Leaseurope - der europäische Leasing-Dachverband

Interview mit dem Vizepräsidenten der Organisation

Dr. Martin Starck ist Sprecher der Geschäftsführung der LBBW Leasing GmbH, Stuttgart, und Vizepräsident der Leaseurope, Brüssel.

Bereits vor mehr als vier Jahrzehnten (1972) wurde der europäische Dachverband ins Leben gerufen. Motiv für die Gründung war seinerzeit der Bedarf einer Interessenvertretung der Leasing- und der Autovermietungsbranche in Brüssel. Die Organisation nennt sich mit einem Claim "the voice of leasing and automotive rental in Europe" und bietet ihren Mitgliedsverbänden beziehungsweise deren Mitglieder eine Plattform zum Gedanken- und Erfahrungsaustausch sowie für Netzwerke.

Herr Dr. Starck, bei Leaseurope denken die meisten unserer Leser vermutlich an die Annual Convention, das jährliche Treffen der europäischen Leasing-Branche, das am 15. und 16. Oktober in Lissabon stattfindet.

Ja, das mag so sein. Die Leaseurope ist aber viel mehr als der Veranstalter eines europäischen Branchentreffens. Da die Rahmenbedingungen für das Leasing-Geschäft in zunehmendem Maße auf europäischer Ebene geregelt werden, ist die Bedeutung des Dachverbandes in den vergangenen Jahren erheblich gewachsen.

Wie viele Verbände sind hier zusammengeschlossen, in welcher Größenordnung hat man sich die Geschäftsstelle in Brüssel vorzustellen?

Mitglieder sind 44 Leasing- und Autovermietungsverbände aus 34 Ländern, das heißt aus den Mitgliedstaaten der EU sowie aus der Schweiz, aus Norwegen, der Türkei, aus Russland, der Ukraine und Serbien. Diese Mitglieder vertreten wiederum rund 2 000 Leasing-Unternehmen und Autovermieter. Das Sekretariat ist vergleichbar mit der Geschäftsstelle des BDL, dem Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen, und besteht aus dem Generalsekretär sowie acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

2000 Leasing-Gesellschaften - welches Neugeschäft steht jährlich hinter dieser Zahl, und wie groß ist der Bestand des Leasing-Vermögens?

Die hier zusammengeschlossenen, über ihre nationalen Verbände vertretenen europäischen Leasing-Unternehmen investieren jährlich rund 250 Milliarden Euro in bewegliche Wirtschaftsgüter und Immobilien. Der Bestand des Leasing-Vermögens dieser Gesellschaften beträgt rund 730 Milliarden Euro. Auf die vertretenen Unternehmen entfällt ein europäischer Marktanteil von über 90 Prozent. Der Anteil am weltweiten Leasing-Volumen liegt bei rund 30 Prozent.

Wie ist es um die Lobby- und PR-Arbeit bestellt?

Zunächst einmal gehören dazu laufende Kontakte zu europäischen und internationalen Institutionen, wie zum Beispiel die EU-Kommission, das Europäische Parlament, die Europäische Zentralbank (EZB), die European Banking Authority (EBA), das International Accounting Standards Board (IASB), die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) und das Financial Stability Board (FSB).

Sehr wichtig sind daneben Marktund Wettbewerbsanalysen. Hier kann ich beispielhaft nennen: die jährliche Übersicht über die Entwicklung des Leasing-Marktes (Annual Survey of the European Leasing Market), das Ranking und der in jedem Quartal veröffentlichte Leaseurope-Index, der neben der Neugeschäftsentwicklung Kennzahlen zur Ertrags- und Kostensituation enthält, außerdem Research-Projekte, welche die Bedeutung des Leasing-Geschäfts für den Mittelstand und die Risikostruktur des Leasing-Geschäfts umfassen, und schließlich die Information der Mitgliedsverbände und deren Mitglieder über die aktuellen Entwicklungen auf europäischer und internationaler Ebene.

