Immobilien und Konjunktur

Der Welt größtes Gebäude - Indiz für eine beginnende

Die Investmentanalyse versucht aus früheren Entwicklungen auf die Zukunft zu schließen. Zum Beispiel: Wie verändern sich die Aktienkurse, wenn in den USA ein republikanischer Präsident gewählt wird? Auch aus der Geschichte kann man lernen, selbst wenn Liddell Hart bereits in der Zwischenkriegszeit die Fähigkeit der Menschen, aus der Geschichte zu lernen, verneinte. Aus der Analyse des Niedergangs früherer Imperien könnte man etliche auf heute übertragbare Erkenntnisse gewinnen, solche Quellen sind Michael Grant "Der Untergang des Römischen Reiches", Edward Gibbon "Verfall und Untergang des Römischen Reiches " oder Paul M. Kennedy "Aufstieg und Fall der großen Mächte: ökonomischer Wandel und militärischer Konflikt von 1500 bis 2000".

Zwei Jahre des 20. Jahrhunderts waren für die machtpolitische Entwicklung der Vereinigten Staaten von Amerika äußerst wichtig: 1917 erfolgte der Kriegseintritt der USA, der den Ausschlag gab im Ersten Weltkrieg. Die USA, vor Kriegsbeginn noch Schuldnerstaat, wurden zum Kriegslieferanten und zum Gläubiger der Ententemächte, sie usurpierten die Patente der Verlierer und eigneten sich so deren wirtschaftliche Basis an. Die Oktoberrevolution löste das Zarenreich ab, die UdSSR entstand aus dem Bürgerkrieg nach dem Brest-Litowsk-Vertrag.

1989 war der Beginn des Zerfalls der UdSSR. Danach wurde zwar vom Ende der Geschichte gesprochen (Fukuyama, End of history, in: The National Interest 16/1989), doch die Geschichte setzt sich immer fort. Konflikte, Kriege, Krisen gab es in der Vergangenheit, sie wird es auch in der Zukunft geben. Kindleberger (Manias, Panics and Crashes. A History of Financial Crises) und Gilpin (War and Change in World Politics) erkannten bereits vor Jahrzehnten, dass das Verschieben des Zentrums der Weltwirtschaft zu Krisen führen kann und dass Krisen von erheblichen Veränderungen in den weltwirtschaftlichen Handelsströmen und Machtkonstellationen verursacht werden.

Nach einer Theorie werden solche Umbrüche von erheblichen Veränderungen in den weltwirtschaftlichen Handelsströmen und Machtkonstellationen verursacht beziehungsweise begleitet. Vor dem Ersten Weltkrieg erzeugte das weltwirtschaftliche und politische Erstarken des Deutschen Reiches das große Konfliktpotenzial, das sich in den langjährigen Spannungen vor dem Ersten Weltkrieg niederschlug und das zu den Blöcken Entente und Mittelmächte führte. Vor 1989 setzten ebenfalls gravierende Umbrüche in der Weltwirtschaft ein, insbesondere das Wachstum der asiatischen Staaten. Die Globalisierung begann nicht erst in den neunziger Jahren: Das Emporstreben der Emerging Markets in Asien und Lateinamerika war bereits vor 1989 festzustellen.

Stützt man sich auf die Erkenntnisse von Kindleberger und Gilpin ab, so könnte man derzeit genügend Potenzial für das erneute Ausbrechen einer großen Wirtschaftskrise und einer politischen Auseinandersetzung erkennen, da das Erstarken der Bric-Staaten, vor allem aber von China, sich ähnlich desaströs auswirken könnte. Könnte man einen Zusammenhang zwischen dem Bau eines neuen weltgrößten Gebäudes und dem Ausbrechen einer Wirtschaftskrise in dieser Region ableiten? Ein Immobilienboom, der in einem neuen weltgrößten Gebäude gipfelt, ist eventuell ein Indikator für eine beginnende Wirtschaftskrise.

Analyse des Zusammenhangs

Aus dem Bau von Wolkenkratzern im 20. Jahrhundert lassen sich vier Auffälligkeiten erkennen.

- Ende der zwanziger Jahre gab es einen Wettlauf in New York, wer den höchsten Wolkenkratzer erbauen könne. Diese Auseinandersetzung kumulierte in dem Wettbewerb zwischen Walter Chrysler (Chrysler-Building) und John J. Raskob (Empire State Building). Zwar wurde das Empire State Building erst nach dem Zusammenbruch der New Yorker Börse fertig gestellt, der Baubeginn lag aber vor dem Börseneinbruch, die Eröffnung des Empire State Building erfolgte genau am Anfang der Weltwirtschaftskrise. Bezeichnend ist, dass die aufgebauten Raumkapazitäten in den nachfolgenden Jahrzehnten nicht ausgelastet werden konnten. Erst etwa 20 Jahre später erreichte das Empire State Building den Break-Even-Punkt. In dem ersten Jahr nach Eröffnung waren die Mieteinnahmen lediglich so hoch, wie die Einnahmen aus der Aussichtsplattform.

