Videoidentifizierung für Factoring-Unternehmen

BaFin hebt vorübergehende Unsicherheit auf

Dr. Julia Lehmann-Björnekärr Quelle: Deutscher Factoring-Verband

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat mit ihrem Rundschreiben vom 10. Juni 2016 die Identifizierung mittels Videotechnik den aktuellen Erfordernissen angepasst und die Sicherheitsstandards erhöht. Zugleich hat sie bei den Finanzdienstleistungsinstituten vorübergehend für Verunsicherung gesorgt, die nun aufgrund der Lobbyarbeit sowohl des Deutschen Factoring-Verbands als auch des Bundesverbands Deutscher Leasing-Unternehmen mit Rundschreiben vom 10. April 2017 beseitigt wurde. (Red.)

Dem BaFin-Rundschreiben 04/2016 (GW) vom 10. Juni 20161) vorausgegangen war, dass der Baseler Bankenausschuss im Februar 2016 eine Überarbeitung seiner Leitlinien zur Kontoeröffnung und Kundenidentifizierung vorgenommen hatte. Dies nahm die BaFin zum Anlass, den geldwäscherechtlichen Sicherheitsmaßstab für die nach dem Geldwäschegesetz (GwG) zulässigen Identifizierungen anzuheben.

Gemäß § 4 Absatz 1 GwG haben Verpflichtete2) wie Kreditinstitute oder Finanzdienstleistungsinstitute "Vertragspartner und soweit vorhanden wirtschaftlich Berechtigte bereits vor Begründung der Geschäftsbeziehung oder Durchführung der Transaktion zu identifizieren". Sofern "erhöhte Risiken bezüglich der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung bestehen, haben Verpflichtete zusätzliche, dem erhöhten Risiko angemessene verstärkte Sorgfaltspflichten zu erfüllen".3)

Von einem erhöhten Risiko ist speziell dann auszugehen, wenn der Vertragspartner "eine natürliche Person und zur Feststellung der Identität nicht persönlich anwesend" ist4) . In ihrem früheren Rundschreiben 1/2014 (GW), Ziffer III5) hatte die BaFin zur Auslegung des § 6 Absatz 2 Nr. 2 GwG ausgeführt, dass unter bestimmten Voraussetzungen und Umständen auch dann von einer "persönlichen Anwesenheit" ausgegangen werden kann, wenn es sich um eine Identitätsprüfung per Videoübertragung mit gleichzeitiger sprachlicher Kontaktaufnahme handelt.

Verfahren nur für Kreditinstitute

Mit dem aktuelleren Rundschreiben 04/2016 (GW) bestimmen sich die Anforderungen an die Nutzung von Videoidentifizierungsverfahren bei der Kontoeröffnung ab diesem Zeitpunkt zunächst einzig nach dessen Wortlaut. Nach der Neuregelung sah es so aus, als ob dieses Verfahren aufgrund der notwendigen Anpassungen nur noch durch Kreditinstitute (KI) im Sinne des § 1 Absatz 1 Kreditwesengesetz (KWG) genutzt werden könne. Dies sorgte bei den Finanzdienstleistungsinstituten - so auch den Factoring-Unternehmen - vorübergehend für Verunsicherung. Denn damit verbunden wäre eine massive Benachteiligung aller Factoring-Unternehmen ohne KI-Status, die hinsichtlich ihrer Zahl am deutschen Markt vorherrschen.

Die Zulassungen aller Factoring-Unternehmen in Deutschland nach KWG sind materiell von den (strengen) Anforderungen nach dem Geldwäschegesetz zu trennen: Die Anforderungen nach dem Geldwäschegesetz gelten für alle Factoring-Unternehmen in gleicher Weise und ohne Abstufungen, egal ob diese als Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut tätig sind. Lediglich im Rahmen des KWG bestehen Abstufungen gemäß §§ 2 Absatz 7a, 10, 11 KWG für Eigenkapitalanforderungen sowie die Solvenz- und Liquiditätsaufsicht. Diesen Sachverhalt hat unter anderem der Deutsche Factoring-Verband e. V. gegenüber der BaFin und dem Bundesministerium für Finanzen verdeutlicht.

Schließlich setzte die BaFin ihr Rundschreiben mit Verlautbarung vom 11. Juli 2016 temporär bis zum 31. Dezember 2016 aus.6) Am 19. Oktober 2016 teilte die BaFin sodann mit, dass sie derzeit an der konkreten Ausgestaltung von adäquaten und praxistauglichen Sicherheitsanforderungen an das Videoidentifizierungsverfahren arbeitet.7)

Verpflichtete nach Geldwäschegesetz

Die BaFin hat nunmehr am 10. April 2017 ein neues Rundschreiben8) zu den Anforderungen an die Nutzung von Videoidentifizierungsverfahren veröffentlicht, welche seit 15. Juni 2017 gelten.9) Durch das Rundschreiben werden die Ausführungen unter Ziffer III des Rundschreibens 1/2014 (GW) vom 5. März 2014 ersetzt, das dort eingeführte Videoidentifizierungsverfahren an die aktuellen Erfordernisse angepasst und das bestehende Sicherheitsniveau zur Verhinderung von Straftaten erhöht.

Demnach kann das Videoidentifizierungsverfahren nunmehr durch alle Verpflichteten nach dem Geldwäschegesetz - Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute gemäß § 2 Absatz 1 Nr. 1 und 2 GwG -, die unter der Aufsicht der BaFin stehen, angewendet werden. Dies gilt somit ebenfalls für Factoring-Unternehmen gemäß § 2 Absatz 1 Nr. 2 GwG in Verbindung mit § 1 Absatz 1a Nr. 9 KWG. Die Neuregelung stellt somit einen wichtigen Erfolg für die Factoring-Branche dar.

1) Vgl. BaFin-Rundschreiben 04/2016 (GW) "Anforderungen an die Nutzung von Videoidentifizierungsverfahren bei der Kontoeröffnung", abrufbar unter: www.bafin.de, Stand: 4.5.2017.

2) Verpflichtete i. S. v. § 2 Abs. 1 GwG (u. a. Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute i.S.v. § 1 Abs. 1 bzw. Abs. 1a KWG).

3) Vgl. § 6 Abs. 1 S. 1 GwG.

4) Vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 2 GwG.

5) Vgl. BaFin-Rundschreiben 1/2014 (GW) "Verdachtsmeldung nach §§ 11, 14 GwG und anderes" vom 5.3.2014, abrufbar unter: www.bafin.de, Stand: 4.5.2017.

6) Vgl. BaFin-Schreiben "Videoidentifizierungsverfahren (Rundschreiben 04/2016): Übergangsfrist" vom 11.7.2016, abrufbar unter: www.bafin.de, Stand: 4.5.2017

7) Vgl. BaFin-Schreiben "Aktualisierte Information zur Übergangsfrist für das neue Videoidentifizierungsverfahren" vom 19.10.2016, abrufbar unter: www.bafin.de, Stand: 4.5.2017

8) Vgl. BaFin-Rundschreiben 3/2017 (GW) "Videoidentifizierungsverfahren" vom 10.4.2017, abrufbar unter: www.bafin.de, Stand: 4.5.2017

9) Ebenda.

DIE AUTORIN:

Dr. Julia Lehmann-Björnekärr, Berlin,ist Volljuristin und seit Februar 2016 als Syndikusrechtsanwältin/Dezernentin Recht im Deutschen Factoring-Verband e. V. tätig.E-Mail: lehmann[at]factoring[dot]de

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