Immobilien und Genossenschaften

Freiräume durch Ausplatzierung von notleidenden Immobilienkrediten

Die Immobilienfinanzierung in Deutschland befindet sich seit einigen Jahren in einem grundlegenden Wandlungsprozess. Strukturveränderungen der Immobilienmärkte, ein intensiver Bankenwettbewerb, die veränderten, regulatorischen Rahmenbedingungen durch Basel II und im Besonderen deren nationale Umsetzung in das KWG (Solvabilitätsverordnung zum 1. Januar 2007) stellen neue Anforderungen an das Immobilienkreditmanagement der Banken.

Vor diesem Hintergrund hat sich der kapitalmarktorientierte Transfer von Kreditrisiken undportfolios als ein wesentliches Element des Portfoliomanagements von Immobilienbanken etabliert. Als eine Form des aktiven, risiko- und ertragsorientierten Portfoliomanagements wird im Genossenschaftlichen Finanzverbund zunehmend auch der Verkauf notleidender Immobilienkredite - Non-performing Loans (NPL) - praktiziert.

Viel Mühsal mit in Not geratenen Krediten

Die wachsenden Bestände notleidender Kredite hängen zahlreichen Banken mittlerweile "wie ein Mühlstein um den Hals". Unter Kosten-, Risiko- und Ertragsgesichtspunkten ergeben sich somit eine Vielzahl guter Gründe für Banken, wachsende NPL-Bestände durch Portfolioverkäufe freizusetzen: Erhöhung der Liquidität, Verbesserung der Eigenkapitalrendite, Bereinigung des Ausfallrisikos, Bilanzoptimierung, regulatorische Eigenkapitalentlastung, Verbesserung des Ratings/Minderung des Beitrags zur Sicherungseinrichtung, Konzentration bankinterner Ressourcen auf den Kernbereich und nicht zuletzt Kostenreduktion.

Für die Banken ist der Verkauf von gekündigten Immobilienkrediten aber auch unter dem Gesichtspunkt der Effizienzsteigerung im Problemkreditmanagement interessant. Deren Workout-Einheiten können bei der Abwicklung und Verwertung der Sicherheiten hinsichtlich ihrer personellen Kapazitäten und des großen Zeitaufwandes schnell an Grenzen stoßen.

Die Praxis zeigt immer häufiger, dass sich ein freihändiger Verkauf in Zusammenarbeit mit dem Kreditnehmer immer seltener als Verwertungsstrategie realisieren lässt und auch eine zügige Verwertung im Wege der Zwangsversteigerung immer schwieriger wird. Insbesondere in Regionen, in denen eine tragfähige Wirtschaftsstruktur fehlt und die Bevölkerungszahl deutlich zurückgeht, scheitert die Verwertung von kreditsichernden Immobilien nicht selten schlicht daran, dass keine Angebote abgegeben werden. Dies führt zu einer zunehmenden Belastung der Insolvenz- und Amtsgerichte.

Als Konsequenz verlängern sich die Abwicklungszeiten erheblich, was - bei zudem steigenden NPL-Beständen letztendlich zu einer außergewöhnlichen Belastung der bankinternen Abwicklung und Verwertung in den Workout-Einheiten führt. Darüber hinaus bindet die Umsetzung der Vielzahl zu beachtender Vorschriften große Zeitkapazitäten. Das betrifft sowohl die Unterstützungsleistungen für Management und Wirtschaftsprüfer als auch die Reglementierungen der Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft (MaRisk) hinsichtlich der Überwachung, des Reportings und der Dokumentation.

Steigendes Interesse an einfachen Lösungen

In Anbetracht des hohen Zeit- und Arbeitsaufwandes wird verständlich, warum immer mehr Primärinstitute zur Abwicklung und Verwertung notleidender Kreditportfolios externe Dienstleister zur Beratung und Unterstützung konsultieren. Innerhalb des genossenschaftlichen Finanzverbundes haben in den zurückliegenden Wochen mehr als 50 Volksbanken und Raiffeisenbanken gegenüber der DG Hyp Interesse an der zügigen geräuschlosen und kostengünstigen Bewertung ihres Portfolios signalisiert. Mehr als 20 Primärinstitute haben die Möglichkeiten für einen raschen Verkauf von Forderungen bereits genutzt. Um die verschiedenen Inhalte, Aufgaben und Anforderungen beim

Forderungsverkauf eines NPL-Portfolios detailliert nachvollziehen zu können, werden die Prozesse am Beispiel der Raiffeisenbank Borken in vier Phasen nachgezeichnet.