- Die siebziger Jahre waren geprägt von mehreren Ölkrisen und einem stagnierenden Wertpapiermarkt, von dem Vietnamkrieg wie auch von inneren Unruhen in zahlreichen westlichen Staaten. Als höchste Gebäude auf der Erde wurden 1972 das World Trade Center und 1974 der Sears Tower errichtet. Gekennzeichnet war dieses Jahrzehnt von einer anhaltenden Wirtschaftsschwäche, von einem stagnierenden Dow Jones Index, vom Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems und dem kollabierenden US-Dollar im Verhältnis zu Yen, DM oder Schweizer Franken.

- Der denkbare Einwand, in Japan wäre in der Ära der Bubble Economy keine weltgrößten Gebäude erstellt worden, lässt sich leicht entkräften. Solche Pläne gab es sehr wohl, allerdings wurden sie aufgrund der hohen Erdbebengefahr nicht verwirklicht. Den Immobilienboom aber gab es bis Anfang der neunziger Jahre: Der Wert der Fläche des Kaiserpalastes in Tokio entsprach dem Wert der Fläche von Südkalifornien. Welche Argumente wurden damals für das unaufhörliche Wachstum der japanischen Volkswirtschaft angeführt? Der japanische Aktionär sei in hohem Grad spekulativ eingestellt, weshalb hohe Kurs-Gewinn-Verhältnisse irrelevant seien. Das MITI würde exzellent steuern und planen. Japanische Management- und Produktionsmethoden würden im weltweiten Wettbewerb die japanischen Unternehmen überlegen machen (Kaizen, Lean Production, Kanban).

- Das höchste Gebäude wurde in den neunziger Jahren in Kuala Lumpur (Malaysia) fertig gestellt. Im gleichen Jahr (1997) brach die Asienkrise aus, die unter anderem in Südkorea, Malaysia, Indonesien und Thailand zu einer gravierenden Wirtschaftsabschwächung führte.

Ende der China-Hype?

- Die höchsten Gebäude in diesem Jahrzehnt fertig gestellt beziehungsweise noch im Bau sind auf Taiwan und in China, lässt man den geplanten Free-dom-Tower und Burj Dubai außer Betracht. Folgt man der aufgezeigten Argumentationslinie, dann dürfte die nächste große Krise in China und auf Taiwan ausbrechen.

Argumente, die diese Prognose untermauern könnten, gibt es zur Genüge: hohe Wachstumsraten mit der Gefahr der Fehlallokation, exzessive Umweltbelastung, niedrige Zinsen erleichtern nicht nur Investitionen, sondern verleiten auch zu Fehlinvestitionen, hohe Kreditvergabe des Kreditsystems mit dem Risiko, auch schlechte Kredite auszureichen, Auseinanderklaffen zwischen "Superreichen" und der verarmten Landbevölkerung, Abhängigkeit von dem Export, vor allem in die USA, drohender Handelskonflikt zwischen USA und China.

Zunächst scheint kein Zusammenhang zu bestehen zwischen dem welthöchsten Gebäude und der Gefahr, dass in dieser Region eine Wirtschaftskrise eintritt. Allerdings sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden:

- Der Bau des welthöchsten Gebäudes kann eine irrationale Entscheidung sein mit der Intention, "es der Welt zu zeigen - wir sind die größte Nation!" Vor der Asienkrise konnte man in den Staaten Fernostasiens lesen und hören: "Das 21. Jahrhundert ist ein asiatisches Jahrhundert". Heute ist der Ausspruch zu vernehmen: "Das 3. Jahrtausend ist ein chinesisches Jahrtausend."

- Der Bau des welthöchsten Gebäudes ist das Tüpfelchen auf dem "i" einer lang dauernden Immobilienkonjunktur, die in einer Super-Blase enden könnte. Die lange Boom-Phase verleitet zu Optimismus und zur Sorglosigkeit bei Investoren wie auch bei Gläubigern. Das Wirtschaftswachstum wird wesentlich beeinflusst durch den Bau- und Immobiliensektor.

In den USA schätzt man, dass die lang anhaltende Hochkonjunktur in hohem Ausmaß durch den Immobilienboom erzeugt werden kann. Der Einbruch dieses Sektors zeitigt erhebliche Folge- und Kollateralschäden in einer Volkswirtschaft. Eine lang andauernde Immobilienkonjunktur angeheizt durch niedrige Zinsen verleitet auch Privatinvestoren zu hohen, mitunter zu spekulativen Immobilieninvestitionen, welche die Blasenbildung verstärken.

Prof.Dr.Jürgen Singer, Universität Leipzig

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