Deutsche Bauwirtschaft im Freudentaumel

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Richtig rund läuft es derzeit im Bauhauptgewerbe. Seit Jahren geht es steil nach oben. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) hat seine Prognose von zu Jahresbeginn erwarteten fünf nun auf sechs Prozent erhöht - inflationsbereinigt sind das immer noch stattliche vier Prozent. Und es kommt noch besser: Im kommenden Jahr soll auch wieder die 800 000er-Marke bei der Beschäftigung geknackt werden. Das hat es hierzulande 2003 das bislang letzte Mal gegeben. 796 000 Arbeitnehmer werden es bereits in diesem Jahr - 15 000 mehr als im vergangenen Jahr. Auch der ifo-Index im Bauhauptgewerbe stimmt in diesen Kanon ein und erreichte seinen höchsten Stand seit 1991. Während die befragten Unternehmen die aktuelle Lage positiv einschätzen, halten sich in Bezug auf die kommenden Jahre Optimisten und Pessimisten etwa die Waage.

Haupttreiber bleibt klar der Wohnungsbau. Hier rechnet der HDB mit einem Umsatzplus von 7,5 Prozent. 2018 sollen es immerhin noch sieben Prozent sein. Präsident Peter Hübner sieht den Neubau von Wohnungen aber nicht ohne Rückkopplung auf den Wirtschaftsbau. Grund: Der Zuzug in die Ballungszentren erhöhe nicht nur die Nachfrage nach neuem Wohnraum, sondern bringe auch "eine steigende Nachfrage nach Büroarbeitsplätzen". Das ist in der Tat eine bemerkenswerte Darstellung der Zusammenhänge. Ist es nicht umgekehrt? Erst steigt die Nachfrage nach neuen Büroräumlichkeiten und dann folgt die Nachfrage nach Wohnungen?

Fakt ist, dass diese beiden Nachfrageströme derzeit ohnehin parallel in den Ballungsräumen anzutreffen sind. Jedenfalls werde, so Hübner, die Fertigstellungszahl 2017 auf 320 000 Wohnungen steigen und 2018 mit 350 000 die "Untergrenze des Bedarfs" erreichen. Problem: Mindestens 400 000 müssten es sein. Aber nach langen Jahren der Krise könne man derart steigende Fertigungszahlen nicht von heute auf morgen realisieren.

Das ist verständlich, da gerade in Krisenzeiten insbesondere vor zehn Jahren massiv Personal abgebaut wurde. Dennoch sollte es nicht allzu kompliziert sein, aus dem EU-Ausland tatkräftige Menschen für die Ausführung der Bautätigkeiten zu gewinnen. Das ist auch schon in hohem Maße geschehen. Innerhalb der vergangenen Jahre ist der Anteil ausländischer Beschäftigter von 15 000 auf 109 000 gestiegen - der Anteil liege mittlerweile bei 14 Prozent.

Bei der Anwerbung von Flüchtlingen, die nach Deutschland kamen, war man bislang nicht allzu erfolgreich - im gesamten Baugewerbe stellen sie nur magere 0,2, im Bauhauptgewerbe 1,4 Prozent. Die Bereitschaft ist an sich groß: 43 Prozent wollen die Zuwanderer ausbilden. Wären da nicht immer noch die große Sprachbarriere und die Unsicherheit über den Status. Denn die Zukunft sehen fast drei Viertel der deutschen Branchenvertreter wegen des drohenden Arbeitskräftemangels eher kritisch und fürchten gar eine Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. Ein Teil der Lösung laut Hübner ist eine Steigerung der Produktivität vor allem durch Digitalisierung. Hier kann man erkennen, dass also nach langem Zögern ebenso wie in der Immobilienbranche insgesamt der Stein der technischen Modernisierung - wenn auch notgedrungen - immer schneller rollt.

Personalmangel hin oder her, beim öffentlichen Bau wiederum sind die Hoffnungen groß. Hier rollt bereits - wenn auch aktuell noch eher träge - eine öffentliche Investitionswelle an. Diese habe, so Hübner, inzwischen sogar die klamme kommunale Ebene erreicht. Die Verkehrswegeinvestitionen sollen bis 2018 auf knapp 14 Milliarden Euro anschwellen. Die Perspektiven für den öffentlichen Bau sind günstig. Für das laufende Jahr steht ein Umsatzplus von sechs Prozent an, für 2018 von vier Prozent. In der Tat sind die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. Der ewige Sparkurs vor allem der Bundesregierung wird daher in dieser Form kaum mehr durchzuhalten sein. Darüber hinaus hat die Deutsche Bahn AG eine Investitionsoffensive zunächst im Netzbereich gestartet.

Es läuft folglich in allen drei Sparten Wohnungsneubau, öffentlicher Bau und Wirtschaftsbau rund. Allerdings muss die Baubranche neben Modernisierungsmaßnahmen wegen des demografischen Wandels möglicherweise bessere Anreize bieten, um junge Menschen für eine entsprechende Ausbildung auch in den kommenden Jahren noch begeistern zu können. Auch die Schwarzarbeit könnte durch eine höhere Bezahlung eingedämmt werden. Denn der aktuelle Anteil der illegal erbrachten Leistungen liegt in Deutschland bei stattlichen 27 Prozent. Das hat der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Friedrich Schneider von der Uni Linz herausgefunden. dro

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