- Phase I - Bewertung der Alternativen und Entscheidung: Beim Abverkauf eines Portfolios von gekündigten Immobiliendarlehen ist wichtig, dass die Beurteilung der NPL und spezielles Fachwissen hinsichtlich Immobilienmärkten, professioneller Abwicklungspraxis und Kenntnis der Kapitalmarktusancen sich gegenseitig ergänzen müssen. Die Darstellung und Bewertung der Handlungsalternativen beim Umgang mit notleidenden Krediten bildet demzufolge während des Auftaktgesprächs mit dem Primärinstitut den Schwerpunkt. Am Ende des ersten informativen Gesprächs wird bereits über den Projektablauf informiert und ausführlich erläutert, dass die DG Hyp in diesem Prozess lediglich ein Beratungsmandat anstrebt, jedoch keinesfalls die Forderungen übernimmt.

Im Fall der Raiffeisenbank Borken eG wurde unmittelbar nach Abschluss der Analysephasen ein Verkaufsinteresse signalisiert, so dass zeitnah die Inhalte der Vereinbarung über das Beratungsmandat festgelegt werden konnten. Basis der zukünftigen Zusammenarbeit ist eine Mandatierungsvereinbarung, die dem Primärinstitut Kostensicherheit in dem mehrwöchigen Prozess gibt. Besonderheit hierbei ist, dass der Volksbank und Raiffeisenbank in der ersten Phase lediglich Kosten für Beratung und Analyse entstehen. Erst nach dem Verkauf der Forderungen an den Investor wurden Erfolgshonorare auf Basis des Bewertungsvolumens fällig.

- Phase II - Auswahl, Prüfung und Bewertung des Portfolios: In einem ersten Schritt zur Analysierung des NPL-Portfolios stellte die DG Hyp dem Primärinstitut ein Template zur Verfügung, in das Informationen zum Kreditnehmer, dem Objekt, der Objektbewertung, dem Stand von Zwangsmaßnahmen und der Forderung erfasst wurden. Noch vor der Unterschrift der Mandatsvereinbarung wurde von der Raiffeisenbank Borken bankintern das Portfolio zusammengestellt und verschiedene Szenarien simuliert.

Die sachliche Prüfung des Templates zur Ermittlung des Kreditportfolios wurde anhand der Kredit- und Objektunterlagen im Hause der Raiffeisenbank vorgenommen. Diese Verkäufer-Due-Diligence (gebotene Sorgfalt) schätzt anhand einer umfassenden Analyse die Werthaltigkeit des Immobilienkreditportfolios ein, um eine realistische Basis für die Ermittlung des Portfolio-Kaufpreises zu erhalten. Aufgrund der guten Aktenführung und Kommunikationsbereitschaft, kam es zu wenigen Rückfragen in den Darlehensunterlagen. Die Kreditengagements der Bank wurden innerhalb der veranschlagten Arbeitstage geprüft.

Das Ergebnis der Portfoliobewertung der indikative Preis - wurde der Primärbank schließlich in einer Präsentation vorgestellt. Durch die Aushändigung sämtlicher Bewertungsdateien wurde die Transparenz deutlich erhöht und der Raiffeisenbank Borken eine solide Entscheidungsbasis geboten. In der darauf folgenden Vorstandssitzung wurde beschlossen, die DG Hyp aufgrund der genannten Preisspanne zu beauftragen, für das Forderungs-Portfolio am Kapitalmarkt einen Investor zu suchen. Das Cut-off-Datum für das Portfolio wurde gemeinsam festgelegt.

- Phase III - Liquidität schafft Handlungsspielräume: Nach etwa drei Wochen erhielt das Primärinstitut den "Final Bid" des Investors. Dieses Kaufangebot wurde innerhalb der Bank abschließend mit eigenen Szenarioberechnungen aus der Anfangsphase des Prozesses abgeglichen. Unterm Strich wurden die Erwartungen der Raiffeisenbank Borken hinsichtlich des Kaufangebots und dem möglichen Forderungsverkauf vollauf erfüllt. Demzufolge wurde das Angebot angenommen und unmittelbar ein Termin für den Kaufvertragsabschluss vereinbart. Zu diesem Zeitpunkt wurden auch die vertraglich vereinbarten Aktivitäten im Abwicklungsbereich der Bank gestoppt. Maßnahmen in den relevanten Engagements wurden ab dem Pool-Cut-Datum nur noch in Abstimmung vorgenommen.

