Immobilien und IT

Technik als Standortfaktor

Der Standort Deutschland ist geprägt von einer heterogenen Bankenlandschaft. Neben den traditionellen Öffentlichen oder Privaten Banken, den Sparkassen oder den Volks- und Raiffeisenbanken hat sich eine große Anzahl ausländischer Banken etabliert. Einerseits bietet der deutsche Markt ausreichend Potenzial für diese Anbieter, anderseits eröffnen sich für den Bankkunden neue Möglichkeiten im internationalen Geschäft, mit innovativen Produkten und mit erweiterten Zugängen zu neuen Märkten. Durch die weltweite elektronische Vernetzung stellt die IT kein Ausschlusskriterium bei Standortentscheidungen dar. Dennoch sind im Vorfeld eine Reihe von Voraussetzungen zu beachten.

Ausgangssituation

Banken, die im Ausland mit einer Niederlassung präsent sind, stehen vor der Herausforderung, die lokalen Anforderungen der Datenhaltung, -verarbeitung und -bereitstellung mit dem zentralen System im Heimatland zu kombinieren. Dies betrifft zum einen die Systemarchitektur mit Hardware und Leitungsverbindungen, zum anderen können zusätzliche Softwareanwendungen notwendig werden, die es zu integrieren gilt. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob in den bestehenden Systemen zusätzliche Datenfelder, Datenhaushalte oder gar Datenmodelle notwendig werden. Damit verbunden sind komplexe Schnittstellen, bei denen neben den technischen Barrieren auch noch sprachliche Hürden zu nehmen sind.

Abhängig vom Geschäftsmodell mit der Ausrichtung hinsichtlich Kunden, Produkten und Vertriebskanälen kann sich ein Spektrum von Fragestellungen ergeben, die im Folgenden am Beispiel der niederländischen NIBC Bank N. V. mit Ihrer Zweigniederlassung in Frankfurt am Main skizziert werden. Die NIBC ist eine führende Geschäftsbank in Nord- und Westeuropa mit Sitz in Den Haag in den Niederlanden. Als Zweigniederlassung mit EU-Banking-Passport ist die Bank seit 2007 - neben einer Vielzahl anderer Geschäftsbereiche - im Retailbanking auch auf dem deutschen Privatkundenmarkt aktiv.

Die deutsche Zweigniederlassung bietet von ihrem zentralen Standort in Frankfurt am Main bundesweit private Wohnbaufinanzierungen an. Der wesentliche Vertriebskanal ist das sogenannte Plattformgeschäft. Die Plattformen haben die Funktion eines virtuellen Marktplatzes, wo sich die angeschlossenen Vertriebsorganisationen das jeweils günstigste Angebot für ihren Kunden bei den angeschlossenen Banken auswählen können. Kreditvermittler beraten den Finanzierungsinterssenten, erfassen die notwendigen Daten und erhalten per Knopfdruck einen Überblick der Banken, bei denen die Finanzierung möglich ist.

Unter der Marke NIBC Direct werden als Online Bank Einlageprodukte für Privatkunden angeboten.

Besonderheiten im Geschäftsmodell

Die NIBC betreibt in Deutschland als Käufer von Kreditbeständen Portfoliotransaktionen. Hierbei sind besondere Anforderungen an den Datenschutz bei den übernommenen Darlehensnehmern zu berücksichtigen, die einer Übertragung ihrer personenbezogenen Daten an die NIBC als Kreditkäufer nicht zugestimmt haben.

Auf der Refinanzierungsseite werden unter anderem die Instrumente der Verbriefung in ABS beziehungsweise als Deckungsmasse für Covered Bonds genutzt. Dabei werden sowohl die niederländischen als auch die deutschen Darlehensforderungen und Sicherheiten in die Transaktionen eingebracht. Dies wiederum setzt die Verfügbarkeit und eine gewisse Homogenität der Daten voraus.

Das Geschäftsmodell der Bank ist sehr stark auf Outsourcing ausgerichtet. Auch in Deutschland wird mit verschiedenen Servicern im Kredit- und im Einlagengeschäft zusammengearbeitet. Aus diesem Multiservicer-Ansatz ergeben sich verschiedene Datenhaushalte, die auf unterschiedlichen Systemen gepflegt, gespeichert und auch in wieder anderen Systemen weiter verarbeitet werden.

Anforderungen aus verschiedenen Perspektiven

Aus der geschilderten Ausgangssituation heraus lassen sich verschiedene Gruppen identifizieren, die unterschiedlichen Informationsbedarf haben und die die entsprechenden Daten nach unterschiedlichen Gesichtspunkten strukturieren, konsolidieren beziehungsweise auswerten. Dies setzt einerseits die Verfügbarkeit dieser Daten und andererseits die inhaltliche und technische Vergleichbarkeit voraus.

