Geheimtipp östlich der Oder, oder?

Glaubt man dem einen oder anderen Marktexperten, schlummert in unserer östlichen Nachbarschaft im Büro- und im Wohnbereich und ein echter Investitions-Geheimtipp. Bei Ersterem steht Polen bereits länger im Fokus, aber im Wohnsegment steht die Entwicklung noch am Anfang: Satte 8,5 Prozent Rendite lassen sich hier im Höchstfall erzielen. Denn gemessen an der Einwohnerzahl hat das Land den niedrigsten Wohnungsbestand in der EU und liegt 25 Prozent unter dem Schnitt. Der Bedarf ist also groß und die Flexibilität der jüngeren Bürger steigt. Nicht jeder im Land will mittlerweile so schnell wie möglich Wohneigentum erwerben. Mit 77 Prozent befindet sich derzeit ein großer Anteil der Wohnungen in privatem Eigentum. Der damit sehr kleine Vermietungsmarkt wurde bisher eher unprofessionell mit in der Regel befristeten Mietverträgen und ohne professionelles Property Management betrieben. Doch diese Rahmenbedingungen haben sich für Vermieter und Mieter in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. "Über die Hälfte des Bestands sind Plattenbauten aus der Zeit des Sozialismus und entsprechen nicht mehr den Anforderungen potenzieller Mieter", sagt Adam Swirski von Griffin Real Estate. Drei Millionen Wohnungen fehlen derzeit - und die Zahl der Haushalte wird bis 2030 weiter steigen. So weit liegen die Experten richtig.

Das Bruttodurchschnittsgehalt in Polen liegt aber aktuell bei etwa 1 000 Euro. Und ein Quadratmeter Eigentum kostet in Warschau rund 3 800 Euro. Die Angebotsmieten variieren je nach Wohnungsgröße zwischen 10,20 Euro und 12,30 Euro je Quadratmeter. Natürlich sind periphere Lagen etwas günstiger. Angebot und Nachfrage regulieren den Markt, aber das immer noch niedrige Lohnniveau dämpft das Wachstumspotenzial doch voraussichtlich langfristig mehr, als es internationalen Investoren recht ist. Es kommt nicht von ungefähr, dass in den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres lediglich 112 000 Wohnungen fertiggestellt wurden. Die Hälfte davon von Eigennutzern. Klar lassen sich für Investoren attraktive Renditen zwischen fünf und 8,5 Prozent erzielen. Die Zahl der Wohnbauprojekte dürfte aber in den kommenden Jahren relativ zur Größe des Marktes überschaubar bleiben. Bis auf Warschau, wo das Lohnniveau deutlich höher sei als im Rest des Landes. Politische Risiken sieht Swirski immerhin nicht. Selbst die rechtskonservative Regierung könne es sich nicht leisten, bei einem solch immensen Bedarf irgendwelche Hürden aufzubauen.

Vielversprechender und etablierter ist der Büroinvestmentmarkt. Hier gelten bei Neubauten schon länger westliche Standards. Und: Neben Warschau sind auch noch Städte wie Krakau, Breslau, Danzig, Kattowitz, Posen und Lodz attraktiv. "Seit zehn Jahren beobachten wir ausländische Investoren unter anderem aus Schweden, Deutschland, Frankreich und den USA", sagt Maciej Müldner, Financial Director bei Skanska Property Poland. Das Währungsrisiko sei laut Müldner gut zu managen: "Die Mietverträge werden in der Regel in Euro geschlossen, sodass das Wechselkursrisiko vom Mieter getragen wird." Auch die Finanzierung von Projektabwicklungen und der anschließende Verkauf erfolgten oft in Euro. Und Polen hat noch ein weiteres As im Ärmel: Es bleibt im Gegensatz zu Großbritannien weiterhin EU-Mitglied. So wird gemunkelt, dass amerikanische Großbanken bereits die Verlagerung von Arbeitsplätzen an die Weichsel anstrebten. Paradiesische Zustände? Nicht ganz, denn der Warschauer Leerstand liegt bei einem stattlichen Anteil von 15,4 Prozent. Bei genauerem Hinsehen sind dies aber überwiegend ältere Gebäude, deren leere Flure sich nicht dämpfend auf die Neubautätigkeit auswirken. Also alles in allem eine sichere Assetklasse in dem aufstrebenden einst sehr armen Land. Hier gibt es sie noch, die fünf Prozent Rendite - es waren aber jüngst noch sechs Prozent. Durch die attraktiven Kaufpreise von 5500 Euro je Quadratmeter ist das jedoch immer noch ein gutes Komplettpaket. Auch hier erwarten die Experten keine dämpfenden Eingriffe der Regierung. Vielmehr habe sich die Rechtssicherheit in den vergangenen Jahren sogar verbessert.

Andere Assetklassen wie beispielsweise das Alten- und Pflegesegment sind aber noch nicht reif und professionell genug. Da sind sich die Experten einig. Der Logistiksektor dürfte allerdings nach und nach an Bedeutung gewinnen. Grund: die immer besser werdende Transportinfrastruktur. Dennoch muss man klar sagen, dass Polen hier trotz immenser Investitionen immer noch weit von westeuropäischen Standards entfernt ist. Schienen- und vor allem Flusswege sind leider immer noch unterentwickelt und können mit der Wirtschaftsentwicklung nicht mithalten.

Bleibt festzuhalten: Bis auf Büroinvestments in Großstädten und Wohninvestments in der Hauptstadt ist weiterhin Vorsicht geboten. Das Potenzial wächst aber weiterhin und die politischen Risiken sind in der Wirtschaftspolitik überschaubar. dro

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