Immobilienwirtschaft bleibt Stabilitätsanker

Prof. Dr. Tobias Just, Wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer der IREBS Immobilienakademie, Eltville

In den vergangenen Wochen und Monaten wurden Dutzende Medienberichte über die Gefahr einer möglichen Immobilienblase in Deutschland verfasst. Die Sorge wächst, dass Deutschland eine ähnliche Krise droht wie in den USA oder Spanien vor zehn Jahren, zumal wie damals die Zinsen äußerst gering sind. Die Sorge scheint berechtigt, denn vielerorts steigen die Wohnungspreise deutlich schneller als Mieten oder Einkommen. Und natürlich müssen Marktakteure und politische Entscheider solche Warnsignale sehr ernst nehmen, denn in Deutschland sind über elf Billionen Euro in Immobilien und dem Boden gebunden. Damit stellt das Immobilienvermögen rund 80 Prozent des gesamten Anlagevermögens in Deutschland dar. Wenn hier etwas falsch läuft, hat dies gewaltige gesamtwirtschaftliche Auswirkungen - vielleicht sogar für die über drei Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigen in der Branche.

Doch bei aller Vorsicht sollte nicht vergessen werden, dass die Immobilienbranche in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten ein wichtiger Stabilitätsanker für die deutsche Wirtschaft war. Die Bruttowertschöpfung entwickelte sich deutlich weniger zyklisch als jene typischer Industriebranchen. Ähnliches gilt für die Entwicklung der Beschäftigtenzahlen. Es gab zwar zum Teil gravierende Einbrüche in einzelnen Marktsegmenten und Assetklassen, beispielsweise in der Bürovermietung nach dem Platzen der Dot-Com-Blase oder im Zuge von Fondsschließungen bei offenen Immobilienfonds, doch all diese segmentbezogenen Fehlentwicklungen wurde durch stabile Entwicklungen in anderen Segmenten aufgefangen. Gerade mit dem Blick auf andere internationale Immobilienmärkte zeigt sich die deutsche Immobilienwirtschaft deutlich weniger krisenanfällig. Dass dies so ist, liegt weniger am risikoaversen Gemüt des Deutschen als viel mehr an strukturellen und regulatorischen Eigenheiten. Gerade die Wohnimmobilienfinanzierung erfolgt selbst im aktuellen Boom konservativ und verhindert sowohl eine Überbauungskrise wie in Spanien als auch eine Finanzierungskrise wie in den USA.

Also alles bestens auf den deutschen Immobilienmärkten? Man könnte sagen, es lohnt auf hohem Niveau zu jammern, denn auch das Gute lässt sich immer verbessern. Aktuell fehlt es offensichtlich an Wohnraum in den Städten, sonst würden die Mieten nicht so deutlich steigen. Hier müsste den Immobilienmärkten mehr Luft zum raschen Atmen gegeben werden und die Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Baulandausweisung ist im Aufschwung der beste Mieterschutz. Es darf auch nicht vergessen werden, dass den Boomregionen Fortzugsregionen in strukturschwachen Gebieten gegenüberstehen. Ein wichtiger Unterschied zwischen Deutschland und Großbritannien und Frankreich ist, dass das föderale deutsche System auch die Marktnachfrage auf viele Standorte verteilt. Auch diese strukturelle deutsche Eigenheit hat geholfen, die Immobilienmärkte zu stabilisieren. Je stärker sich in Zukunft die Marktnachfrage auf wenige Standorte konzentriert, umso volatiler könnten die Immobilienmärkte. Letztlich handelt es also um sehr viele Stabilitätsanker in Deutschland.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass all dies nicht bedeutet, dass der Aufschwung ungebremst und zeitlos anhält. Eine gesamtwirtschaftliche Konstellation mit historisch niedrigen Zinsen, nahezu Vollbeschäftigung und starker Zuwanderung ist - um es vorsichtig zu sagen - ziemlich unüblich. Es ist wahrscheinlich, dass sich diese makroökonomische Butterblumenwelt irgendwann wieder zum Schlechteren verändert. Dann wird auch die Preisrallye enden, und es könnte auch Preisrückgänge geben, doch bisher dürften auch für realistische Szenarien die strukturellen und regulatorischen Rahmen in Deutschland verhindern, dass es ein US-amerikanischer oder spanischer Abschwung wird. Es wird wohl eher ein deutsches Abschwüngchen mit wenigen Ausreißern in Nischenmärkten. Das Gutachten Wirtschaftsfaktor Immobilien 2017 wurde gemeinsam von IREBS und IW Köln im Auftrag für die gif, den BID, den ZIA, den DV und Haus und Grund erstellt. Das Gutachten kann unter www.deutscher-verband.org/ heruntergeladen werden.

Prof. Dr. Tobias Just, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter IREBS, Universität Regensburg und Prof. Dr. Michael Voigtländer, Leiter Kompetenzfeld Finanz- und Immobilienmärkte, IW Köln

Prof. Dr. Tobias Just , Geschäftsführer, IREBS Immobilienakademie, Eltville und Inhaber des Lehrstuhls Immobilienökonomie, Universität Regensburg
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