Der Erfahrungsaustausch spielt natürlich ebenfalls eine wichtige Rolle. Und da wären wir wieder bei der Annual Convention oder einem anderen Netzwerk dieser Art, den Business Councils, die regelmäßig in Brüssel stattfinden. Themen der Business Councils bilden zum Beispiel neue Produkte am Markt, Risikomanagement und Personalentwicklung.

Wie hat man sich das aktuelle Tagesgeschäft vorzustellen? Mit welchen Themen befasst sich die Organisation zurzeit?

Derzeit befasst sie sich unter anderem mit der Leasing-Bilanzierung nach IFRS und US-GAAP. Die Standardsetzer IASB und FASB bereiten einen neuen Leasing-Standard vor. Der Entwurf beinhaltet, dass künftig die Verpflichtung zur Zahlung von Mieten und Leasing-Raten in der Bilanz des Mieters beziehungsweise Leasing-Nehmers passiviert wird. Auf der Aktivseite sollen Mieter und Leasing-Nehmer ein Nutzungsrecht (Right of Use) bilanzieren. Seit Beginn der Diskussion über dieses Right-of-Use-Konzept werden regelmäßig Gespräche mit IASB, EFRAG und EU-Kommission geführt, um eine für die Kunden unserer Branche praktikable Regelung sicherzustellen.

Dann gibt es zahlreiche Projekte zum Aufsichtsrecht, wie etwa das Projekt der EBA zur Regulierung von NBNIs (Non-Banks/Non-Insurances), das sogenannte "Shadow Banking"-Projekt und viele Entwürfe zu Detailthemen. Außerdem geht es um die Umsetzung der CRR und der CRD IV, die für Leasing-Gesellschaften relevant sind, die in einem Bankkonzern konsolidiert werden. In diesem Zusammenhang sind beispielsweise die Mindestanforderungen an die Liquidität (LCR) und die Unterlegung operativer Risiken mit Eigenkapital (OpRisk-Capital) zu nennen. Zur Geldwäscheprävention werden Stellungnahmen zur geplanten Neuregelung aus Sicht der Leasing-Branche abgegeben. Ein weiteres Thema bildet der Entwurf einer EU-Richtlinie zur Versicherungsvermittlung.

Öffentlichkeitsarbeit gehört selbstverständlich auch dazu; so etwa das Update zur Studie über die Bedeutung des Leasing-Geschäfts für kleine und mittelständische Unternehmen (SME Leasing). Diese belegt, dass Leasing ein wesentliches Instrument der Investitionsfinanzierung für kleine und mittelständische Unternehmen bedeutet. Wenn man außerdem berücksichtigt, dass etwa zwei Drittel der Arbeitsplätze in der EU zu kleinen und mittelständischen Unternehmen gehören, wird die Bedeutung des Leasing-Geschäfts für die Gesamtwirtschaft deutlich.

Daneben entsteht gerade eine Broschüre für Investoren in der Leasing-Branche; Arbeitstitel: "Ten Reasons to Invest in Leasing". Wesentlicher Inhalt sind die Chancen, die ein Investment in der Leasing-Branche Kapitalgebern bietet, die sich als Gesellschafter an einem Leasing-Unternehmen beteiligen oder Kredite zur Refinanzierung des Leasing-Geschäfts zur Verfügung stellen.

Seit der Finanzkrise drängen nicht nur die refinanzierenden Banken, sondern in gleichem Maße die Finanzaufsicht verstärkt auf die Darstellung des Werts von Leasing-Unternehmen durch die Substanzwertrechnung, die ja ein wesentliches Element für die Steuerung einer Leasing-Gesellschaft bedeutet. Befasst man sich in Brüssel auch mit der Bewertung von Leasing-Gesellschaften?

Um die Eckdaten der Bewertung kümmern sich in erster Linie die nationalen Leasing-Verbände, da insoweit die nationalen Bilanzierungsvorschriften Berücksichtigung finden. So hat der BDL ein allgemein anerkanntes Konzept zur Substanzwertrechnung für Leasing-Gesellschaften entwickelt.

