Forderungsmanagement

Best Practice NPL - Komplettoutsourcing mit Personalübergang

In den letzten Jahren haben sich viele Banken von Non-Performing Loans, also Problemkrediten, getrennt, um ihre Bilanz zu entlasten, schnell Liquidität zu erhalten oder um ihre internen Workout-Abteilungen zu unterstützen beziehungsweise sogar auszulagern. Der Bankenfachverband beziffert die Summe der an Privatpersonen vergebenen Kredite auf rund 223 Milliarden Euro - ohne Wohnungsbau. Und nicht alle Kredite werden regelmäßig bedient. Im Falle einer Kreditkündigung tragen die Banken die Last der Forderungen.

Zahlungsmoral grundsätzlich hoch

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) stellt in ihrem Jahresbericht 2013 fest, dass die Summe der notleidenden Kredite für das Jahr 2012 um 7,4 Prozent auf 166 Milliarden Euro sank. Auch das Verhältnis von NPLs zum bilanziellen Eigenkapital verbesserte sich von 31,6 Prozent auf 28,5 Prozent. Für die verbesserte Kreditqualität sieht die BaFin die stabil wachsende Wirtschaft in Deutschland mit sinkenden Insolvenzquoten und einer geringen Arbeitslosenquote verantwortlich.

Zwar ist im deutschen Bankensektor Erholung in Sicht, dennoch lohnt sich ein genauer Blick in die eigenen Bücher, um den Nutzen eines Verkaufs an einen spezialisierten Investor und Servicer zu prüfen. Denn ein Drittel von 10 000 befragten Verbrauchern aus 21 Ländern Europas geben an, mit ihrem Geld schwer über die Runden zu kommen, so ein Ergebnis des European Consumer Payment Reports 2013 von Intrum Justitia.

31 Prozent der in Deutschland Befragten sagten, dass das ihnen zur Verfügung stehende Geld kaum ausreiche. Trotzdem wissen im Schnitt 80 Prozent der Deutschen, welche Rechnungen sie monatlich zu erwarten haben. Und die Zahlungsmoral der europäischen Verbraucher lässt auf Kooperationsbereitschaft hoffen: Rund 76 Prozent finden, dass Rechnungen pünktlich gezahlt werden müssen.

Ein professioneller Investor und Servicer kann für den Verbraucher hierbei sogar einen Vorteil darstellen, auch wenn es eigentlich schon zu spät ist. Das liegt an der Strategie des Erwerbers. Forderungen werden regelmäßig weit unter Nominalwert verkauft, was einen größeren Spielraum seitens des Investors zulässt, zum Beispiel beim Schließen eines Vergleichs. So kann schneller eine gemeinsame Lösung gefunden werden. Der Schuldner ist Kunde.

Auch für die Banken ist ein professionelles Forderungsmanagement ein wichtiges Werkzeug für den Erfolg: Vom gesamten Kreditvolumen an Privatpersonen von rund 223 Milliarden Euro vergeben die Regionalbanken mit rund 67 Milliarden Euro 45 Prozent, gefolgt von den Sparkassen mit knapp 25 Prozent (36 Milliarden Euro) und den Genossenschaftsbanken mit etwa 20 Prozent (27 Milliarden Euro). Schlusslicht bilden die Großbanken, die lediglich 4 Prozent oder sechs Milliarden Euro der gesamten Kreditsummen an Private geben.

Spezialisierung bringt Kostenvorteile

Die nötige Spezialisierung, notleidende Forderungen effizient beizutreiben, ist eine der Herausforderungen für die Banken. In einer Studie berechnen Deloitte durchschnittliche Kosten in Höhe von drei bis 13 Cent pro gemahntem Euro. Das ist sehr kostenintensiv.

Werden leistungsgestörte Forderungen verkauft, ist der Prozess für den Gläubiger wesentlich schneller und einfacher. Folgende Vorteile entstehen:

- Das Geld fließt sofort an den Darlehensgeber zurück, was - in Abhängigkeit des verkauften Portfolio-Volumens - teils erhebliche kurzfristige Gewinne und eine verbesserte Eigenkapitalrentabilität bedingt.

- Werden die Forderungen einer Bank direkt nach der Kündigung revolvierend verkauft, sind diese Erlöse für sie plan- und kalkulierbar.

- Verwaltungskosten zulasten des Forderungsverkäufers entfallen.

- Das Ausfallrisiko wird gemindert und die Bilanz unmittelbar entlastet.

- Eigenkapitalrichtlinien gemäß Basel III werden eingehalten.

