Schwerpunkt: Bausparen 2008

Der interne Ratingansatz nach Basel II bei Bausparkassen

Auch in Zeiten der US-Kreditkrise ist in Deutschland das Privatkundengeschäft, insbesondere das Segment der privaten Immobilienfinanzierung, ein von Anbietern heiß umkämpfter Markt mit minimalen Gewinnmargen. Der Einbruch im Wohnungsneubau und die wachsende Bedeutung von Maßnahmen zur Modernisierung und Sanierung des Gebäudebestandes führen zu tendenziell sinkenden Losgrößen im wohnungswirtschaftlichen Realkredit. Eine hohe Effizienz der Bearbeitungsprozesse und ein konsistentes System zur präzisen Messung und Steuerung der wesentlichen Geschäftsrisiken sind kritische Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Marktteilnahme.

Adressenausfallrisiko - bedeutendste Risikokategorie der Bausparkasse

Die Aachener Bausparkasse hat in den vergangenen Jahren mit erheblichem personellen und technologischen Aufwand ein leistungsfähiges Risikomanagementsystem aufgebaut, das sukzessive erweitert und optimiert wird. Das Baufinanzierungsgeschäft ist Kerngeschäftsfeld des Bausparinstituts, das Adressenausfallrisiko stellt die bedeutendste Risikokategorie des Unternehmens dar. Die Beurteilung der Bonität der Kreditnehmer und der Qualität der gestellten Sicherheiten ist für die Steuerung des Adressenausfallrisikos von zentraler Bedeutung.

Auch im Rahmen der neuen Eigenkapitalvorschriften für Kreditinstitute (Basel II), die in Form der Solvabilitätsverordnung (SolvV) in deutsches Recht umgesetzt wurden, wird die Schätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) und der Verlustquote bei Ausfall (LGD) zum wesentlichen Bezugspunkt der aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen.

Aufgrund der besonderen bausparkassen- und aufsichtsrechtlichen Vorschriften unterliegen Bausparkassen insgesamt im Vergleich zu vielen anderen Kreditinstituten nur einem geringen Adressenausfallrisiko. Die kreditstrategische Ausrichtung auf das Privatkundengeschäft und auf die Finanzierung des selbstgenutzten Wohneigentums schränkt das Adressenausfallrisiko weiter ein. Von daher bietet der Einsatz fortgeschrittener Messmethoden zur Bestimmung der aufsichtsrechtlichen Eigenmittelausstattung, wie sie der "auf internen Ratings basierende Ansatz (IRBA)" der SolvV vorsieht, nicht nur den Vorteil einer weitgehend konsistenten Ausgestaltung von externer und interner Kapitalsteuerung, sondern führt auch zu einer signifikanten Eigenkapitalentlastung.

Scorekartenentwicklung in der "Bausparkassen-GbR Basel II"

Die Aachener Bausparkasse hat sich frühzeitig auf die zunehmende Bedeutung valider statistischer Verfahren zur Beurteilung von Kreditrisiken eingestellt und gemeinsam mit acht weiteren privaten Bausparkassen und dem Projektpartner Ernst & Young bereits im Jahr 2003 mit der Entwicklung interner Ratingverfahren begonnen. Auf Basis eines gemeinsamen Datenpools wurden unternehmensspezifische Risikoschätzmodelle für das Privatkundengeschäft entwickelt. In den Datenpool sind Jahresendbestände der beteiligten Bausparkassen seit dem Geschäftsjahr 1997 eingeflossen. Ab 2004 liefern die Teilnehmer quartalsweise Datenabzüge ihrer operativen Bestände. Zwischenzeitlich enthält der Datenpool rund 700 000 aktive Konten und eine Historie von etwa 1,7 Millionen Konten. Vor der Datenübermittlung wurden alle Kontendaten anonymisiert. Beim Aufbau des Datenpools wurde streng auf die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben geachtet.

Zur Bestimmung des ökonomischen Verlustes wurden die relevanten Daten für alle abgewickelten Kreditausfälle rückwirkend bis in das Jahr 2001 erfasst. Dies bedeutete in vielen Fällen eine aufwendige manuelle Aktenaufbereitung und Nacherfassung. Um eine zeitnahe Anpassung an geänderte Umfeldbedingungen zu gewährleisten, werden die Schätzverfahren jährlich validiert. Bei jedem Validierungslauf wird der gemeinsame Datenpool aktualisiert, Leistungsfähigkeit und Stabilität der Verfahren werden analysiert. Die Überprüfung der Modellspezifikation, die Bestimmung der Trennschärfe und ein ausführliches Backtesting sind fester Bestandteil einer jeden Validierung.

