Der Logistik-Boden der Tatsachen

Daniel Rohrig

Sehr euphorisch klingt es derzeit von vielen Akteuren in der Immobilienbranche, wenn das Stichwort "Logistik" fällt. Zwar schwanken die Werte der bislang in den vergangenen neun Monaten getätigten Investitionen, die diverse Immobilienunternehmen ermittelt haben. Aber ob es "nur" 5,8 Milliarden oder gar 6,7 Milliarden Euro waren, stellt den Rekord an sich nicht infrage. Große Portfolioverkäufe haben die Zahlen dabei nach oben bewegt. Gut 15 Prozent des gesamten Investitionsvolumens und damit sechs Prozentpunkte mehr als im Vorjahreszeitraum flossen in diese Assetklasse. "Logistik ist das neue Retail" ist das neue Credo. In der Tat liegt zunächst der Hauptvorteil für Investoren auf der Hand: A- und B-Lagen sind hier anders verortet. Will heißen, auch und gerade in der Provinz lässt sich derzeit gutes Geld verdienen. Der Flächenhunger ist enorm: Unter Berücksichtigung der Pipeline werden 2017 gut 5,1 Millionen Quadratmeter Neubaufläche errichtet - fast zwölf Prozent mehr Fläche als im bisherigen Rekordjahr 2016, wie eine bulwiengesa-Studie ermittelt hat. Auch 2018 gibt es schon unzählige Developments. Treiber dabei ist der Onlinehandel, der, wie man landauf, landab vernimmt, bald den klassischen Einzelhandel immer weiter verdrängen werde.

Wirklich? Hier lohnt es sich, einen Blick in den Einzelhandel zu werfen: Derzeit liegt der Anteil des Onlinehandels am gesamten Einzelhandelsumsatz noch bei bescheidenen zehn Prozent. Eine GfK-Studie geht nach einer Phase der Marktreife spätestens 2021 von einer spürbaren Marktsättigung bei Internetbestellungen aus. Bis zum Jahr 2025 werde der Onlineanteil am gesamten Umsatz der Retailbranche auf insgesamt 15 Prozent steigen, allerdings mit sortimentspezifischen Differenzen.

Als Wachstumsbremse könnten sich Probleme bei der Lieferung herausstellen. So ist ein Drittel der Onlinekunden schon jetzt mit der Paketzustellung unzufrieden. Laut einer aktuellen PwC-Untersuchung bemängeln etwa 20 Prozent der Befragten eine unpünktliche Lieferung und beschädigte Waren. Onlinehandel-Begeisterung klingt anders. Um die Pünktlichkeit und die Zuverlässigkeit der Paketlieferungen im urbanen Raum zu verbessern, ist nicht zuletzt daher die "letzte Meile", die Citylogistik, in aller Munde. Dienstleister sind in Ballungsräumen mittlerweile generell bereit, für Immobilien zunehmend höhere Preise zu zahlen, um näher am Kunden zu sein. Altbekanntes Problem ist und bleibt hier der Flächenmangel beim Neubau. Knappe Lagerflächen, eingeschränkte Be- und Entlademöglichkeiten sowie teils strenge Zufahrtsregelungen tun ihr Übriges.

Hemmschuh beim Ausbau der stadtnahen Logistik ist auch die Planarmut bei der Citylogistik, die die bulwiengesa-Studie offenbart. Es fehle noch ein klares Anforderungsprofil der unterschiedlichen Nutzer für Neubauten. Hier wäre es zweifellos vonseiten der potenziellen Betreiber angebracht, sich konkretere Gedanken zu machen als bislang. Die PwC-Experten haben in ihrer Studie immerhin einige Lösungen parat: Sharing-Modelle wie beispielsweise die gemeinschaftliche Nutzung von Logistikzentren (Multi-Hubs) oder Distributionsstrukturen mit kleineren, teils mobilen Depots (Micro-Hubs) im Stadtgebiet sowie die zeitweilige Nutzung von Parkplätzen als Be- und Entladeflächen.

Bleibt trotzdem das Problem verstopfter Straßen und die Verpestung der Luft mit Transportern - nicht nur in dicht besiedelten Gebieten. Allzu häufig wird "E-Mobilität" als Lösung genannt. Welches Problem wird dadurch gelöst? Weiterhin stauen sich benzin- und dieselbetriebene Fahrzeuge hinter den Pakettransportern, weiterhin wird Platz benötigt. Die immer wieder in die Diskussion gebrachten Lastenfahrräder haben geringere Flächen zum Beladen und benötigen daher im Umkehrschluss mehr knappen City-Logistik-Platz.

Diese Problematik hat natürlich längerfristig eine Rückwirkung auf die neu entstehenden Logistikzentren in der Peripherie. Fehlt aufgrund der genannten Gründe die Motivation der Kunden bei Onlinebestellungen, werden auch "auf dem Lande" in fünf bis zehn Jahren geringere Flächen benötigt. Das gilt auch für den Fall, dass der Ausbau der City-Logistik im Rahmen der räumlichen Möglichkeiten vorankommt. Diese praktikablen Grenzen eines zuverlässigen und die Kunden zufriedenstellenden E-Commerce könnten bei gleichbleibenden Bedingungen zumindest innerhalb der Ballungsräume ohnehin schneller erreicht sein, als manchen langfristig orientierten Investoren, Maklerhäusern und Bauherren lieb ist. Kurzfristig versprechen Investitionen in die Assetklasse Logistik jedoch durchaus Erfolg. dro

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