In diesem Zusammenhang werden die Stresstests und der Asset Quality Review (AQR) der Europäischen Zentralbank an Gewicht gewinnen. In der zweiten Phase des AQR werden 128 Banken bewertet und 58 Prozent der gesamten risikogewichteten Aktiva (RWA). Das entspricht einer Summe von 3,72 Billionen Euro. Dabei werden im Schnitt 1 250 Kreditakten pro Bank geprüft. Das Thema Portfolioverkauf von Non-Performing Loans gerät wieder stärker in den Fokus: Forderungsverkäufe können teilweise oder vollständig mögliche und durchzuführende Wertberichtigungen über Abschreibungsvorgaben hinsichtlich des Ergebnisses kompensieren.

Best Practice Commerzbank

Intrum Justitia übernahm im Herbst 2011 von der Commerzbank das Zentrale Inkassobüro (ZIB) der ehemaligen Dresdner Bank. Damit kauften die Darmstädter Abwicklungsspezialisten ein komplettes Portfolio. Mit dem Kauf der Dresdner Bank seitens der Commerzbank waren zwei funktionierende Inkassoeinheiten verfügbar, sodass der Verkauf des Inkassobüros ein logischer Schritt war.

Bereits in einer früheren Übernahme von etwa 50 Mitarbeitern einer internationalen Bank hatte das Finanzdienstleistungsunternehmen sehr gute Erfahrungen in dieser Branche gesammelt. Neben der Erfahrung sprach auch die europaweite Vernetzung für Intrum Justitia als Forderungsmanagement-Experte der Wahl. Diese Entscheidung bewies sich außerdem als sehr sozial verträglich: 28 von den insgesamt 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Inkassobüros entschieden sich für einen Wechsel, sechs Mitarbeiter wählten Altersinstrumente und weitere sechs wechselten in andere Unternehmensbereiche der Commerzbank.

Nach Vertragsabschluss galt es, die ehemaligen Kolleginnen und Kollegen zügig in ihre neue Umgebung zu integrieren, um ein reibungsloses Tagesgeschäft zu gewährleisten. Zu diesem Zweck begleitete eine Trainerin mit intensiven Systemschulungen und Schulungen im Inkasso-Fachwissen den gesamten Projektverlauf. Das Fachkräfte-Know-how blieb in dieser Einheit erhalten und Intrum Justitia erweiterte seine Kompetenz im Bankenbereich.

Initial für die Teilnahme an dem Bieterverfahren war die Idee, eine spezialisierte Forderungsmanagement-Einheit von Bankern für Banken zu gründen. Ergo wurde die Intrum Justitia Bankenservices GmbH gegründet, die sich als wichtiger Outsourcing-Partner für Banken in Deutschland positionieren konnte.

Das zu übernehmende Portfolio war erst kurz zuvor in die neue IT-Umgebung der Commerzbank migriert. Nun mussten die Daten in das System von Intrum Justitia verwertbar überspielt werden. Dies sollte so erfolgen, dass der Informationsstand seit der letzten Migration sechs Monate zuvor bestehen blieb. Das ganze sollte innerhalb eines Wochenendes realisiert werden und für die Mitarbeiter nicht "spürbar" sein. Allerdings stellte sich im Zuge der zweiten Migration heraus, dass sich das Übergabeformat für die Daten komplett verändert hatte. Kurzfristig mussten die Entwickler beider Vertragspartner offene Fragen klären, um das Datenmodell des bei der Commerzbank neu eingeführten Systems zu begreifen, abzubilden und den Import daran anzupassen. Trotz des enormen Arbeitsaufwandes und des extrem engen Zeitrahmens verlief die Migration fristgerecht.

Technische Hürden

Laut European Payment Index 2014 befindet sich der Gesamtbetrag der Forderungsverluste mit 360 Milliarden Euro auf Rekordniveau. Positive Konjunktur- und Arbeitsmarktentwicklungen sowie die gute Einkommensentwicklung schlagen sich positiv in der Stimmung deutscher Verbraucher nieder, sodass die Nachfrage nach Ratenkrediten hoch bleiben wird. Mit diesem Hintergrundwissen ist davon auszugehen, dass auch die Zahl der Non-Performing Loans steigen wird.

Schon heute kommen ein Drittel der Verbraucher nicht richtig mit ihrem Geld aus, so ein Ergebnis des European Consumer Payment Reports 2013. Erhöhen sich beispielsweise die Zinsen oder ändern sich andere Rahmenbedingungen zu Ungunsten der Verbraucher, kann es schnell (noch) eng(er) werden im Portemonnaie. Diese Entwicklungen müssen auch die Strategien der Banken im Forderungsmanagement und im Forderungsverkauf abbilden.

Jürgen Sonder , Präsident, Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e.V., Berlin
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