Die Aachener Bausparkasse setzt die Scorekarten sowohl für die Beurteilung des Adressenausfallrisikos zum Zeitpunkt der Kreditbeantragung (Antragsscoring) als auch für eine Risikoeinstufung während der Kreditlaufzeit (Bestandsscoring) ein. Das Bestandsscoring berücksichtigt über die Antragsscorekarte hinaus weitergehende Informationen aus der Laufzeit des Kredites. Seit dem 1. Oktober 2006 wird das Neugeschäft lückenlos dem Antragsscoring unterworfen und für den Bestand ein monatliches Bestandsscoring durchgeführt.

Voraussetzung für die Anwendung des auf internen Ratings basierenden Ansatzes (IRBA) ist eine Eignungsbestätigung der BaFin für die eingesetzten Schätzverfahren. Bei Beantragung hat der Antragsteller zu belegen, dass seine Ratingsysteme die umfangreichen Anforderungen des Kapitels 4 der SolvV erfüllen. Die Voraussetzungen für eine Zulassungsprüfung können der Systematik des Fachgremiums IRBA folgend ("rückwirkende Anforderungen" vom 29. Mai 2005) in drei Kategorien gegliedert werden:

- Praxiserfahrung (§ 63 und § 338 [1] SolvV): Die Ratingsysteme eines Instituts müssen sich zum Zeitpunkt der Verwendung im IRBA über einen bestimmten Mindestzeitraum bereits im praktischen Einsatz als maßgebliches Instrument zur Messung und Steuerung des Kreditrisikos bewährt haben.

- Prüfungsfähigkeit: Das zur Prüfung angemeldete Ratingsystem muss einen prüfungsfähigen Zustand erreicht haben. Dies umfasst die Verwendung des Ratingsystems bei der Kreditentscheidung, die Berücksichtigung der Ratingergebnisse bei der Preiskalkulation, eine angemessene Nutzung der Ratings/der geschätzten Kreditrisikoparameter in der Kreditrisikosteuerung, die Anwendung der aufsichtlichen Ausfall- und Verlustdefinition, die Einbindung der Ratingergebnisse in die interne Berichterstattung, die Erfüllung der Corporate-Governance-Anforderungen für Einführung und Anwendung von Ratingsystemen, ein Konzept für die Validierung des Ratingsystems und ein Konzept für Stresstests.

- Datenhistorie (§131 SolvV [5]): Ein Institut muss zum Zeitpunkt der Verwendung im IRBA die Anforderungen an die Datenhistorie für ein Ratingsystem erfüllen.

Eine elementare Voraussetzung für die IRBA-Zulassung ist das Erreichen der Eintrittsschwelle nach § 64 SolvV, das heißt der Abdeckungsgrad des Ratingsystems muss 50 Prozent überschreiten, gemessen an den Positionswerten sowohl vor als auch nach Risikogewichtung. Das Erreichen der Eintrittsschwelle, das Erreichen eines Abdeckungsgrades von 80 Prozent zum "aufsichtlichen Referenzzeitpunkt" (§ 65 SolvV) und das Erreichen der Austrittsschwelle mit einem Abdeckungsgrad von 92 Prozent (§ 66 SolvV) sind in einem Umsetzungsplan zu dokumentieren, der Teil des Zulassungsantrages ist.

Die Aachener Bausparkasse hat in dem Gemeinschaftsprojekt die Pilotfunktion übernommen und als erste die Zulassungsprüfung zum IRBA durchlaufen. Im Vorfeld der Prüfung wurden die Projektergebnisse einer umfangreichen Qualitätssicherung durch das Kreditrisikocontrolling, die interne Revision und die Geschäftsleitung unterworfen. Diese aufwendige Selbstprüfung hat in einer späten, ohnehin von Zeitdruck geprägten Projektphase erhebliche interne Ressourcen gebunden. Sie hat sich aber im Nachhinein überaus bezahlt gemacht, denn sie bereitete den Weg für eine reibungslose externe Zulassungsprüfung.

