Märkte und Perspektiven

Demographie und Immobilien ein vernachlässigtes Verhältnis?

Die großen wirtschaftlichen und sozialen Systeme, mit deren Konzeption die Bundesrepublik Deutschland aufgebaut wurde, entwickeln sich zurzeit unbefriedigend. In fast allen gesellschaftlichen Bereichen haben wir uns auf Reformen einzustellen. Ein Aspekt wird jedoch in der Öffentlichkeit noch nicht mit der gleichen Intensität diskutiert wie das Gesundheitswesen, die Rentenversicherung, die Arbeitslosenzahlen oder die Staatsverschuldung: Es sind die Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf den Wohnungs- und Immobilienmarkt.

Gerade dieser Markt ist wie kaum ein anderer durch langfristige Nutzungen und Finanzierungen bestimmt. Den getätigten Investitionen lagen häufig Entscheidungen zugrunde, bei denen die eingetretenen demographischen Veränderungen noch nicht berücksichtigt werden konnten. Sollen die Bestände im Wohnungs- und Gewerbebau weiter unterhalten, finanziert und bewirtschaftet werden, dann gilt es zumindest einen Zeithorizont von 20 Jahren ins Auge zu fassen und die Frage zu diskutieren, wie sich die ungebremste demographische Entwicklung auf diesen Teil der Volkwirtschaft auswirken wird.

Demographische Entwicklung und gesellschaftliche Folgen

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Raumordnungsprognose 2020 des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordung. Hierbei wird davon ausgegangen, dass die Geburtenrate auch weiterhin stagniert und der medizinische Fortschritt die Alterung der Gesellschaft weiter begünstigt. Bei einer Einschätzung und Prognose der Situation ist also bezüglich der Rahmenbedingungen von einer Fortschreibung des Status quo auszugehen.

Wachsende und schrumpfende Bevölkerungszahlen werden sich in den nächsten 20 Jahren nebeneinander vollziehen. Vor allem in den neuen Bundesländern wird auch weiterhin eine Abwanderung stattfinden. In Größenordnungen zwischen minus drei bis minus 15 Prozent wird sich diese Entwicklung auch in Gebieten Nordhessens, dem südöstlichen Niedersachsen bis hinein in das Ruhrgebiet, ebenso auch in Teilen Nordbayerns vollziehen. Gleichbleibende und wachsende Bevölkerungsdichten mit Steigerungsraten von plus drei bis plus zehn Prozent sind hingegen in den alten Bundesländern zu erwarten. Größere Städte in den neuen Bundesländern sind von der Abwanderung ebenfalls ausgenommen: In Berlin, Leipzig, Dresden, Halle, Rostock ist sogar mit einer Zunahme zu rechnen.

Insgesamt ist die Umverteilung das Ergebnis eines Wanderungsprozesses von wirtschaftlich unattraktiven in florierende Gebiete Deutschlands, wobei die wirtschaftlich stärkeren Länder Bayern und Baden-Württemberg von dieser Entwicklung besonders profitieren werden. Die demographische Entwicklung vollzieht sich fast deckungsgleich mit der Verschiebung der Bevölkerungsdichte: In den Gebieten, die von der Abwanderung betroffen sind, wird es zu einer starken Abnahme der schulpflichtigen Kinder und einer Zunahme älterer Menschen kommen. Diese Entwicklung wird sich natürlich auch negativ auf die Wirtschaftskraft dieser Gebiete auswirken. Die in den Ballungsräumen freigewordenen Wohnungskapazitäten werden zudem zu einer veränderten Mieterstruktur führen.

Auch die Zunahme der Erwerbslosigkeit ist nicht unwesentlich für die Entwicklung des Wohnungsmarktes. Während in Berlin und Umland bis 2020 kaum Änderungen zu erwarten sind, wird in den neuen Bundesländern die Zahl der Erwerbstätigen um zirka sechs Prozent sinken. Dies gilt auch für Nordhessen, Südost-Niedersachsen sowie für Teile Nordbayerns und des Ruhrgebietes. Zunahmen der Erwerbstätigkeit von drei bis zehn Prozent werden in Baden-Württemberg und Bayern erwartet. Eine positive Wende in Bezug auf die Arbeitslosenzahlen wird erst für die Zeit nach dem Jahr 2020 erwartet.

Auswirkungen auf den Immobilienmarkt

Folge der demographischen Entwicklung ist auch die Erhöhung der Zahl privater Haushalte bei gleichzeitiger Reduzierung der Familiengröße. So werden in Berlin die Ein- bis Zwei-Personen-Haushalte bis 2020 um etwa zehn Prozent zunehmen, in Brandenburg sogar um zirka 15 Prozent und in den übrigen Bundesländern immerhin noch um sieben Prozent. Gleichzeitig wird es in Berlin rund 20 Prozent weniger Familienhaushalte geben, in den übrigen neuen Bundesländern 20 bis 25 Prozent, in den alten Bundesländern zehn Prozent und auch in Bayern immerhin noch zirka fünf Prozent weniger.

