohl ein leichtes Übergewicht an Huntern ermitteln, da die Neukundenakquisition im Verdrängungswettbewerb häufig ein zusätzliches Wachstumspotenzial schafft. Erst durch genügend Hunter ist es möglich, sowohl beim Umsatz als auch beim Marktanteil stetige Zugewinne zu verzeichnen.

Kundenorientierung und Social Media

Der Schlüssel zu diesen vielschichtigen Herausforderungen liegt immer mehr in einer ganzheitlichen Vertriebs- und Kundenorientierung des Unternehmens. Nur wer die Bedürfnisse der Kunden und nicht (nur) die Margen in den Mittelpunkt des Handelns stellt, wird langfristig erfolgreich sein. Die einzelnen Abteilungen, insbesondere Marketing, Vertrieb und Verkauf verschmelzen immer stärker miteinander. Dem Marketingbereich kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Er ist immer häufiger für die globale Kundenstrategie verantwortlich und damit weit mehr als die oft belächelte "Buntstiftabteilung". Denn für den Kunden zählt abschließend nur die ihm entgegengebrachte Leistung über den kompletten Kundenlebenszyklus hinweg - unabhängig davon, ob er nun Interessent, Neukunde, Stammkunde oder auch Nullkunde ist.

Über die Bedeutung von Social Media für den Vertriebserfolg wurde bereits sehr viel geschrieben. Heutzutage ist es fast schon normal, dass ein im Rahmen einer Kaltakquise kontaktierter Kunde noch während des Telefonats, spätestens aber vor einem konkreten Besuchstermin, den Internetauftritt des Anrufers überprüft. Social-Media-Marketing ist weit mehr als nur ein kurzfristiger Modetrend. Dies belegen die Erfolge von zahlreichen größeren Unternehmen, insbesondere aus dem Konsumbereich. Gerade für jüngere Generationen ist es selbstverständlich geworden, sich mit Freunden und Bekannten in Netzwerken wie Facebook, Google+, Myspace oder Xing und Linkedin auszutauschen. Ebenso selbstverständlich erscheint es, Inhalte über Youtube, Twitter, Instagram, Flickr et cetera zu teilen. Mit der jüngeren Generation wird damit auch die Anzahl an Entscheidern und Führungskräften zunehmen, die Social Media wie selbstverständlich nutzen. Abbildung 2, Seite 268, zeigt einige interessante Fakten zu den Social Media.

Persönlicher Kontakt bleibt weiterhin zentral

Die Finanzdienstleistungsbranche im Allgemeinen und die Leasing-Branche im Speziellen bewegen sich in einem höchst anspruchsvollen Marktumfeld mit hohen regulatorischen und geldpolitischen Herausforderungen sowie einem intensiven Verdrängungswettbewerb. Um unter diesen Bedingungen erfolgreich zu sein, gilt es nicht nur einseitig Kosten zu optimieren, sondern insbesondere die Kunden- und Vertriebsorientierung zu erhöhen. Denn nur wenn man sehr nah am Kunden ist, kann man sich dem Margendruck etwas entziehen.

Beim Thema Digitalisierung sollte mit Augenmaß - dafür aber sehr konsequent vorgegangen werden. Denn einerseits erhöht sich natürlich die Gefahr für den Eintritt neuer Wettbewerber beziehungsweise auch umgekehrt: Institute, die nicht digital oder online sind, riskieren, sehr schnell von der Bild fläche zu verschwinden. Auf der anderen Seite bedeutet Digitalisierung dementsprechend nicht, dass jeder "technische Schnickschnack" wirklich nötig und vom Kunden gewünscht ist. Es gilt also, den richtigen Mix zwischen persönlichem Kontakt und vollautomatischer Abwicklung in Echtzeit zu finden. Das auf Vertrauen ausgelegte Finanzgeschäft wird nicht ohne jeglichen persönlichen Kontakt ablaufen. Die große Kunst wird es sein, Standardanforderungen zu automatisieren und dem Kunden durch den persönlichen Kontakt einen konkreten Mehrwert zu bieten, etwa indem sehr genau die Bedürfnisse ermittelt und passgenaue und flexible Lösungen angeboten werden.

1) Vgl. dazu ausführlich: Glaser, Christian (2017): Wettbewerbsfaktor Vertrieb bei Finanzdienstleistern - Ein ganzheitliches Konzept zur Sales Excellence (2. Auflage), Springer Gabler Verlag.

2) Leads (engl.): qualifizierte Kontakte. Unter dem Begriff Lead Management wird die Generierung und Qualifizierung von Interessenten verstanden.

3) Inbound-Marketing (engl. inbound = ankommend) ist eine Marketingstrategie mit dem Ziel, mittels mehrwertstiftenden Inhalten werbliche Kontakte zu potenziellen Kunden zu generieren.

4) Outbound-Marketing (engl. outbound = abgehend) bezieht sich auf die Distribution von rein werblichen Botschaften (über zumeist klassische Kanäle wie TV, Radio oder Print) an ein breites Publikum, um potenzielle Kunden zu erreichen.

5) Der Begriff setzt sich als Kurzform aus den Wörtern "Insurance" (Versicherung) und "Technologie" zusammen und umfasst Startups, deren Geschäftsmodelle auf moderner Versicherungstechnologie basieren.

6) Bitkom (2011): Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom): Studie soziale Netzwerke vom 29. August 2011, Berlin. www.bitkom.org. Zugegriffen: 5. Juli 2017.

7) comScore (2011) Socialmedia account for one out of every six minutes spent online in US. In: Marshall S (2011) Editors' pick, Social Media and blogging, Traffic vom 16. Juni 2011. http://blogs.journalism.co.uk. Zugegriffen: 5. Juli 2017.

8) Kaplan D. (2010): Oxygen: Women Are Addicted To Facebook, But Unsure Where To Draw The Lines vom 6. Juli 2010, Studie von Oxygen Media und Lightspeed Research. http://paidcontent.org. Zugegriffen: 5. Juli 2017.

9) Statista (2015): Durchschnittlicher Upload von Videomaterial bei YouTube pro Minute in ausgewählten Monaten von Mai 2008 bis Juli 2015 (in Stunden). http://de.statista.com. Zugegriffen: 5. Juli 2017.

DER AUTOR: Christian Glaser, Heilbronn,verantwortet bei der Würth Leasing GmbH & Co. KG die Bereiche Vertriebscontrolling und Risikomanagement. Er ist Lehrbeauftragter für das Thema Risikomanagement an mehreren Hochschulen.E-Mail: christian.glaser[at]wuerth[dot]com
Dr. Christian Glaser , Geschäftsführer , Kazenmaier Leasing GmbH, Karlsruhe

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