Datenqualität

Das Review umfasste eine ausführliche Prüfung der DV-Systeme Neugeschäfts- und Bestandsscoring, Meldewesen und Kreditrisikoreporting (Konzeption, Funktion, Dokumentation und Abnahmetest). Außerdem wurden folgende Aspekte untersucht:

- Qualität und Repräsentativität der Daten

- Vollständigkeit und Integrität der Daten, - Prozessorganisation "Datenlieferung und Validierung" - Dokumentation der Verantwortlichkeiten, Datenstrukturen und -ablagen, Beschreibung der Datenquellen und der Selektionsverfahren,

- korrekte Umsetzung der Ausfalldefinition und Berücksichtigung aller Verlustkomponenten.

- Qualitative Validierung

- Ratingvergabe und Ratingergebnisse,

- Akzeptanz des Ratingverfahrens (Overridequoten),

- Anwendung des Ratingsystems für alle relevanten Aktiva des Neugeschäfts (Bypassquoten) und

- Qualifikation der Mitarbeiter.

- Quantitative Validierung

- Backtesting - Soll-Ist-Vergleiche für die einzelnen Schätzverfahren,

- Stabilitätsanalysen für PD und LGD sowie

- Vergleich der internen Schätzungen mit relevanten externen Daten.

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2006 wurde die IRBA-Zulassung beantragt. Der entsprechende Umsetzungsplan und die ebenfalls zugehörige Konkordanzliste (Nachweis der Umsetzung der Einzelanforderungen der SolvV) wurden Anfang 2007 nachgereicht. Wesentliche Meilensteine des Jahres 2007 waren zwei Prüfungen durch die Bundesbank. In der Zeit vom 28. März bis 18. April 2007 hat ein fünfköpfiges Prüfungsteam die "Verfahren zur Ermittlung der Mindestkapitalanforderungen für Adressrisiken mittels eigener Ratingsysteme (IRBA)" vor Ort geprüft. Prüfungsgegenstände waren:

- der Umsetzungsplan,

- die vollständige Erfassung des Neugeschäftes und des zu berücksichtigenden Bestandsgeschäftes,

- der Abdeckungsgrad der Geschäftsbereiche mit geeigneten internen Ratingsystemen

- die Eignung der internen Ratingsysteme,

- die Einbindung der internen Ratingsysteme in die maßgeblichen Prozesse der Bausparkasse,

- die Vorbereitung zur Einhaltung der Offenlegungsanforderungen sowie

- die Vorbereitung von Stresstests und der Validierung.

Mit Schreiben vom 15. August 2007 hat die BaFin den Prüfungsbericht der Bundesbank übersandt. Die Ratingverfahren der Aachener Bausparkasse werden darin als "grundsätzlich zur Ermittlung der Eigenkapitalanforderungen für Adressrisiken geeignet" eingestuft. Eine einwöchige Nachschauprüfung Ende Oktober erstreckte sich vor allem auf die Themen Eigenkapitalberechnung und Offenlegung. Die Bundesbankprüfer kamen zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine zutreffende Errechnung der Eigenkapitalanforderungen nach dem IRBA gegeben sind. Am 21. Dezember 2007 erteilte die BaFin der Aachener Bausparkasse die Zulassung zum IRBA gemäß § 58 Abs. 1 SolvV zum 1. Januar 2008.

Sukzessive wurde das gesamte Risikomanagement der Aachener Bausparkasse im Bereich der Adressenausfallrisiken neu ausgerichtet, sodass das Scoring heute zentrales Element der Kreditrisikosteuerung ist. Die entwickelten Scorekarten werden unter anderem zur Unterstützung einer verantwortungsvollen Kreditentscheidung und einer risikogerechten Konditionierung genutzt.

Impulse für das Risikomanagement

PD- und LGD-Schätzung sind die Basis für ein hausinternes Risikoklassifizierungssystem, das unter anderem im Rahmen des Kreditgenehmigungsprozesses die benötigte Kompetenzstufe bestimmt. Auch die Scorewerte als solche sind wichtige, aber nicht allein bestimmende Entscheidungsparameter bei der Kreditvergabe. Da statistische Verfahren für den Einzelfall immer nur eine begrenzte Aussagekraft haben und jeder Kunde für sich ernst genommen und nicht nach dem Gesetz der großen Zahl entscheiden wird, führt das Scoring bei der Aachener Bausparkasse nicht zu einer automatisierten Kreditzusage oder -ablehnung (kein deus ex machina).