Aber der demographische Wandel hat schon jetzt den Wohnungsmarkt erfasst. Gemeinden und ganze Regionen sind von den Folgen sinkender Bevölkerungszahlen betroffen: Immer weniger Menschen teilen sich den vorhandenen Wohnraum. Im Zuge dessen werden die Wohnungen immer größer, wodurch ein Teil des Überhanges an Wohnflächenangebot kompensiert wird. Zusätzlich wird die Tendenz zu großen Wohnungen durch die zunehmende Anzahl an Ein-Personen-Haushalten unterstützt. Eine Entwicklung, die sich bis 2020 weiter fortsetzen wird: Die Wohnfläche pro Kopf wird sich in den neuen Bundesländern von 34 Quadratmeter auf 38 Quadratmeter erhöhen, in den alten Bundesländern sogar von 37 Quadratmeter auf 40 Quadratmeter.

Logische Konsequenz des geringeren Bedarfs an Wohnraum ist die Reduzierung des Neubauvolumens in Deutschland: Wurde der Bedarf in der Vergangenheit auf 300 000 Einheiten pro Jahr geschätzt, so gehen die neueren statistischen Betrachtungen für den Zeitraum von 2002 bis 2020 nur noch von 225 000 Einheiten pro Jahr aus. Das bedeutet eine Reduzierung des Bedarfs für den oben genannten Zeitraum um insgesamt 1, 35 Millionen Einheiten bis zum Jahr 2020.

Geht man dabei von einem linearen Abbau des Bedarfs aufgrund der demographischen Entwicklung aus, so werden im Jahr 2020 nur noch 150 000 neue Wohneinheiten benötigt, also gerade mal die Hälfte des ursprünglich geschätzten Bedarfs. Entwickelt sich die Demographie weiter in Richtung Veralterung der Gesellschaft, dann ist anzunehmen, dass auch der Immobilienmarkt in bestimmten Gebieten nach dem Jahr 2020 weiter in eine Spirale der Reduzierung gerät.

Gerade im überwiegenden Teil der neuen Bundesländer wird die Bautätigkeit für neuen Wohnraum daher zum Erliegen kommen - ein nicht zu unterschätzender wirtschaftlicher Faktor. Noch im Jahr 2000 entsprach die Neubauquote etwa 30 Einheiten pro 10 000 Einwohner - bis zum Jahr 2020 ist nur noch von fünf bis zehn Einheiten auszugehen. Zieht man nun die beschriebenen Aspekte der demographischen Entwicklung und der Bevölkerungswanderungen hinzu, so kommt man zu einer erschreckenden Prognose:

In einem Drittel der Bundesrepublik wird überhaupt nicht mehr gebaut werden, in einem weiteren Drittel, überwiegend nördlich der Mainlinie, werden gerade mal sieben Einheiten pro 10 000 Einwohner neu errichtet. Nur in den wirtschaftsstarken Regionen wie Baden- Württemberg und in Bayern kann von 15 bis 20 Einheiten pro Jahr ausgegangen werden.

Mehr politische Aufmerksamkeit nötig

Über das damit einhergehende Leerstandsrisiko für den Wohnraum gibt es noch keine einheitliche Expertenmeinung. Geht man aber davon aus, dass im Ballungsraum Berlin bereits jetzt Leerstandsquoten von sechs Prozent erreicht sind, ist bis 2020 durchaus mit einer Verdopplung bis Verdreifachung zu rechnen. Neben der Reduzierung kann und wird der Markt auf eine solche Situation zusätzlich mit dem Rückbau der Kapazitäten antworten. Schon heute sind Abrisse geplant und eingeleitet.

Den dramatischen Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf den Immobilien- und Wohnungsmarkt wird seitens der Politik nicht genügend Aufmerksamkeit entgegengebracht. Die Folgen der verfehlten politischen Ansätze auf Stadtentwicklung und Raumordnung sind massiv: Bestimmte Gebiete werden von Leerstand betroffen sein, während Immobilien in wirtschaftlich starken Regionen durchaus lohnend werden können.

Insbesondere in schrumpfenden Städten wird der Rückbau von Wohnungen jedoch schon heute gefördert, um die Vermietungssituationen wirtschaftlich zu halten. Gleichzeitig betreffen diese Veränderungen des Wohnungsmarktes auch die Versorgung der Bevölkerung im Alter, da gerade Immobilien für viele eine Altersvorsorge darstellen. Auch die städtebaulichen Konzepte zur Anpassung an die Bedürfnisse alter Menschen, Kinder und Familien müssen dringend verbessert werden, um die grundlegenden Bedingen für einen Wandel zu schaffen.

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