Die Autobanken sind Trendsetter

Frank Stenner

Kaum zu glauben: die Gründung einer eigenen Bank ist für Unternehmen heute so aktuell wie vor 89 Jahren. Die Idee, mit Finanzierungen den Absatz der eigenen Produkte zu unterstützen und Verkaufspotenziale besser auszuschöpfen, führte im Jahr 1926 zur Gründung der ältesten Autobank in Deutschland durch die Ford Motor Company. Die anderen Autohersteller vollzogen diesen Schritt in jüngerer Zeit, mit dem Ergebnis, dass die Captives im deutschen Markt heute rund zwei Drittel des finanzierten oder geleasten Neuwagenmarktes im eigenen Haus halten. Der Erfolg des Geschäftsmodells "Herstellerbank" fand Nachahmer in anderen Wirtschaftszweigen,

wie etwa Computer (IBM-Bank), Möbel (Ikea-Bank), Textil (C&A-Bank, heute Bank 11), Landmaschinen (John Deere Financial Services) und Technologie (Siemens-Bank).

Prominente Newcomer sind der Maschinenbau (Trumpf-Bank) und die Luft- und Raumfahrt (Airbus-Group-Bank). Den Kunden maßgeschneiderte Finanzierungen anzubieten, ist nicht der alleinige Anlass zu diesem Schritt. Häufig geht es auch um eine Optimierung der internen Zahlungsströme und des Risikomanagements, den direkten Zugang zur Zentralbank und nicht zuletzt um mehr Unabhängigkeit von den langjährigen Hausbanken. Eine Vollbanklizenz erlaubt es, die Finanzmittelbeschaffung um das Einlagengeschäft zu erweitern. Dies hat sich als krisenfester Stabilitätsanker in der Refinanzierung bewährt. Vor über 20 Jahren haben Autobanken das Online-Banking für Spar- und Termingelder erfunden. Heute nutzen fünf Autohersteller diesen Vertriebsweg mit großem Erfolg.

Die Kernkompetenzen der Captives liegen in der Einschätzung der Kundenbonität und der Restwertrisiken. Die Nähe zu den hauseigenen Produkten führt zu innovativen Finanzdienstleistungen, steigert die Kundenloyalität, und die Kundendaten bleiben im Unternehmen. Eine für die Branche hohe Eigenkapitalverzinsung unterstreicht die Profitabilität der Absatzfinanzierung, und die Gewinnbeiträge stabilisieren die Ergebnisschwankungen aus dem Industriegeschäft der Hersteller.

Dank ihrer großen Erfolge konnten sich einige Captives sogar von ihren Herstellern emanzipieren. So haben sich GE Capital und Gazprom-Bank zu großen, breit diversifizierten Instituten entwickelt. Allerdings war es noch nie so kompliziert und teuer, eine neue Bank zu gründen. Die Anforderungen an Eigenkapital, Risikomanagement und Kompetenz des Managements sind heute viel höher als vor der Finanzkrise: Lessons learnt! Mit Blick auf die realwirtschaftliche Ausrichtung und das einfache Geschäft der Captives ist die Notwendigkeit immer komplexerer regulatorischer Vorgaben jedoch für diese Institute in Frage zu stellen. Dass sich zahlreiche Banken auf die Aufarbeitung der Probleme aus der Finanzkrise konzentrieren und ihr Kreditexposure zur Verbesserung der Bilanzratios abbauen, macht das Geschäftsmodell "Herstellerbank" nur noch attraktiver. Viele Hersteller verfügen über ein besseres Rating als manche Bank. Sie haben in ihren Bilanzen genug Platz für neue Aktivitäten. Wann kommt die nächste Herstellerbank?

Dr. Frank Stenner, Redaktionsbeirat FLF, Pullach

Prof. Dr. Frank Stenner , Honorarprofessor und Lehrbeauftragter , Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen
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