Die Preispolitik der Aachener Bausparkasse im Kreditgeschäft ist darauf ausgerichtet, dass jedes Neugeschäftssegment unter Berücksichtigung einer angemessenen Risikomarge einen adäquaten Ergebnisbeitrag liefert. Folglich richtet sich die Außenkondition grundsätzlich nach dem individuellen Risikogehalt der Finanzierung. Das Preismodell sieht im Bereich des außerkollektiven Kreditgeschäftes auslauf- und lageabhängige Zuschläge auf die laufzeitabhängigen Grundkonditionen vor und unterscheidet weiterhin nach der Art der Sicherheit. Es handelt sich dabei aber um ein bewusst einfach gehaltenes und damit für das Mengengeschäft taugliches Konditionsmodell. Im Rahmen der Produktentwicklung werden die notwendigen Risikozuschläge bestimmt (Produktkalkulation). Monatlich wird im Rahmen des Risikoreportings überwacht, ob für das Neugeschäft die vereinnahmte und die modellgerechte Risikomarge übereinstimmen (Nachkalkulation).

Bei Bauspardarlehen hängen die Außenkonditionen allein von dem gewählten Tarif ab. Trotzdem sind die kollektiven Darlehen in die Nachkalkulation einbezogen. Ihnen wird eine (entsprechend unserer langjährigen Erfahrung ausreichende) pauschale Quote als vereinnahmte Risikomarge zugeordnet. Bei Kombinationsprodukten (Zwischenkrediten, Vorausdarlehen) geht die Nachkalkulation davon aus, dass ein über die pauschale Risikomarge für das Kollektivdarlehen hinausgehender Risikoanteil gegebenenfalls allein durch das Vorausdarlehen beziehungsweise den Zwischenkredit verdient werden muss.

Wesentlicher Bestandteil der Gesamtbanksteuerung der Aachener Bausparkasse ist die interne Risikotragfähigkeitsanalyse. Für die Bemessung der Risikotragfähigkeit sind alle als wesentlich erkannten Risikoarten zu einer Gesamtrisikoposition zusammenzuführen. Alle wesentlichen Risiken der Bausparkasse, für die ausreichende Datenbasen vorhanden sind, werden anhand quantitativer Risikomodelle erfasst.

Die aktuell vorherrschenden internen Risikomodelle basieren auf dem Konzept des Value at Risk (VaR). Das VaR-Konzept erlaubt die Aggregation der ermittelten Risikomessgrößen über die betrachteten Risikoarten zu einer Gesamtrisikoposition. Die aufsichtsrechtlichen IRBA-Formeln zur Bemessung des Adressenausfallrisikos basieren auf einem vom Baseler Ausschuss vorgegebenen Kreditrisikomodell. Es entspricht einem einfachen Credit-Value-at-Risk-Model mit Konfidenzniveau 99,9 Prozent und einem Betrachtungszeitraum von einem Jahr. Im Rahmen des Risikotragfähigkeitskonzeptes bestimmt die Aachener Bausparkasse das Adressenausfallrisiko für Privatkundenkredite daher analog zu den Vorgaben für risikogewichtete IRBA-Positionswerte in § 72 SolvV auf Basis der PD- und LGD-Schätzungen.

Nicht jede Projektphase effektiv, aber Aufwand gerechtfertigt

Das Basel-II-Projekt war das aufwendigste der Aachener Bausparkasse in dieser Dekade. Da der Gesetzgeber parallel zu den Projektarbeiten schrittweise die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen definiert hat, glich das Projekt mitunter einem Schießen auf bewegte Ziele und nicht jede Projektphase war im Nachhinein betrachtet effektiv. Insgesamt aber rechtfertigt der Erfolg die eingesetzten Mittel. Der IRBA führt angesichts des risikoarmen Kreditportfolios zu einer signifikanten Eigenkapitalentlastung, und mit den entwickelten Scoringverfahren verfügt die Bausparkasse erstmalig über ein Instrumentarium zur statistisch validen Bemessung des Risikogehaltes des angetragenen beziehungsweise verkauften Kreditgeschäftes. Die Scoringverfahren sind heute bei der Aachener Bausparkasse wirklich maßgebliches Instrument zur Messung und Steuerung des Adressenausfallrisikos.

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