Bei der inhaltlichen Vergleichbarkeit der Daten ist eine eindeutige Definition der Begrifflichkeiten erforderlich. Feldbezeichnungen, die auf den ersten Blick gleich aussehen respektive durch wörtliche Übersetzung als übereinstimmend vermutet werden, können inhaltlich deutlich abweichen. Beispielsweise kann durch die unterschiedliche Methodik der Beleihungswertermittlung eine andere und im Zweifel auch falsche Sicherheiten- und Risikobeurteilung entstehen.

Die technische Vergleichbarkeit beinhaltet die Transformation der jeweiligen Datenformate. Als potenzielle Adressaten finden sich:

- Der Kunde: Für den Privatkunden ist es in erster Linie wichtig, dass er seine relevanten Darlehens- und Kontoinformationen aktuell, nach deutschem Recht und den üblichen Konventionen in deutscher Sprache erhält. Mindeststandard ist darüber hinaus der in Deutschland übliche und gesetzlich verankerte Datenschutz.

- Servicer: Die beteiligten Servicer spielen eine entscheidende Rolle. Ihnen obliegt die Veredelung der Daten für die Zwecke der Sachbearbeitung mit Kunden- und Kontoverwaltung, der Erstellung von Konto-, Darlehens- und Sicherheitenverträgen sowie der ordnungsgemäßen Verbuchung von Umsätzen und Salden.

- Regulatorische Anforderungen: Regulatorisch müssen sowohl die deutschen Melde- und Anzeigepflichten gegenüber der Bankenaufsicht als auch die Anforderungen in den Niederlanden aus den vorhandenen Daten abgebildet werden können. Aus dem Multiservicer-Ansatz ergibt sich die Notwendigkeit, dass die beim jeweiligen Servicer gehaltenen Datentöpfe zu konsolidieren sind, um eine übergeordnete Bank- respektive Bilanzstatistik zu melden oder eventuelle Kreditnehmereinheiten zu identifizieren.

- Accounting: Aus den verschiedenen Datentöpfen muss jederzeit die Erstellung einer Bilanz und einer Gewinn- und Verlustrechnung möglich sein. Dies gestaltet sich umso anspruchsvoller, wenn dabei unterschiedliche Bilanzierungsmethoden gleichzeitig anzuwenden sind. Beispielsweise kann in Deutschland die Buchführung der Servicer nach Handelsgesetzbuch erfolgen, eine zugehörige Zweigniederlassung hat jedoch eine Steuerbilanz zu erstellen und der Jahresabschluss der Muttergesellschaft erfolgt nach internationaler Rechnungslegung.

- Controlling/Treasury: Im Rahmen der Gesamtbanksteuerung besteht die Anforderung, dass die Liquiditäts- und Risikosituation aktuell und transparent ist. Entsprechende lokale Informationen müssen vor allem in weiterverarbeitbarer Form vorgehalten werden.

- Investoren: Aufgrund der kapitalmarktorientierten Refinanzierung der Bank kommt der Transparenz gegenüber Investoren eine besondere Bedeutung zu. Die Refinanzierungsinstrumente werden sowohl für deutsche als auch niederländische Assets genutzt. Bei der Konzeption der Investorenreports sind daher die ländertypischen Spezifika zu berücksichtigen. Andererseits sollen die Reports einheitlich strukturiert sein. Dies kann dazu führen, dass Informationen benötigt werden, die über die eingesetzten Systeme standardmäßig nicht elektronisch verfügbar sind. Für das selbstgenerierte Neugeschäft lassen sich diese Anforderungen weitgehend durch das Customizing der Servicersysteme abdecken. Für erworbene Portfolios kann eine aufwendige manuelle Ermittlung und Nacherfassung dieser Daten erforderlich werden.

Lösungsansatz Architektur

Zum Management der Daten hat die NIBC ein Datawarehouse konzipiert, das zentral geführt wird. Hieraus werden die relevanten Daten für die jeweiligen Reports und Auswertungen bereitgestellt. Aspekte wie Datenumfang, Frequenz der Aktualisierung sowie Verbindungen und Schnittstellen sind hierbei zu beachten.

Bei der Konzeption des Datawarehouse ist zu entscheiden, welche Daten in welcher Tiefe, welcher Aktualität und in welchen Frequenzen - also in welchem Datenumfang - zu liefern sind. Dabei sind Abstimmungsaufwand, Speicherkapazität und Relevanz der Information zu berücksichtigen. Die Daten in diesem Datawarehouse werden redundant zu den Daten in den jeweiligen operativen Systemen gehalten. In Abhängigkeit zur gewählten Aggregationsstufe respektive Transferfrequenz der Daten ergeben sich außerhalb der Stichtage Abweichungen zu den Daten in den operativen Systemen. Eine detaillierte Dokumentation dieser Parameter zeigt die Anforderungen und Grenzen der Interpretation der Informationen und Reports.

