Autobanken vor neuen Herausforderungen

Frank Stenner

In der ersten Hälfte dieses Jahres konnten die Banken der Automobilhersteller im deutschen Markt ihren Wachstumskurs fortsetzen und den Bestand an Leasing- und Finanzierungsverträgen auf über 97 Milliarden Euro ausbauen. Die Zahlen stimmen. Aber ist das Geschäftsmodell auch zukunftsfest? Folgt man Überlegungen von Havard-Professor Clayton Christensen, so scheitern führende Unternehmen gerade deshalb, weil sie eigentlich alles richtig machen. Die Konzentration auf die klassischen Erfolgsfaktoren wie Kunden-, Ertrags- und Wachstumsorientierung verstellt den Blick für neue Wege zur Lösung der Kundenbedürfnisse.

Wenn solche Innovationen die akzeptierten Regeln einer Branche brechen, Christensen bezeichnet sie als disruptiv, dann sind die Geschäftsmodelle der etablierten Player in Gefahr.

Aktuelle Beispiele in der Automobilbranche sind "Connected Car" und "Autonomes Fahren". Disruptive Innovationen sind auch im Bankgeschäft zu beobachten. Die Dienstleistungen der Fintechs, wie "Klarna", einem Anbieter von Zahlungslösungen für Onlineshop-Betreiber, oder "Lending Club", eine Online-Plattform, die Investoren und Kreditnehmer ohne Einschaltung eines Kreditinstitutes zusammenführt, sind für viele Kunden attraktiv. Neue Wettbewerber positionieren sich: Google und Paypal besitzen eine europäische Banklizenz, und Apple hat ein mobiles Bezahlsystem entwickelt. Basiert das Geschäftsmodell der Autobanken bisher auf einer engen Kooperation mit den Autohäusern vor Ort und mit einer entsprechenden Ausrichtung der Geschäftsprozesse, so sind es die Kunden aus anderen Einkaufserlebnissen gewohnt, einfach und unkompliziert ihre Wünsche zu erfüllen. Sie wollen den Kauf ihres Fahrzeuges und weitergehender Mobilitätsangebote, Finanzierung, Leasing und Versicherungen für ihr Wunschfahrzeug schnell, bequem und transparent disponieren. Viele Kunden finden es angenehmer im Internet zu surfen als mit dem ohnehin schwer erreichbaren Verkaufsberater im Autohaus Kontakt aufzunehmen. Damit wird die Verknüpfung aller kundenbezogenen Prozesse zum Dreh- und Angelpunkt des Geschäftsmodells.

Die Kundenerwartungen an Durchgängigkeit und bruchfreie Verknüpfung der Online-Prozesse mit der Offline-Welt im Autohaus stellen die Autobanken vor große technologische Herausforderungen. Dass eine solche Investition nicht nur lohnt, sondern unumgänglich ist, zeigt ein Blick in die USA. Hier schieben sich professionelle Vermittlungsportale zwischen den Kunden und das Autohaus einerseits und die Autobank andererseits. Mit Probefahrt, Kauf, Finanzierung und Übergabe des digital ausgewählten Fahrzeugs am Wohnort des Kunden übernehmen sie die Beratungs- und Verkaufshoheit. Bei Autobank und Autohaus verbleibt in diesem Geschäftsmodell nur die Rolle des Erfüllungsgehilfen. Setzten die Autobanken bislang ausschließlich auf die gute Zusammenarbeit mit ihren Partnern am Pointof-Sale, so sind sie jetzt dabei, die digitalen Vertriebskanäle für ihre automobilen Finanzdienstleistungen zu erschließen. Die Innovationskraft der Automobilwirtschaft ist einmal mehr gefordert.

Dr. Frank Stenner, Redaktionsbeirat FLF, Pullach

Prof. Dr. Frank Stenner , Honorarprofessor und Lehrbeauftragter , Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen
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