- Phase IV - Abschluss des Kaufvertrages: In den Kaufvertrag (Signing) zwischen dem Investor und der Primärbank wurden alle relevanten Kredit- und Sicherheitenunterlagen eingearbeitet. Darüber hinaus wurden im Abtretungsvertrag sämtliche Forderungen und Sicherheiten auf den Investor übertragen.

Finales Ereignis in Phase IV ist die Übergabe der Akten (Closing). Beim Closing wird jedes einzelne Engagement auf Vollständigkeit geprüft und ein Übergabeprotokoll erstellt. Anschließend wurde der Investor informiert, der daraufhin per Swift-Zahlung das ausstehende Geld anwies. Ein Spediteur stand schließlich für den Abtransport der Akten bereit. Mit dem Erhalt des Forderungserlöses und der Ausbuchung der Forderungen ist der Abverkauf des NPL-Portfolios nach rund vier Monaten erfolgreich abgeschlossen.

Ein wesentlicher Faktor für die Etablierung des deutschen NPL-Marktes wird sicherlich die Preisentwicklung sein. Zwar lassen sich darüber keine generellen Aussagen treffen, da der Verkaufspreis für ein NPL-Portfolio immer von den besonderen Gegebenheiten der Portfoliostruktur im Einzelfall abhängt (Art, Volumen und Anzahl der Kredite, Unterlegung durch Sicherheiten, regionale Diversifikation, Branchendiversifikation). Derzeit ist aber davon auszugehen, dass auf der Bankenseite das NPL-Angebot hoch bleiben wird, da dem Boom im Immobilienkreditneugeschäft aus den Jahren 1997 bis 2000 mit zeitlichem Verzug entsprechende Zahlungsausfälle folgen werden. Demgegenüber befindet sich die Nachfrageseite noch in der Etablierung, so dass derzeit von einem Verkäufermarkt gesprochen werden kann, dessen attraktive Preise genutzt werden sollten.

Partner für die Steuerung von Kreditrisiken

Festzustellen bleibt, dass sich in den vergangenen Jahren insbesondere die Risikostruktur der Immobilienfinanzierung in Deutschland grundlegend verändert hat. Verantwortlich dafür sind konjunkturelle und demographische Entwicklungen, die zu einer Differenzierung des Standorts Deutschland in wirtschaftlich prosperierende und strukturschwache Regionen geführt haben. Die Insolvenzen bei den privaten Haushalten und Unternehmen sind aber kein regionales Problem. Bundesweit haben zurückgehende Umsätze und zunehmende Arbeitslosigkeit zu Zahlungsschwierigkeiten deutscher Unternehmen und Privathaushalte geführt.

Dieser Trend wird sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen und das Immobilienfinanzierungsgeschäft noch komplexer und anspruchsvoller machen. Vor diesem Hintergrund hat die DG Hyp das Management ihrer Immobilienfinanzierungen von einer reinen Buy-and-Hold-Strategie auf einen Buy-and-Sell-Ansatz umgestellt. Das heißt Kredite werden nicht mehr bis zur Endfälligkeit auf dem eigenen Buch gehalten, sondern über Verbriefungen oder Portfolioverkäufe an Dritte ausplatziert. Das wesentliche Ziel ist hierbei, das Rendi-te-/Risiko-Profil des Kreditportfolios und damit die erforderliche Eigenkapitalunterlegung der Risikoaktiva über eine gezielte Diversifikation durch den An- und Verkauf von Kreditrisiken zu optimieren.

Als subsidiäres Institut sieht es die DG Hyp als zentrale Aufgabe an, den Genossenschaftsbanken Instrumente zur Steuerung ihrer Immobilienkreditportfolios zur Verfügung zu stellen. Denn beide Partner stehen dabei vor der gleichen Aufgabe: Immobilienfinanzierungen undkreditportfolios attraktiv, transparent, Risiko-/Rendite-orientiert zu strukturieren, um alle Wege der Kapitalbeschaffung erschließen zu können.

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