Gibt es noch andere Rechtsgebiete außer dem Handelsrecht. Ich denke hier etwa an die zivilrechtlichen Rahmenbedingungen für das Leasing-Geschäft?

Zivilrechtliche Rahmenbedingungen für das Leasing-Geschäft ergeben sich beispielsweise aus dem Verbraucherschutzrecht, welches weitgehend EU-Richtlinien prägen. Das ist ebenso ein Thema wie der bereits erwähnte Richtlinienentwurf zur Versicherungsvermittlung.

Wie sehen die Gremien und Ausschüsse aus, und wie oft wird neu gewählt?

Der Vorstand (Board of Directors) besteht aus zwölf Mitgliedern, die jeweils für zwei Jahre von der General Assembly gewählt werden. In der General Assembly sind alle Mitgliedsverbände vertreten. Neben dem Vorstand gibt es sieben Ausschüsse, die alle wesentlichen Themen des Leasing-Geschäfts abdecken:

Das Accounting & Taxation Committee befasst sich wie der Bilanz- und Steuerausschuss des BDL mit Rechnungswesen und Steuern; zentrales Thema ist zurzeit die geplante Neuregelung der Leasing-Bilanzierung nach IFRS und US-GAAP.

Das Legal Committee, der Rechtsausschuss der Leaseurope, hat zurzeit die geplanten Richtlinien zur Versicherungsvermittlung und zur Geldwäscheprävention auf der Agenda.

Das Prudential Supervision Committee bearbeitet alle aufsichtsrechtlichen Themen. Dazu gehören unter anderem die Umsetzung von CRR und CRD IV sowie Anfragen der EBA im Rahmen des genannten Projekts zur Regulierung von Finanzdienstleistern, die weder Banken noch Versicherungen sind.

Das Statistics and Marketing Committee geht unter anderem Fragen der Marktentwicklung nach und erarbeitet den Leaseurope-Index.

Die Automotive Steering Group mit ihren Unterausschüssen (Car Leasing, Car Rental, Truck Rental) kümmert sich um alle Themen rund um Auto-Leasing und Autovermietung.

Die Real Estate Steering Group befasst sich mit dem Geschäftsfeld Immobilen-Leasing.

Die Working Group CESEE behandelt Themen des Leasing-Geschäfts in Ost- und Südost-Europa.

Wie viele Vertreter deutscher Leasing-Gesellschaften engagieren sich in diesen Ausschüssen?

Zurzeit sind 13 Vertreter deutscher Leasing-Unternehmen in den Gremien aktiv: Vier in der General Assembly, einer im Vorstand und acht Kollegen in den Ausschüssen.

Was bildet die Grundlage für die grenzübergreifende Arbeit mit dem deutschen Leasing-Verband?

Wesentliche Grundlage für die erfolgreiche Arbeit bildet die enge Zusammenarbeit mit den nationalen Verbänden, also hierzulande mit dem BDL. Die Verzahnung der Verbandsarbeit in Brüssel und in Berlin wird unter anderem dadurch sichergestellt, dass im Vorstand sowie in allen Gremien Vertreter der deutschen Leasing-Branche mitarbeiten.

Um die Arbeit der Leaseurope zu ergänzen und die Kontakte zu Entscheidungsträgern der EU, zum Beispiel zu deutschen Mitgliedern des Europäischen Parlaments und zu Mitarbeitern der Europäischen Kommission, zu vertiefen, plant der Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen ein Büro in Brüssel. Der Vertreter des BDL wird eine enge Zusammenarbeit anstreben und so die Präsenz der Leasing-Branche auf europäischer Ebene weiter verstärken.

Herr Dr. Starck, ich danke Ihnen für diese Informationen. Ich hoffe, wir können damit unseren Leserinnen und Lesern eine bessere Vorstellung von der Leaseurope geben.

Das Interview führte Marianne M. Schmidt, Redaktion FLF.

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