Die Frequenz der Datenaktualisierung orientiert sich an den Anforderungen des Adressaten der Informationen und Reports. Realtime-Informationen wie Umsätze auf Kunden-, (Zentral-)Bank- oder internen Verrechnungskonten sind per se für das Datawarehouse-Konzept nicht geeignet, da hier sofortige Entscheidungen und Arbeitsprozesse angestoßen werden. Daten aus der Übernachtverarbeitung sind nach ihrer Relevanz zu beurteilen. Hier ist es regelmäßig notwendig, die Informationen aus den operativen Systemen direkt den zuständigen Stellen zur Verfügung zu stellen. Letztendlich landen diese Informationen zu einem späteren Zeitpunkt gegebenenfalls aggregiert im zentralen Datenpool. Als sinnvolle Frequenz hat sich die monatliche Aktualisierung des Datenbestandes etabliert. Besondere Anforderungen ergeben sich zusätzlich zum Quartals- und Jahresabschluss.

In Abhängigkeit von den technischen Möglichkeiten in Quell- und Zielsystem, von den Anforderungen an die Sicherheit der Datenübertragung, von Leitungskapazitäten und Firewalls und nicht zuletzt vom Umfang der zu transferierenden Daten, sind Schnittstellen- und Migrationskonzepte zwischen den beteiligten Systemen aufzubauen. Diese bestehen im besten Fall aus direkten Verbindungen der jeweiligen Anwendungen, werden regelmäßig jedoch als halbautomatische Schnittstelle in einem Standardformat wie csv realisiert. Im ungünstigsten Fall ist auch eine händische Datenerfassung mit anschließender Kontrolle möglich und nötig.

Das Datawarehouse-Konzept ersetzt jedoch keinesfalls die parallele Nutzung der operativen Systeme. Vielmehr ergibt sich im Einzelfall zusätzlicher Abstimmungsaufwand mit den operativen Systemen zur Klärung von Unplausibilitäten. Die Bereitstellung der relevanten Daten im jeweiligen Quellsystem und die regelmäßige Migration über Schnittstellen in das Datawarehouse erfordert ein Management der Lese- und Änderungsrechte für diese Daten.

Insbesondere zu fixen Reportingterminen sind Zeitlinien- und -punkte zu definieren, ab denen im operativen Datenbestand keine Änderungen mehr möglich sind, und wie mit eventuell nachträglich notwendig gewordenen Korrekturen umgegangen wird.

Redundanzen managen

Das Datawarehouse erfordert hohe Aufmerksamkeit im Management von Redundanzen. Die Möglichkeiten und Grenzen von Reports und Auswertungen hängen wesentlich an der Aggregationsstufe und der Aktualität der Daten. Dies ist wichtiger Bestandteil bei der Konzeption regelmäßiger Reports. Ad-hoc-Anforderungen gelangen schnell an Grenzen oder führen zu unerwünschten Ergebnissen, wenn die Qualität der Daten nicht ausreichend beachtet wird.

Innerhalb der komplexen IT-Landschaft ist zu definieren, welches System und welcher Datenbestand als Source of Truth angesehen wird (Definition führendes System). Bei dieser Definition ist unbedingt zu beachten, dass es neben diesem Datenbestand weitere Datenquellen gibt, in denen redundante und gegebenenfalls aktuellere Datenbestände und/oder zusätzliche Informationen geführt werden. Das Konzept der NIBC sieht das zentrale Datawarehouse als Source of Truth für Reports. Das bedeutet, dass alle für die jeweiligen Reports notwendigen Daten hier zur Verfügung stehen. Bei der Abstimmung von Unplausibilitäten ist wenn nötig auf den Datenbestand im Quellsystem zurückzugreifen. Es ist Ziel, die Systeme über automatisierte Schnittstellen zu bedienen. Dies setzt allerdings einen hohen technischen und zeitlichen Aufwand voraus. Unter dem Blickwinkel Time to Market ist deshalb zu priorisieren, welche Systeme technisch verbunden und automatisiert bespeist werden. Auch auf lange Sicht ist zu prüfen, welche Schnittstelle unter wirtschaftlichen und Risikoaspekten technisch oder manuell genutzt wird.

IT nicht allein ausschlaggebend

Für Ad-Hoc-Auswertungen ist das Datawarehouse nur bedingt geeignet. Es sind deshalb Prozesse zu etablieren, wie eine Aktualisierung des Datenbestandes im Warehouse erfolgt, wenn dies notwendig werden sollte. Gleichzeitig sind Events und Prozesse zu definieren, wie das tägliche Monitoring erfolgt und wann welche Ad-hoc-Informationen an wen reportet werden. Komplexe Strukturen lassen sich durchaus wirtschaftlich managen, wenn mit einer modernen Technologie intelligente Konzepte umgesetzt werden können. Entscheidend für eine erfolgreiche Realisierung - so auch bei NIBC und deren Geschäftsaktivität in Deutschland - war nicht die IT im Sinne der technischen Ausstattung, sondern eher das Zusammenbringen, Aufsetzen, Harmonisieren und die kontinuierliche Steuerung der IT-Landschaften durch ein ausgewähltes Expertenteam am Standort und in der Zentrale. In Summe stellt IT also ein, aber sicher nicht das einzige ausschlaggebende Kriterium für eine Standortentscheidung dar.

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